Woher kommt der Hass gegen Meghan Markle?
Ob das Auseinanderbrechen der Beatles (Yoko Ono), die Affäre des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton (Monica Lewinsky) oder auch der Streit im britschen Königshaus (Meghan Markle): Oft finden finden sich Frauen in der Rolle der Schuldigen wieder.
Das hat System, finden die beiden österreichischen Autorinnen Beate Hausbichler und Noura Maan. In ihrem Buch "Gerade gerückt" wollen sie mit den Vorverurteilungen aufräumen und die berühmten Frauen rehabilitieren.
AZ: Frau Maan und Frau Hausbichler, Marie Antoinette, Meghan Markle und Gina-Lisa Lohfink in einem einzigen Buch – das klingt im ersten Moment nach einem recht kuriosen Mix. Was eint diese Frauen?
BEATE HAUSBICHLER: Diese bekanntgewordenen Frauen wurden nach bestimmten Mechanismen des Patriarchats behandelt und sind alle Opfer von universellen Fallstricken geworden, die in einem ganz anderen Maß Frauen betreffen: Verkürzungen, Verzerrungen, Mythen, die sich immer weitertragen. Es ist dabei kaum ein Unterschied, ob eine Frau vor 100 Jahren gelebt hat oder jetzt in der Gegenwart.
NOURA MAAN: Bei diesen Frauen wurde die Schuld für etwas gesucht, das sie eigentlich nicht zu verantworten hatten. Marie Antoinette wurde zum Symbol für die Verschwendung am königlichen Hof in Frankreich, obwohl es diese schon vor ihr gab. Auch bei Meghan Markle gab es so viele Vorwürfe, sie hätte die Familie, die Monarchie, das Bruder-Verhältnis zerstört.

Die Affäre zwischen Bill Clinton und Monica Lewinsky: "Eine Frau ohne jegliche Unterstützung"
Stichwort Megxit. Es gibt aber auch die Begriffe Yoko-Ono-Effekt oder den Lewinsky-Skandal. Die Wortfindungen verknüpfen die Schuld mit der jeweiligen Frau. Warum werden sie härter verurteilt und skandalisiert als Männer?
BEATE HAUSBICHLER: Das liegt an unseren misogynen und frauenfeindlichen Strukturen. Es gibt für Frauen Maßstäbe, die irrsinnig streng, paradox und widersprüchlich sind.
NOURA MAAN: Es ist auch die leichtere Variante, wenn wir etwa an Monica Lewinsky und Bill Clinton denken. Ein Mann, der idealisiert wurde und ein politisches Machtwort und finanzielles Gewicht besaß, steht hier im Zentrum des "Skandals". Dem gegenüber steht eine Frau ohne jegliche Unterstützung. Es ist leichter, bei ihr die Schuld zu suchen. 1998 gab es auch so etwas wie Soziale Medien noch nicht und damit keine Möglichkeit, das Narrativ selbst in die Hand zu nehmen und die eigene Situation darzulegen.

