Ottfried Fischer: Unfrisierte Gedanken zum 60.!
München - Schwergewicht. Mit diesem Wort muss Ottfried Fischer seit gut 30 Jahren leben. Er hat das Beste daraus gemacht. Als Kabarettist, als Schauspieler, als Autor, als Mensch. Schwergewicht - das bezieht sich seit gut 30 Jahren zunächst auf seinen Körperumfang, egal ob er nun 160 oder 140 Kilo schwer ist. 60 Jahre wird er heute alt, und das Meiste ist nicht mehr so wie früher.
Für sein Publikum war es immer wieder erstaunlich, wie blitzschnell und treffsicher seine gedanklichen Querschüsse daherkamen, wie weltläufig und frech dieser schwere Mann, der rein physisch die tiefste niederbayrische Provinz - Fischer kommt als Sohn eines Westfalen und einer Bayerin vom Einödhof Ornatsöd im Bayerischen Wald - verkörpert, seine Pointen galoppieren lässt, ohne Zügel, ohne Zäune.
Bisweilen verharren seine Zuschauer vor der Lachsalve in einer stummen Schrecksekunde: War das nun dreiste Provokation oder messerscharfer Humor? Rechtsanwalt hätte er werden sollen, das war der Wunsch des Vaters. Nach einigen Semestern Jura an der Münchner Universität brach der junge Fischer das Studium ab - und gründete mit Freunden das Münchner Hinterhoftheater. Er hat mit seiner satirischen Leichtfüßigkeit ziemlich schnell eingeschlagen und - natürlich! - mit seinem Gewicht. "Schwer ist leicht was" hieß 1989 das Soloprogramm als Kabarettist.
Schwergewicht. Er wurde schnell zu einem der wichtigsten Ein-Mann-Darsteller, auf Augenhöhe mit Werner Schneyder, Dieter Hildebrandt, Matthias Richling, Urban Priol und wie sie alle heißen.
Die gleiche schwergewichtige Karriere machte er als Schauspieler. In Kultserien wie "Irgendwie und Sowieso", "Der Schwammerlkönig" oder "Ein Bayer auf Rügen". Zum großen Star wurde Ottfried Fischer ab 1995 als "Der Bulle von Tölz". Und ab 2003 war er der populäre "Pfarrer Braun".
Da war Fischer längst auch in den Medien ein Schwergewicht. Mit Geschichten um seine Bordellabenteuer wurde er wie ein Bulle bei der Körung durch den Ring gezogen. Trennung von der Frau, Bitten um ihre Rückkehr, dann das endgültige Aus. Schmerzhaft muss das für ihn gewesen sein und peinlich - oft auch für das Publikum.
Dann wurde die Krankheit bei ihm entdeckt. Seine Gesichtszüge wurden starr, seine Gestik schleppend. Schwergewicht. Dem "Magazin der Süddeutschen Zeitung" sagte er, er wisse noch ganz genau, wann es ihm selbst zum ersten Mal aufgefallen war: "Als mich der Kollege Helmut Schleich parodiert hat. Wie der anfing, so ohne Grimassen, mit ganz langsamen Bewegungen, wurde mir klar, au weh, da stimmt was nicht. Das merken sicher bald alle."
In der gleichen Reportage schrieb der Autor: "Fischer ächzt und lächelt schief. Krankheit und Medikamente haben seine Gesichtszüge ausgebremst. Er weiß das. Immerhin - er hat die Art von Parkinson, bei der man nicht zittert. Dafür wird man müde, sehr müde. Und unbeweglich. Die Aussichten: nicht gut. In extremen Fällen droht Bewegungsunfähigkeit. Aber mit Medikamenten lässt sich die Krankheit in Schach halten. Einigermaßen. Er weiß, dass es vielleicht gut wäre kürzer zutreten. Aber er will nicht."
Auch in der Krankheit wird er erbarmungslos als Schwergewicht wahrgenommen. Ein Schwergewicht der Hilflosigkeit? Bei der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst ätzt im Vorprogramm ein so genannter Comedian: "Er ist ein Superpreisträger, viel träger geht's ja eigentlich nicht."
Dem Fernsehen hat er mittlerweile entsagt. Kein Bulle, kein Pfarrer mehr - auch keine Möbelwerbung. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte er: "Ich habe den Vorteil, dass ich mir die Krankheit finanziell leisten kann. Ich habe relativ kräftig nach meiner persönlichen Philosophie im Sommer das eingefahren, was ich jetzt im Winter brauche. Aber man weiß nie, wie lang der Winter wird. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sicher bin bis ans Ende meiner Tage. Das ist das bäuerliche Denken, das mich nie verlassen hat."
Auf der Bühne möchte er noch lange stehen. Trotz seiner eingeschränkten Mimik, trotz der ewigen Müdigkeit. Er hält sich an sein eigenes Motto: "Kein Angst, ich habe keine Schüttelreime."
"Hatten Sie Bedenken, dass Sie nur noch Mitleid, aber keine Lacher mehr kriegen?", fragte ihn jüngst ein Journalist der "Passauer Neuen Presse". Fischer antwortete: "Ja, man muss den Leuten die Vorbehalte und die Berührungsangst nehmen! Neulich bin ich in der Kneipe gesessen, dann kommen welche daher: Du, das ist der Ottfried Fischer. Und der andere sagt: Nein, das ist er todsicher nicht! Der Fischer hat Parkinson, der könnte hier gar nicht sitzen! Der war so auf Parkinson fixiert, dass er mich nicht erkannt hat. Aber das war schön zu hören, dass ich doch nicht krank bin, das war wunderbar."