Sara Schätzl: Bulimie! Ihre Schock-Beichte

Was niemand ahnt: Sara Schätzl leidet seit zwölf Jahren an Bulimie, ist süchtig, schlank zu sein. In der AZ spricht sie über ihre Krankheit, die Angst vor Pizza und Pommes – und ihre einzige Rettung.
Kimberly Hoppe |
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Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Moritz Thau 5 Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Moritz Thau 5 Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Moritz Thau 5 Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Moritz Thau 5 Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.
Franz Steiner 5 Bulimie! In einem Buch packt Sara Schätzl über ihre Krankheit aus.

Plötzlich war sie da. In München, auf den Partys, an den Seiten berühmter Männer, in den Schlagzeilen. Doch so schnell wie Sara Schätzl (26) aus dem Nichts aufgetaucht war, verschwand sie vor paar Jahren wieder.

Nun meldet sich das einstige Party-Girl zurück. Was niemand ahnte: Seit zwölf Jahren leidet Sara Schätzl an Bulimie, die Ess-Brechsucht bestimmt ihr Leben. Sie ist süchtig danach, schlank zu sein – und niemand kriegt es mit. Was sie so lange verheimlichte, kann nun jeder nachlesen. „Hungriges Herz“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf) heißt ihr Buch, das ihr neben der Therapie in die Normalität half. Angst vor Pizza und Pommes hat sie aber immer noch.

Lesen Sie hier: Billig-Silikon: Auch Sara Schätzl ist betroffen

Im Gespräch mit der AZ, das in der Redaktion stattfindet, trinkt sie Cola light.

AZ: Sara, die wichtigste Frage vorab: Wie geht es Ihnen?

SARA SCHÄTZL: Ich bin auf dem richtigen Weg, aber es dauert.

Sie gehen gut aus, gesund.

Ich habe in den letzten Monaten zehn Kilo zugenommen.

Lesen Sie hier: Marc Terenzi und sein Münchner Schätzl

Sieht man überhaupt nicht.

Naja, ich habe ein schmeichelhaftes Sackkleid an.

Entschuldigen Sie die Indiskretion, aber wann haben Sie sich zuletzt erbrochen?

Da muss ich nachschauen.

Sie haben das Datum nicht im Kopf?

Nee, ein gutes Zeichen, oder? Also, es ist sieben Monate her.

Wie funktioniert Ihr Leben ohne Bulimie?

Es ist schwer. Die Bulimie hat meinen Alltag bestimmt. Ab 17 Uhr begann ich, in verschiedene Supermärkte zu gehen. Einer allein ging nicht, weil die Kassiererinnen mich irgendwann alle kannten und fragten, warum ich täglich für eine Großfamilie einkaufen würde.

Was kauften Sie?

Nur billiges Zeug, weil es ja eh nicht lange im Magen blieb. Bis zu 10 000 Kalorien habe ich auf einmal konsumiert. Chips, Butter, Baguette, Pizza, zwei Tafeln Schokolade, einen halben Liter Eiscreme, Gebäck, Cola light, damit es leichter rausging. Ich stopfte alles in mich rein, kotzte es dann wieder raus.

Wie kann man süchtig werden, sich zu erbrechen?

Ich war so stolz, das System besiegt zu haben. Ich kann alles essen, werde aber nicht fett. Wow! Die erste Zeit nimmt man rapide ab, das war toll, danach pendelt sich der Stoffwechsel ein, man geht gegen Null, schläft 14 Stunden am Tag, weil man nur entkräftet ist. Ich war immer müde, bekam nichts auf die Reihe.

Sie waren nur noch mit Ihrer Bulimie beschäftigt?

Ja, es ist mehr als ein Halbtagsjob. Ich habe mich sehr isoliert, die Bulimie ist plötzlich alles: Hobby, Familienersatz, beste Freundin, ein friedlicher Ehepartner. Ich stand oft in München vor einer Beratungsstelle, hab mich aber nicht reingetraut. Ich war nicht bereit, meine große Stütze aufzugeben. Sie war alles, was ich hatte. Von 14 bis 26 hatte ich Bulimie, ich kenne kein erwachsenes Leben ohne diese Krankheit.

Es musste viel passieren, damit Sie sich helfen ließen. Vor zweieinhalb Jahren wurden Sie Mutter. Hat Louis Sie gerettet?

Ich war vier Mal in der Klinik. Die letzten beiden Male waren entscheidend, weil man mir da angedroht hatte, dass sie das Jugendamt einschalten müssen, wenn ich öfter eingeliefert werde. Es war eine realistische Sorge, denn ich habe das alleinige Sorgerecht – und was passiert, wenn ich umkippe und acht Stunden in der Wohnung herumliege? Diese Sorge war das erste und einzige, was mich jemals berührt hat. Das ist zwar traurig zu sagen, aber alleine hätte ich nie aufgehört.

Warum?

Es ist ein Teufelskreis. Du hast kein Selbstwertgefühl, dann fängst du an, zu erbrechen, um ein Bild zu erreichen, das in deinem Kopf gut genug ist, damit dich jemand liebt. Du selber liebst dich aber nicht, sonst würdest du so etwas niemals machen. Ein normaler Mensch würde nie auf die Idee kommen, sich nur über sein Gewicht zu identifizieren – vor allem nicht hin bis Haarausfall, Ohnmacht und Herz-Rhythmus-Störungen. Ich wäre fast daran gestorben.

Wie essen Sie heute?

Es gibt ungefährliches Essen für mich. Obst und Gemüse, da nimmt man nicht zu. Zwischendurch habe ich Gläser mit Babynahrung dabei.

Ein Stück Pizza?

Geht nicht. Noch nicht. Ich bin noch nicht an dem Punkt, wo ich einen Burger mit Pommes essen könnte – und damit kein Problem hab. Mein Horror sind Veranstaltungen mit Buffet. Ich kann nicht drei Pralinen essen, sondern nur 30.

Schmeckt Ihnen Essen?

Äpfel und so mag ich mittlerweile, hat aber lang gedauert.

Heißhunger-Attacken?

Gibt’s nicht. Ich unterdrücke das. Von meinen Ex-Sucht-Lebensmittelgruppen Eiscreme, Pizza, Fast Food, Chips halte ich mich fern. Andere Junkies, die nach Drogen süchtig waren, können das irgendwann ausklammern. Das ist bei mir anders. Ohne Essen geht es nicht. Ich kann dem Essen nicht entkommen – schon gar nicht heute, wo es überall danach riecht, alle „to go“ in ihre Sandwiches beißen. Mein Kranksein verfolgt mich jeden Tag.

Fühlen Sie sich heute zu dick?

Ich weiß, dass ich immer noch das Gehirn einer Essgestörten habe. Selbst mit 50 Kilo fühle ich mich zu dick. Manchmal finde ich mich so hässlich, dass ich nicht aus dem Haus gehe und nur weine. Ich hoffe, dass ich eines Tages in den Spiegel schauen und mich schön finden kann. Nicht, weil ich Größe 36 oder 40 hab, sondern weil ich als Mensch ganz okay bin.

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