Es gibt nun zwar mit Sozialen Netzwerken mehr Möglichkeiten, für sich selbst zu sprechen, aber der Ton im Netz ist auch rauer geworden, oder?
NOURA MAAN: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Soziale Medien ein toxischer Ort sein können, in dem viel Hass vor allem Frauen trifft. Aber gleichzeitig ist es ein Ort, an dem Vielstimmigkeit möglich geworden ist.
"Bei Meghan Markle haben sich Sexismus und Rassismus überschnitten"
Haben Sie Faktoren ausgemacht, die sich darauf auswirken, ob eine Frau in der Öffentlichkeit niedergemacht wird?
BEATE HAUSBICHLER: Nichts und alles. Das wollen wir aufzeigen: Es herrscht eine totale Willkür, wofür prominente Frauen angeprangert werden. Es hat nichts mit Kompetenz zu tun. Nehmen wir das Beispiel Mariah Carey. Trotz ihres Gesangstalents ist sie immer verlacht worden.
Eine Frau, die Sie in Ihrem Buch "Gerade gerückt" auch rehabilitieren wollen, ist Meghan Markle, die vor Jahren als meistgehasste Frau der Welt bezeichnet wurde. Warum zieht sie den Zorn so vieler Menschen auf sich?
NOURA MAAN: Anfangs wurde sie noch gelobt, sie galt als frischer Wind im Königshaus. Doch die Stimmung kippte schnell: Bei ihr haben sich zwei Formen von Diskriminierung – Sexismus und Rassismus – überschnitten. Davon abgesehen, dass man ihr angedichtet hat, ihre Heimat sei der Kriminalitäts-Hotspot Compton, und man ihre Familie mit Gangstern in Verbindung gebracht hat, wurde ihr Kind mit einem Affen verglichen! Für viele Menschen geriet die traditionsreiche Monarchie ins Wanken und in Meghan Markle wurde schnell eine Schuldige gefunden.
"Es wurde nicht nur einer Frau übel mitgespielt, sondern es steckt System dahinter"
Sie wollen mit Ihrem Buch die Biografien dieser Frauen geraderücken. Wie würde das bei Meghan Markle aussehen?
NOURA MAAN: Es geht uns um Fairness und gegen die Ungleichheit, mit der Frauen und Männer beurteilt werden. Harry hat kaum Angriffe bekommen und wenn, dann nur im Zusammenhang mit ihr.
BEATE HAUSBICHLER: Wir wollen nicht diese privilegierten Frauen retten, sondern es geht uns auch um Fairness für alle Rezipientinnen. Wir wollen den Leserinnen zeigen: Es ist nicht normal, dass man so mit Frauen umgeht. Dahinter steckt ein sexistischer und frauenfeindlicher Boden und er schwappt auf Menschen über, die das ständig sehen, und damit normalisiert sich dies auch noch.
NOURA MAAN: Wir haben 28 Geschichten von Frauen gesammelt. Das zeigt: Es wurde nicht nur einer Frau übel mitgespielt, sondern es steckt System dahinter.
Sie erwähnten schon die Affäre von Bill Clinton. Wie erging es Monica Lewinsky später?
NOURA MAAN: Sie wurde in ihrem Berufsleben ständig darauf angesprochen und ihr wurde nahegelegt, ihren Namen für mehr Erfolgschancen zu ändern. Sie hat das verneint, schließlich habe auch niemand Bill Clinton geraten, er solle seinen Namen ändern. Sie setzt sich mittlerweile für Opfer von Belästigung und Bullying ein.
"Der Catfight von Meghan mit Herzogin Kate wurde inszeniert"
Eine weitere Frau ist Camilla Parker Bowles – bei ihr fällt, wie bei Meghan Markle, auf, dass es eine gute Gegenspielerin gibt. Bei Meghan ist es Kate, bei Camilla war es Lady Diana. Hat auch das System?
BEATE HAUSBICHLER: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Konkurrenz zwischen zwei Frauen konstruiert wird. Diana als die schöne, junge, feinfühlige Prinzessin und auf der anderen Seite Camilla Parker Bowles, die vom britischen Boulevard lange als hässlich bezeichnet wurde. Prinz Charles ist hinter dieser Konstellation verschwunden, de facto hat aber er Ehebruch begangen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis Camilla anerkannt wurde.

NOURA MAAN: Auch bei Meghan wurde dieser Catfight mit Herzogin Kate inszeniert. Hier hat man sehr auffällig gesehen: Sie haben die gleichen Sachen gemacht, die gleichen Kleider getragen. Die eine wurde dafür gelobt, die andere verurteilt. Auffallend ist dabei, dass auch Kate anfangs verlacht wurde, als "Waity Katie". Sie hat erst in dem Moment die positivere Rolle bekommen, als eine zweite Frau auftrat, die man mehr hassen konnte.
Wie lässt sich das System durchbrechen?
BEATE HAUSBICHLER: Indem die Geschichten nicht ewig gleich weitererzählt werden. Etwa der Mythos, dass Yoko Ono die Beatles gesprengt habe. Das ist auch die Verantwortung von Journalisten und Journalistinnen.
Zum Buch: Noura Maan und Beate Hausbichler (Hrsg.): Gerade gerückt. Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden; Kremayr&Scheriau; 24 Euro.
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