Axel Schulz im AZ-Interview: "Tyson ist der animalischste Boxer aller Zeiten"
AZ-Interview mit Axel Schulz: Der 52-Jährige boxte drei Mal um die WM im Schwergewicht, verlor aber jeweils. Bei seinem ersten Titelkampf gegen Box-Legende George Foreman wurde er dabei um den Sieg betrogen.
AZ: Herr Schulz, in der Nacht auf Sonntag gibt Mike Tyson, der sich selbst mal als den "bösartigsten Menschen auf dieser Welt" bezeichnet hat, nach 15 Jahren Ringabstinenz sein Comeback und tritt gegen Altmeister Roy Jones jr. in einem Showkampf an. Sie selber hatten zwei Mal die Chance gegen Tyson zu kämpfen, warum kam es letztlich nie dazu?
AXEL SCHULZ: Das stimmt, beim ersten Mal konnte ich nichts dafür. Da wurde er ja verhaftet und musste nach seiner Verurteilung wegen Vergewaltigung ins Gefängnis, dadurch ist der Kampf geplatzt. Und beim zweiten Mal, da hat einfach bei mir die Vernunft gesiegt (lacht).
Sie haben also abgelehnt.
Das war die einzig richtige Beschreibung. Ich war als Boxer damals schon über den Berg. Und Tyson ist halt Tyson. Der kann immer gewaltigen Schaden anrichten. Der hätte mich auseinandergenommen, ich wäre wahrscheinlich ohne Kopf nach Hause und er hätte ihn als Trophäe mitgenommen. Aber Spaß beiseite: Wenn du gegen Tyson eine Chance haben willst, musst körperlich, boxerisch, aber auch gerade mental voll da sein, sonst frisst er dich. Er hat so eine Schnellkraft, eine Härte, Bedingungslosigkeit und auch Brutalität. Er ist der animalischste Boxer aller Zeiten. Da kommt auch keiner ran. Keiner. Deontay Wilder versucht es gerade ein bisschen und schwafelt immer wieder davon, dass er im Ring einen Menschen töten will. Man weiß bei ihm, dass das nur Worte sind. Tyson hat eine ganz andere Aura.
"Tyson? Den kennt jeder in der Welt"
Und diese Aura führt dazu, dass Boxen gleich wieder in aller Munde ist.
Genau das erreicht nur ein Tyson, kein anderer. Dieser Name elektrisiert nicht nur die Boxszene, sondern die gesamte Öffentlichkeit. Das schafft kein Anthony Joshua, kein Wilder, auch kein Tyson Fury. Und auch nicht sein Gegner Roy Jones jr. Der ist zwar eine Box-Legende, aber in Deutschland kennt den keiner. Aber Tyson? Den kennt jeder in der Welt. Das ist ein Spektakel, ein bisschen eine Freak-Show. Es wird zwar jetzt von einer wohltätigen Veranstaltung gesprochen, aber wohltätig ist es vor allem für die Taschen der beiden. Aber das ist okay. Wir sind Boxer, das ist das, was wir können. Ich habe zumindest eine Ausbildung, aber bei Tyson sieht es da duster aus. Er macht, was er kann - und das kann er besser als so ziemlich jeder andere: einschüchtern und kämpfen.
Sie hatten einige denkwürdige Treffen mit Tyson,
Ja, etwa 2001, als er in Kopenhagen geboxt hat.
Gegen Brian Nielsen.
Genau. Da sind wir uns zufällig im Fahrstuhl begegnet. Er kannte mich - das klingt jetzt viel zu hochtrabend, er kannte mich natürlich nur, weil ich gegen George Foreman geboxt habe. Ohne diesen Kampf würde er mich nicht kennen und sonst auch keiner mehr. Auf jeden Fall, sind wir gemeinsam im Fahrstuhl, er fragt mich, wie es mir geht: Ich antworte in meinem Stöpsel-Englisch "Alles gut", die Tür geht auf, und er rast raus vor die Journalisten und springt auf einen Mercedes und brüllt rum, dass er es uns Deutschen allen zeigen würde. Wenn Tyson brüllt, nimmt man es ernst. Der Kampf war auch geil. Nielsen hatte seine Schuhsohlen als Werbefläche verkauft, weil er sagte: 'Irgendwann schlägt mich Tyson eh zu Boden, dann sieht jeder meine Füße, das ist die beste Werbefläche.'
So kam es dann auch.
Tysons Schlag- und Schnellkraft ist enorm, beängstigend. Aber nur mal so eine Notiz am Rande: Seinen bisher letzten Kampf hat er ja gegen Kevin McBride bestritten und verloren - gegen den habe ich in der neunten Runde durch K.o. gewonnen. Und ich habe sicher als Puncher nie Angst und Schrecken verbreitet.
"Tyson wird 100 Prozent geben. Das Kämpfen ist einfach in seiner DNA"
Welchen sportlichen Wert hat der Kampf denn überhaupt?
Es ist ein Showevent. Die beiden werden mit schwereren Boxhandschuhen antreten, damit sie sich nicht so leicht verletzten können. Sie kämpfen nur acht Mal zwei Minuten, nicht die üblichen drei Minuten pro Runde. Es geht für die beiden alten Herren also nur über die Mädchendistanz. Ich will es jetzt nicht als Promiboxen titulieren, denn die beiden sind tolle Boxer, aber der Sport steht sicher nicht unbedingt im Vordergrund, sondern die Unterhaltung. Wobei ich mir sicher bin: Gerade Tyson wird 100 Prozent geben. Das Kämpfen ist einfach in seiner DNA. Selbst, wenn er sich vornimmt, dass er nur 80 Prozent gibt, sobald er den ersten echten Treffer kassiert hat und er wütend wird, legt er los.
Was trauen Sie Tyson gegen die heutigen Schwergewichtler in einem echten Boxkampf noch zu?
Nun, die Explosivität und Schlagkraft ist da. Wir reden hier vom Schwergewicht. In den unteren Gewichtsklassen wäre es aussichtslos, aber bei den schweren Jungs ist das ein bisschen anders. Ich denke, solange ein Kampf nicht länger als vier Runden dauert, kann Tyson ganz vielen Boxern große Probleme bereiten, denn er wird sie überrollen wollen. Nach ein, zwei Runden ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Aber in diesen zwei Durchgängen ist Tyson eine echte Gefahr. Da kann er auch noch mal einen echten Titel holen.
Etwa den Gürtel von Mahmoud Charr.
Wie gesagt, er kann vielen der aktiven Boxer das Leben für kurze Zeit zur Hölle machen.
"Tyson - Holyfield III würde ich mir auf jeden Fall auch noch anschauen"
Und wie sähe es jetzt aus, wenn Sie das Angebot bekommen sollten, noch mal gegen Tyson in den Ring zu steigen?
Ach, ich will ihm ja nicht wehtun (lacht). Aber im Ernst: Das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür mag ich meine Ohren auch viel zu sehr.
Ein kleiner verbaler Tiefschlag gegen Tyson, dessen Ohrbiss-Attacke gegen Evander Holyfield einer der Tiefpunkte des Boxsports war.
Also Tyson - Holyfield III würde ich mir auf jeden Fall auch noch anschauen.
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