Achterbahn-Fahrer Markus Eisenbichler: So tickt der neue Skisprung-Held
Garmisch-Partenkirchen - Für das Duell mit Japans Überflieger Ryoyu Kobayashi tankte Markus Eisenbichler Kraft beim Asiaten. Gemeinsam mit den Teamkollegen ging er am einzigen Ruhetag der Vierschanzentournee gemütlich essen.
Ansonsten stand für den 27-Jährigen die Regeneration im Vordergrund: Beine hochlegen, durchatmen, "etwas Abstand von dem ganzen Trubel" gewinnen. Schließlich hat er nach den beiden zweiten Plätzen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen die Chance, als erster Deutscher seit 17 Jahren die Tournee zu gewinnen. (Lesen Sie hier: Wellinger und Freund - der tiefe Absturz)
Die AZ stellt den deutschen Hoffnungsträger vor, dessen Karriere einer Achterbahnfahrt gleicht...
Die Anfänge
Eisenbichler ist in Siegsdorf im Chiemgau aufgewachsen, mit sieben Jahren machte er im Kindertraining beim TSV Siegsdorf seine ersten Sprünge. "Damals haben die Trainer verschiedene Wintersportarten vorgestellt, auch Nordische Kombination war dabei. Meine Freunde und ich wollten das ausprobieren, weil wir eher etwas Extremeres machen wollten", erinnerte er sich bei "skispringen.com".
"Wir sind davor immer schon gern schnell Ski gefahren, haben immer versucht weit zu springen, wenn es irgendwo einen kleinen Berg gab." 2007 wechselte er an die Christophorusschule in Berchtesgaden, wo er zum Leistungssportler ausgebildet wurde und die er mit der Mittleren Reife abschloss.
Rivalen um den Tournee-Gesamtsieg: Eisenbichler (r.) und der Japaner Ryoyu Kobayashi, der beide Springen gewann. Foto: imago
Das schlampige Talent
Eisenbichler galt früh als großes Talent, doch der Biss fehlte ihm. "Ich war früher oft schludrig, habe im Training nicht 100 Prozent gegeben", gibt er zu. Der Durchbruch in die Weltspitze blieb ihm zunächst verwehrt, auch wenn er am 30. Dezember 2011 in Oberstdorf im Weltcup debütierte und gleich Ex-Weltmeister Martin Schmitt aus dem Wettbewerb warf.
Der Horror-Sturz
Es war im September 2012, als Eisenbichler bei einem Trainingsversuch in Oberstdorf nach dem Absprung die Kontrolle verlor und kopfüber auf dem Hang aufschlug. Resultat des Horror-Sturzes: Der dritte Brustwirbel war gebrochen, vier weitere angebrochen. "Als ich da unten lag und nichts mehr gespürt habe, habe ich schon mal gedacht, dass es das jetzt mit dem Skispringen war", erinnert er sich.
Eisenbichler nimmt in Garmisch die Gratulation seiner Mutter entgegen. imago/Eibner Europa
Der Wendepunkt
Doch der schlimme Sturz bewog Eisenbichler zum Umdenken. "Als ich dann im Krankenhaus lag, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken", sagt er. "Ich habe mir gesagt: Falls ich wieder fit werde, dann probiere ich es noch mal. Dann nicht mehr mit 80 Prozent. Sondern unter dem Motto 'Alles oder Nichts'."
Der Durchbruch
Der Aufstieg in die Weltspitze gelang Eisenbichler in der Saison 2016/17, als er bei den Weltmeisterschaften in Lahti Bronze von der Normalschanze gewann und im Mixed-Teamwettbewerb zusammen mit Carina Vogt, Svenja Würth und Andreas Wellinger Weltmeister wurde. Am 25. März 2017 stellte er mit einem Flug auf 248,0 Meter auf der Skiflugschanze von Planica einen deutschen Weitenrekord auf.
Der Teamplayer
Die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang waren für Eisenbichler ein bitteres Erlebnis. Weil er ein teaminternes Ausscheidungsspringen gegen Stephan Leyhe verlor, musste er zusehen, wie sich seine Kollegen im Mannschaftswettbewerb Silber holten. Doch Eisenbichler zeigte sich als fairer Teamplayer: Bei der Medaillen-Party brachte er das deutsche Haus mit einer Schuhplattl-Einlage zum Johlen. "Die Nicht-Nominierung bei Olympia war natürlich hart, aber für mich war dann sofort klar, dass ich das Team unterstützen will", sagte er.
Der Bodenständige
Eisenbichler ist sehr heimatverbunden, lebt und liebt das bayerische Brauchtum. "Mir ist die bayerische Kultur wichtig. Lederhosen, Schuhplattlern, das mag ich gern", sagt er. Im Sommer ist er gerne in den Bergen seiner Heimat zum Wandern oder Klettern unterwegs.
Das Ritual
Zur Einstimmung auf die Sprünge macht Eisenbichler den Affen, er klopft sich im Wechsel mit der rechten Faust auf die linke Brust und mit der linken Faust auf die rechte Brust. "Das macht locker und lässt einen tief durchatmen", sagte er der "Bild".
Der Reiz des Skispringens
Das Besondere am Skispringen sei für ihn, sagt Eisenbichler, "einfach das Gefühl zu haben, dass ich für eine gewisse Zeit alles vergessen kann. Dass ich dem ganzen Stress, den man so im Leben hat, ein bisschen entfliehen kann. Ich versuche, so oft wie möglich in der Luft das Gefühl von Freiheit und Schwerelosigkeit zu bekommen."
Die Pläne nach der Karriere
Eisenbichler schloss im Sommer seine Ausbildung zum Polizeimeister bei der Bundespolizei ab. "Jetzt bin ich viel beruhigter und gelassener. Irgendwann ist das Skispringen vorbei, jetzt weiß ich aber, dass ich einen Beruf habe, der mir extrem viel Spaß macht", sagte er dem "Traunsteiner Tagblatt".
Sein Traumjob
Skisprungtrainer bei der Bundespolizei. Außerdem wolle er eine Familie gründen und ein Haus bauen. Bis es so weit ist, will er noch seinen Traum vom Tourneesieg verwirklichen.
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