Witwe von Helmut Dietl: Tamara Dietl - "Zu Weihnachten wird es besonders heftig"
Rote Teppiche, Blitzlichtgewitter – dieses Leben im Mittelpunkt war nie ihr Ding, auch wenn sie mit einem der berühmtesten Regisseure des Landes verheiratet war. Doch genau diese unaufgeregte Bodenhaftung liebte Helmut Dietl († 70, "Kir Royal") auch an seiner Tamara (53).
Als er 2013 an Krebs erkrankte, pflegte sie ihn anderthalb Jahre zu Hause und begleitete ihn beim Sterben. Jetzt hat die Wahl-Schwabingerin, die als Sinn- und Wertecoach arbeitet und erfolgreiche Bücher verfasst ("Die Kraft liegt in mir", btb-Verlag), eine Ausnahme gemacht.
Für die BR-Reihe "Lebenslinien" (18. Dezember, 22 Uhr) ließ sie sich 14 Drehtage lang begleiten. Entstanden ist das Porträt "Lebenslinien – Und dann kam Helmut Dietl" über eine starke ungewöhnliche Frau. Mit der AZ sprach Tamara, die mit Helmut die 14-jährige Tochter Serafina hat, über die harte Zeit, von der sie keinen Tag missen möchte – und über sich. Sie möchte raus aus dem "Katastrophenmodus", auch mal wieder an sich denken, aber das ist gar nicht so leicht.
AZ: Liebe Frau Dietl, für den BR lassen Sie alles nochmal Revue passieren. War es mehr ein Durchleben, Durchleiden oder Durchlieben Ihrer Vergangenheit?
TAMARA DIETL: Ein Mix aus allem. Natürlich war es sehr schmerzhaft, aber das gehört dazu. Vor allem war es für mich die Möglichkeit, mit ein paar Dingen abzuschließen. Der Film, der alles nochmal in einen anderen Kontext stellt, hat den Heilungsprozess vorangetrieben, insofern war es ein Geschenk.
Welche Szene war besonders emotional?
Als ich alle Artzney von Helmut rausgekramt habe. Keine Ahnung, warum ich die überhaupt aufgehoben habe, am Schluss brauchte er nur noch eine kleine Morphiumpumpe. Aber diese Masse an Artzney holte ich plötzlich hervor, stopfte sie in einen Müllbeutel und, ja, das war wirklich heftig. Das Fernsehteam war so nett und hat den Beutel zum Wertstoffhof gefahren, dazu war ich in dem Moment nicht in der Lage.
Trotzdem wirken Sie während des Films vor allem: stark. Woher nehmen Sie denn die Kraft?
Die Aufgabe, für Helmut da zu sein, war größer als mein Ego. Ich gebe jeder Lebenssituation einen Sinn. Es geht um die eigene Haltung, wie man seinem Leben begegnet. Das ist natürlich schwer und ungemütlich, sich auch den Krisen zu stellen. Einfacher und unaufwendiger ist es, in die Opferrolle zu fallen. So bin ich aber nicht, so will ich nicht sein. Ich weiß, dass einem nicht nur Glück, Gesundheit und Geld auf dem Silbertablett präsentiert werden. Ich möchte selbstbestimmt leben, trotzdem bin ich auch mal traurig oder schwach. Aber davon lasse ich mich nicht überwältigen. Als klar war, dass es für Helmut keine Heilung mehr gibt, hätte ich nur verzweifelt sein können. Aber ich tauschte die Hoffnung auf Heilung ein gegen eine Hoffnung auf ein würdevolles Sterben.
Ist das möglich?
Ja, und das macht mich auch jetzt noch sehr glücklich! Von den anderthalb Jahren war Helmut nur 14 Tage in einer Klinik, sonst die ganze Zeit zu Hause. Mir war es wichtig, so lange wie möglich, ein normales Familienleben zu führen. Nach seinem Tod fragte mich unsere Tochter Fini mal: Darf ich jetzt manchmal auch wieder glücklich sein? Die Antwort lautete natürlich: Ja.
War es gut, dass Sie Helmut erst eher spät begegnet sind?
Absolut, schon am ersten Abend sagte er zu mir: "Es wird nicht leicht. Ich bin ein hochgradig neurotischer Mann." Mit Mitte 20 wäre ich ihm niemals gewachsen gewesen. Aber mit 38 hat es auf Anhieb gepasst, zwischen uns war alles ganz selbstverständlich und richtig.
Was faszinierte Sie an ihm?
Diese Mischung aus Melancholie, Zärtlichkeit und dazu dieses Angepisstsein, was er gleichzeitig auch genießen konnte. Er war ein hochambivalenter, widersprüchlicher Mann, und das ist sehr sexy.
Könnten Sie sich vorstellen, sich nochmal zu verlieben?
Warum nicht? Vorstellen kann ich mir alles. Allerdings wird es nicht einfach sein, Helmut hat verdammt hohe Maßstäbe gesetzt.
Wird das Vermissen mit der Zeit leichter?
Nein. Ich vermisse ihn sehr, sehr, sehr. Gerade jetzt zu Weihnachten wird es besonders heftig für Fini und mich. Denn Weihnachten war Helmuts Fest, er hat es von Herzen geliebt. Vom Schmücken des Baumes bis hin zu den bestimmten Kartoffeln, die es für die Knödel braucht, er hat alles immer bis ins kleinste Detail geplant. Weihnachten war bei uns eine ganz intensive Familiensache.
Im Film sagen Sie, dass Sie sich jetzt auch mal um sich kümmern wollen. Klappt das?
Ja, ich will an meinem Gewicht arbeiten, wieder mehr lesen, auch mal nichts tun, einfach mal an mich denken. Raus aus diesem "Katastrophenmodus", in dem ich mich die letzten Jahre befand. Es ging rund um die Uhr um Effizienz, Effektivität, Krisenbewältigung. Mit Erstaunen stelle ich fest, es ist gar nicht so leicht, das Programm im Kopf plötzlich umzuschreiben. Kürzlich war ein alter Freund in der Stadt, wir sind abends ins Schumann’s, einfach so. Ohne tieferen Sinn und Zweck. Es hat gedauert, bis ich es genießen konnte. Aber dann war es ein netter Abend.
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