"Narzisstische Kränkung": Steht Gil Ofarim vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere?

Im Prozess um Gil Ofarim kam es zu einer überraschenden Wendung. Der Sänger gestand vor Gericht, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelangestellten erfunden zu haben. Eine Strafe hat er bereits kassiert, doch was passiert jetzt mit seinem Ansehen und seiner Karriere? Die AZ hat mit Medienpsychologe und Experte Jo Groebel über den Fall Ofarim gesprochen.
von  Sven Geißelhardt
Sänger Gil Ofarim hat vor Gericht zugegeben, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter erfunden zu haben. Ist seine Karriere jetzt vorbei?
Sänger Gil Ofarim hat vor Gericht zugegeben, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter erfunden zu haben. Ist seine Karriere jetzt vorbei? © Hendrik Schmidt/dpa

Es war ein aufsehenerregender Prozess gegen Gil Ofarim. Der ehemalige Kinderstar erhob Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelangestellten. Der Fall landete vor Gericht. Nach über zwei Jahren endete der Fall nun mit einer spektakulären Wendung, denn der Sänger hat gestanden, gelogen zu haben. Was ist passiert und hat Ofarim seine eigene Karriere unwiederbringlich zerstört? Ein Medienexperte schätzt die Situation für die Abendzeitung ein. 

Antisemitismus-Vorwurf: Gil Ofarim gesteht Lüge vor Gericht

Im März 2021 wollte Gil Ofarim in ein Leipziger Hotel einchecken. Was dann passierte, entwickelte sich zu einem landesweiten Skandal. Der Sänger beschuldigte einen Angestellten der antisemitischen Anfeindung und lud einen Clip auf Instagram, der viral ging. "Da ruft irgendeiner aus der Ecke: 'Pack deinen Stern ein!' Und dann sagte Herr W.: 'Packen Sie Ihren Stern ein!' Und er sagte 'Wenn ich ihn jetzt einpacke, darf ich einchecken'", erklärte er in dem Video. Der Fall landete vor Gericht, da der beschuldigte Mitarbeiter Anzeige wegen Verleumdung gestellt hatte. Auch die Staatsanwaltschaft hatte nach Sichtung der Beweise erhebliche Zweifel an der Geschichte. Seit Dienstag (28. November) ist klar: Gil Ofarim hat gelogen.

Der Fall Ofarim: Medienpsychologe Jo Groebel spricht über "Tunnelblick"

Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen? Was steckt dahinter, dass der Musiker seine Lüge über zwei Jahre aufrechterhalten hat? Die AZ hat bei Jo Groebel zu den möglichen Hintergründen nachgehakt. "Es kann sein, dass er sich in dem Moment so reingesteigert hat, dass er seine Aussage selbst geglaubt hat", erklärt der Medienpsychologe. "Die narzisstische Kränkung könnte den Verstand, eine ethische Überlegung und die Schadensabwägung für sich selbst derart eingeschränkt haben, dass Gil Ofarim nicht mehr zu klarem Denken in der Lage war. In solch einem Fall hat man einen Tunnelblick und nimmt nur noch selektiv wahr. Das halte ich für nicht unwahrscheinlich."

Medienpsychologe Joe Groebel
Medienpsychologe Joe Groebel © gbrci via www.imago-images.de (www.imago-images.de)

Aus einer derartigen Spirale wieder rauszukommen, sei sehr schwierig. Die Reaktion von Gil Ofarim vor Gericht am 28. November habe aber gezeigt, "dass er keine eiskalte und kalkulierende Person ist."

Hat Gil Ofarim seine eigene Karriere und seinen Ruf endgültig zerstört?

Der beschuldigte Angestellte des Hotels und der Sänger haben sich außergerichtlich auf eine Entschädigung geeinigt, über die Höhe ist nichts bekannt. Des Weiteren muss er eine Strafe von 10.000 Euro an die Jüdischen Gemeinde in Leipzig und an den Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz zahlen. Doch eine gesellschaftliche Ächtung könnte für Gil Ofarim sehr viel schwerer wiegen, immerhin ist er als Künstler und Musiker auf seine Fans angewiesen. Ist seine Karriere nun endgültig vorbei?

"Es sind Vorwürfe, die jetzt erstmal an Gil Ofarim haften bleiben: Er hat dem Hotelangestellten und dem Kampf gegen Antisemitismus geschadet", betont Jo Groebel im Gespräch mit der AZ. Trotzdem sieht er noch eine Chance für den 41-Jährigen: "Wenn man den nicht-antisemitischen Standpunkt einnimmt, dann müsste er eigentlich behandelt werden, wie jeder andere: Er hat Scheiße gebaut, die schneller hätte geklärt werden müssen, aber irgendwann ist das auch wieder abgehakt."

Wie schätzt der Medienpsychologe die Chance auf Rehabilitierung des Sängers ein? "Er war zutiefst erschüttert. Das ist ein guter Ausgangspunkt, um demütig aus der Sache herauszugehen und kein großes Gewese darum zu machen. Das könnte ihm offene Türen ermöglichen. Ich würde nicht sagen, dass es das Ende seiner Karriere ist." Gil Ofarim habe Groebel zufolge "die Möglichkeit, selbst verursachte Erschütterungen in seinem Leben künstlerisch aufzuarbeiten. Es wiegt zweifellos schwer, aber man merkt, dass es ihm sein Verhalten nahe gegangen ist. Er wird da wieder rauskommen." Vorerst ist es jedoch wahrscheinlich, dass der 41-Jährige erstmal von der Bildfläche verschwindet. Sein Instagram-Account ist bereits offline. Ob er in die Öffentlichkeit zurückkehren wird, wird die Zukunft zeigen.

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