Marianne Sägebrecht: Unsere Regenbogenbavaria
Schauspieler müssen in Rollen schlüpfen, wie man so sagt. Bei ihr war’s umgekehrt: Sie hat die Rollen geprägt – wie 1987 die Jasmin Münchgstettner in „Out of Rosenheim“ von Percy Adlon. Der Film war ihre Eintrittskarte für Hollywood, wo sie dann 1989 im „Rosenkrieg“ neben Michael Douglas und Kathleen Turner die deutsche Haushälterin spielte.
Diesen Sommer konnte man Marianne Sägebrecht auf der Bühne der Reithalle sehen – in „Bussi“, einem „Munical“ des Gärtnerplatz-Theaters. Da erschien sie enthoben auf einer Empore und versöhnte die Münchner new-wave-ige Underground-Szene der frühen 80er mit dem Spießbürgertum als Mama Bavaria Toleranta. In dieser Figur ist alles drin. Denn natürlich hat die Sägebrecht etwas voluminös Mütterliches, Bayerisches, Liberales.
In Starnberg hat die Sägebrecht Anfang der 70er das Kabarett „Das Spinnradl“ mit ihrem Mann betrieben: nachmittags auch Schülertreff, abends tauchten auch die Gay-Community auf – „Homosexualität gehört ja auch zur Natur des Menschen“, sagt sie – sowie Intellektuelle, Künstler und Musiker aus München.
Lesen Sie auch: Marianne Sägebrecht wird 70
„Heidnische Katholikin mit natur-keltischem Einschlag“
„Ich bin immer ohne Vorurteile gewesen“, sagt sie der AZ: „und neugierig“. Und sie ist, was sie in ihrer natürlichen Bescheidenheit nicht sagen würde, auch sich verströmend, großzügig, warmherzig.
Marianne Sägebrecht ließ sich scheiden „nach langer großer Liebe“, wurde Fotografin, machte das Mutti Bräu in Schwabing auf, wo „Wahnmoching“, das Bohème-Schwabing, wieder auflebte. Bis die Kneipe einem Heuschrecken-Spekulantenprinzip zum Opfer fiel. Im Marienkäfer ging’s weiter. „Lokale müssen Orte sein, wo verschiedene Menschen zusammenkommen. In Gesprächen kommen neue Gedanken“, sagt Sägebrecht.
„,Ich komm aus Surinam’, habe ich meiner Mutter schon mit fünf Jahren gesagt, und die hat das akzeptiert.“ Jetzt, mit 70, will Marianne Sägebrecht da nächstes Jahr hinfahren. Denn mit sechs Jahren hat sie einen Sanella-Margarine-Karton genommen, ihren Teddy-Bär, den Suri, reingesetzt und ihn mit einer Brotzeit vorausgeschickt: vom Dorfbach zum Isarfluss, zum Meer.
Jetzt will sie hinterher in dieses „Seelenland“ ihrer Kindheit: „Meine Tochter ist schon ganz nervös. 15 Jahre habe ich schön gearbeitet, gelesen und mich zurückgenommen. Jetzt geht’s wieder hinaus in die Welt.“
Wer sich mit Marianne Sägebrecht unterhält, hält sie vielleicht für ein bisschen verrückt – genau in dem Maße, wie es Menschen eben sein sollten, um noch Fantasie zu haben und nicht konventionell zu sein. Das war anscheinend schon immer so: Als sie elf war, fesselten Dorfmädchen sie an einen Baum und untersuchten sie, weil ihnen die Marianne unheimlich war und weil sie nicht verstanden, warum der Pfarrer ausgerechnet dieses Mädchen in der Messe Bibeltexte lesen ließ.
„Sie wollten wissen, ob ich wirklich ein normales Mädchen bin oder vielleicht doch sowas wie ein Engel“, erzählt die „heidnische Katholikin mit natur-keltischem Einschlag“, wie sie sagt – ohne zu lachen.
Lesen Sie auch: Marianne Sägebrecht - Sie fällt mit Schutzengel
„Out of Rosenheim“ trifft „Bagdad Café“
Marianne Sägebrecht strotzt vor Energie – und Ruhe. Sie steht vor der Kamera („Pettersson und Findus“), auf der Bühne („Bussi“), hält Lesungen – zum Beispiel mit Gedichten von Hilde Domin, macht sich für die Hospizbewegung stark. Sie kennt sich aus mit Heilkräutern und schreibt an einem Rückblick auf ihr Leben, der im Herbst auf den Markt kommen soll: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“
Ist es ihr lästig, immer noch auf den Erfolg von „Out of Rosenheim“ angesprochen zu werden? „Nein, für mich hat der Film gerade jetzt seine größte Aktualität: Zwei Kulturen kommen zusammen, ich als Bayerin und CCH Pounder als Afroamerikanerin. Und im Nirgendwo schafft man etwas, wovon alle leben können, wo alle zusammenkommen, egal ob sie auf der Durchreise sind oder im Trailer auf dem Hof oder im Zelt leben. Liebe kommt auch dazu – das alles passt doch wunderbar in die Zeit.“
Bei den Dreharbeiten zu „Bagdad Café“, wie der Film international hieß, streifte sie im Wilden Westen, für Amerikaner völlig fremd, querfeldein durch die Landschaft und wäre dabei fast erschossen worden. Ob sie einen Schutzengel hat? „Ja“, sagt die Sägebrecht, „aber es gibt noch zwei weitere Dinge: Ich habe keine Angst. Und: Ich werte nicht. Das merken die Menschen.“
- Themen:
- Hollywood
- Michael Douglas