Marianne Sägebrecht spricht über Ex-Mann und Tochter: "Wir hatten eine große Liebe"
Ihr neuer Film (ab 9. November in den Kinos) heißt: "Ein ganzes Leben" – in der AZ erzählt Marianne Sägebrecht (78, "Out of Rosenheim", "Der Rosenkrieg") aus ihrem eigenen Leben.
Marianne Sägebrecht schwärmt von Urgroßmutter: "Meine Filmfigur ist genau wie sie"
Auf dem Filmfestival Aichach des Rotary Clubs Aichach-Schrobenhausen feierte das Bergdrama nach einem Roman von Robert Seethaler jetzt fulminante Vor-Premiere, die AZ war vor Ort. "Wir sind glücklich, dass wir die großartige Schauspielerin Marianne Sägebrecht im Film dabei haben, man kriegt sie nur ganz schwer, sie schaut sich ja jedes Angebot sehr genau an", schwärmte Produzent Ralf Zimmermann und reichte Sägebrecht das Mikro.
"Das brauch ich ned," winkte sie ab und zückte ein vergilbtes Foto: "Schauts her, das ist meine Urgroßmutter, sie war eine Heilerin, eine Kräuterfrau aus Tschechien. Und meine Filmfigur, die Ahnl, ist genau wie sie, sogar gleich gekleidet mit bäuerlichem Kopftuch."
AZ: Liebe Frau Sägebrecht, ist die weise Ahnl in "Ein ganzes Leben" eine Paraderolle für Sie?
MARIANNE SÄGEBRECHT: Der Film vom begnadeten Regisseur Hans Steinbichler ist was fürs Herz, eine Hommage an die Großmütter und Ur-Großmütter, die viel mehr gewürdigt werden sollten, und an alle Waisenkinder dieser Welt. Bei der Todesszene im Teig wäre ich fast erstickt, ich lag zehn Zentimeter tief mit dem Gesicht im Teig, und auf dem Sterbebett musste ich sieben Stunden bewegungslos liegen. In Amerika habe ich gelernt, wie man nicht mal zuckt. Die Botschaft des Films lautet: Vergebung! Was ja leider aus der Mode gekommen ist. Hauptfigur Andreas, wunderbar gespielt – erst von Stefan Gorski und im Alter dann von August Zirner –, hätte die Gelegenheit gehabt, sich an seinem Ziehvater für alles, was er ihm angetan hat, zu rächen – aber er nutzt sie nicht, sondern geht mit ausgebreiteten Armen davon. Vergeben, versöhnen und verzeihen sind auch Themen meines siebten Buches, den Winter über wird's geschrieben.
Marianne Sägebrecht hat einen anderen Blick auf die Welt
Sie selbst haben immer schon verzeihen können?
Als alte Seele habe ich einen ganz anderen Blick auf die Welt, mit sehr viel Toleranz, Liebe, Respekt, Demut, Zuversicht, Verständnis, ich werte auch nicht, habe ein Herz für alle, das ist meine Mission im Leben. Ich war nie nachtragend, auch bei meinem Exmann Fritz nicht, mit seiner zweiten Frau bin ich auch regelmäßig in Kontakt. Ich habe schon früh geheiratet, mit 19, drei Jahre später kam unsere wunderbare Tochter Dani zur Welt. Wir hatten eine große Liebe, aber er sah sehr gut aus, da kennen die Frauen keine Gnade und haben ihn auf Tritt und Schritt angebaggert. Die Trennung war gut und richtig, ich wohnte dann 18 Jahre lang mit Dani und meiner Mutter Agnes in der Kaulbachstraße. Das war die beste Zeit meines Lebens, ich führte die Künstlerkneipe Mutti Bräu in Schwabing, ab 1979 hab ich Theater gespielt, zehn Jahre später den "Rosenkrieg" in Hollywood gedreht, ich hatte noch einen Fünfjahresvertrag mit Danny DeVito, wollte aber unbedingt zurück zu Kind und Mutter und kam aus dem Vertrag raus. Bereut habe ich es nie, im Gegenteil!
Sie haben wahnsinnig viel erreicht. Wird es jetzt, mit 78, ein bisschen ruhiger für Sie?
Ich werde zwar immer stiller, weil es leider viele Neider gibt, aber Projekte habe ich noch so viele, dass ich sie gar nicht aufzählen kann. Im Mai geht es nach Suriname in Südamerika, da ist die Marianne dann als Pfadfinderin unterwegs (lacht). Ich mache immer alles mit dem ganzen Herzen – und wer oder was in meinem Herzen ist, ist dort fest eingeschlossen.
Sägebrecht über Nahtoderfahrung: "Ich habe keine Angst vor dem Hinübergehen"
Was sind Ihre Herzensprojekte?
Gerade kämpfe ich darum, dass die Billie Zöckler und der Bernd Stockinger endlich richtige Gräber auf dem Nordfriedhof bekommen. Ich bin regelmäßig im Christophorus-Hospiz, denn ich habe keine Berührungsängste und keine Angst vor dem Hinübergehen, wie wir es nennen. In meinem Leben gab es zwei Pfarrer, die für mich wichtig waren und die mich weiter gebracht haben in meinem Bewusstsein.
Meine Nahtoderfahrung – mich hatte der Operateur bei einem Blinddarmdurchbruch vergessen – ich wurde wieder zurückgeholt, hatte schon das Licht gesehen und die Liebe, die Energie gespürt, viele glückliche Momente an mir vorbeiziehen sehen und die Zusammenhänge begriffen: Mein Leben kommt mir dadurch noch kostbarer vor, in meiner Philosophie geht es danach weiter. Wie heißt es so schön: Wer im Bewusstsein weiter ist, der muss den Himmel höher hängen!
Waren Sie immer gläubig?
So bin ich auf die Welt gekommen. Meine Mama war auch gläubig, trotz ihres Schicksals, mein Vater ist im Krieg gefallen, sie war im fünften Monat schwanger. Sie war eine Heilige, aber sie hat immer gesagt: Mei, warum muss ich immer so kämpfen? Sie hat noch ihre Mutter gepflegt. Von da kam ein großes Kraftfeld.