Jessica Kastrop: "Es ist nicht wichtig, dass es immer Größe 36 ist"
München - Sky-Moderatorin Jessica Kastrop gehört zu Deutschlands berühmtesten Fußballmoderatorinnen. In ihrem Buch "Blond kickt gut: Bekenntnisse einer Fußballreporterin" (Knaur TB, 208 Seiten, 8,99 Euro) berichtet sie über ihre Erlebnisse in der Fußballwelt: von einer lautstarken Auseinandersetzung mit Oliver Kahn bis hin zu ihrem berühmten Fast-Knockout durch Khalid Boulahrouz. Offen und ehrlich spricht sie auch über Magersucht, unter der sie als Teenager litt - wie sie sich heute in ihrem Körper fühlt, was sie von Heidi Klum hält und ob sie Mitleid mit Waldemar Hartmann hat, erzählte die 39-Jährige im Interview mit spot on news.
Frau Kastrop, nachdem Sie 2010 einen Ball vor laufender Kamera an den Kopf bekommen hatten, wurden Sie zum Youtube-Star und kamen dadurch sogar ins US-Fernsehen, wie Sie in Ihrem neuen Buch "Blond kickt gut" erzählen. Haben Sie sich über das internationale Interesse an dieser Szene gewundert?
Jessica Kastrop: Total, nicht nur das internationale Interesse - mich hat alles gewundert. Ich saß da in meiner kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung und plötzlich riefen internationale Fernsehsender bei mir an. Das war alles sehr verrückt, und ist für mich bis heute unerklärlich. Der Mann, der die Szene damals auf Youtube gestellt hat, hat mir später einen Brief geschrieben und sich bei mir entschuldigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das aber längst als Wink des Schicksals empfunden. Dass man so viele Menschen zum Lachen bringen kann, hat ja auch was Positives.
Inwieweit hat das Ihre Karriere beeinflusst?
Kastrop: Auf meinen Job als Fußball-Moderatorin hat das gar keinen Einfluss gehabt, da war ich davor genauso aktiv wie jetzt. Aber es hat meine Bekanntheit gesteigert, die Szene lief in Stefan Raabs Sendung wochenlang und irgendwann wurde mir dann die "tv total Poker-Stars.de-Nacht" angeboten.
Viel Publicity hatte zuletzt auch Waldemar Hartmann, als er sich bei Promi-"Wer wird Millionär" mit einer Fußballfrage blamiert hat. Hatten Sie Mitleid mit ihm?
Kastrop: Waldemar Hartmann war und ist nicht zwingend ein Fürsprecher der Frauen im Sport, deswegen hatte ich jetzt nicht unbedingt Mitleid. Aber ich kann das durchaus nachvollziehen, dass einem so etwas passiert. Ich stand auch schon auf dem Schlauch und ich finde: Wer frei von Fehlern ist, werfe den ersten Stein.
Sie selbst bezeichnen Monica Lierhaus gerne als Wegbereiterin der Frauen im Sportjournalismus. Vor ihrer Krankheit war sie bei der "Sportschau". Wäre das auch ein Traum von Ihnen?
Kastrop: Mein Ziel war nie das Moderieren, mir ist es wichtig, eine gute Sportberichterstattung zu machen. Das machen die Kollegen von der "Sportschau" auch, insofern ist das immer ein interessantes Format. Mit dem, was ich jetzt mache, bin ich aber sehr glücklich. Ich war schon immer sehr gerne bei Live-Events und bei Sky haben wir so eine enorme Breite an Spielen. Außerdem ist es ein sehr kollegiales Arbeiten als Fieldreporterin. Als ich am vergangenen Wochenende beispielsweise krank am Spielfeldrand stand, hat mir die medizinische Abteilung von Hannover 96 Medikamente gebracht.
Sie sind jetzt seit fast 20 Jahren dabei. Gibt es immer noch Spieler oder Trainer, die ein Problem damit haben, einer blonden Frau ein Interview zu geben?
Kastrop: Ich habe selbst sehr wenige Barrieren erlebt. Am Anfang meiner sportjournalistischen Laufbahn war ich aber schon sehr naiv. Da habe ich vielleicht auch gar nicht gemerkt, wenn man mich belächelt hat. Mittlerweile spüre ich aber einen gewissen Respekt. Wenn mir jemand kein Interview geben will, liegt das meist daran, dass er vorher verloren hat.
Eher verschlossen ist Pep Guardiola. Hat sich der Bayern-Coach inzwischen in der Bundesliga eingelebt?
Kastrop: Ich glaube, dass der FC Bayern für ihn erst einmal ein großes Fragezeichen war, wenn es um die Sache der Durchlässigkeit ging. Für ihn war das wahrscheinlich ein Schock, als er festgestellt hat, es gibt dreimal die Woche öffentliches Training. In Barcelona hat er nie auch nur einen Tag öffentlich trainiert. Bei der Geschichte mit dem Maulwurf bin ich mir auch gar nicht sicher, ob da wirklich jemand geplaudert hat oder ob da nicht einfach einer ein Loch in den Zaun gemacht hat. Auf dem Trainingsgelände der Bayern gab es immer Mittel und Wege, sich auch das Geheim-Training anzuschauen.
Die Liga hat in den letzten Jahren viele Originale verloren mit Kahn, Ballack oder Basler. Wird Ihr Job dadurch langweiliger?
Kastrop: Es kommen ja glücklicherweise neue Original dazu, wie zum Beispiel Jürgen Klopp, insofern wird es nie langweilig. Das Wesentliche am Fußball ist, dass er sich jedes Wochenende wieder neu erfindet und es passiert immer wieder etwas Besonderes.
Ein Kapitel in Ihrem Buch dreht sich um die Magersucht, die Sie als Teenager hatten. Jetzt stehen Sie als TV-Moderatorin in der Öffentlichkeit. Haben Sie heute noch Probleme mit Ihrem Aussehen?
Kastrop: Nicht mehr und nicht weniger als jede andere Frau auch. Dieses "drei Kilo weniger wären schon schön" kennt wohl jeder. Aber ich habe mich mit mir selbst sehr gut angefreundet. Mir geht es um das Thema Identität: Ich kann nur absolut unterstützen, dass die Regierung Schönheits-OPs bei Minderjährigen verbieten will. Es ist wichtig - auch vor der Kamera - seine Identität zu bewahren und es ist nicht wichtig, dass es immer Größe 36 ist. Wenn man als Frau solange in einer Männerdomäne zu tun hat, dann ist es einem ganz wichtig, dass junge Frauen die Stärke haben, sich durchzusetzen. Solange wir Frauen uns von solchen Themen geißeln lassen, werden wir nie gleichberechtigt sein.
Finden Sie, Shows wie Heidi Klums "Germany's next Topmodels" tragen dazu bei, dass junge Mädchen ein falsches Körperbewusstsein entwickeln?
Kastrop: Grundsätzlich finde ich Heidi Klum eine tolle und erfolgreiche Frau. Ihr selbst möchte ich da keinen Vorwurf machen, aber das Format an sich finde ich nicht förderlich für das Selbstbewusstsein junger Frauen.
Auch Spielerfrauen stehen immer mehr in der Öffentlichkeit. Stimmen Ihrer Meinung nach diese Klischees, die man über diese Frauen hat?
Kastrop: Ich berichte vom Rasen und nicht vom roten Teppich, daher kann ich dazu nicht viel sagen. Ich kenne Cathy Fischer, weil sie eine Kollegin von mir ist, da stimmt dieses Klischee überhaupt nicht. Aber das sind alles sehr junge Frauen, die sicherlich noch ihren Weg finden werden.
Haben Sie die Diskussion um Boris Beckers Biografie mitverfolgt?
Kastrop: Ich bin mit Oliver Pocher befreundet und fand das sehr amüsant, wie die zwei sich per Twitter bekriegt haben. Hut ab: Am Ende haben beide davon so was von profitiert. Was die dadurch an Aufmerksamkeit und Quoten bekommen haben... Das ist ihr Ziel und in ihren Berufen auch legitim.
Nächstes Jahr steht die WM in Brasilien an: Wird Deutschland Weltmeister?
Kastrop: Ich hoffe es, aber die Chancen sind nicht so hoch, weil das Turnier in Südamerika stattfindet und die klimatischen Unterschiede schon sehr groß sind. Da sind die Spanier viel besser gerüstet. Ganz zu schweigen von den Brasilianern selbst, die auch eine wahnsinnig gute Truppe haben. Aber mein großer Wunsch für den nächsten Sommer ist: Erst steigt Kaiserslautern auf und dann werden wir Weltmeister.