Wohin, und mit wem? - Seehofer und CSU vor ungewissen Zeiten

Orientierung geben in unsicheren Zeiten: Das war Horst Seehofers Ziel für den CSU-Parteitag. Am Ende gibt es einen Brückenbau zu Kanzlerin Merkel, ein neues Grundsatzprogramm - doch eine Frage bleibt offen.
Christoph Trost, Sascha Meyer und Fabian Nitschmann (dpa) |
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Horst Seehofer: der Parteichef und Ministerpräsident auf dem CSU-Parteitag in München.
dpa Horst Seehofer: der Parteichef und Ministerpräsident auf dem CSU-Parteitag in München.

München - Am Ende ist es irgendwie ein eigenartiger Parteitag. "Wie in Watte", sagt einer aus dem CSU-Vorstand. Als die Delegierten zum Abschluss am Samstag wie immer die Bayernhymne, die Nationalhymne und sogar die Europahymne singen, da fragen sich viele: Was bleibt, was ist das Signal dieses Parteitags 2016? Was ist die zentrale Botschaft, nicht einmal ein Jahr vor der Bundestagswahl? Wohin steuert die CSU, wohin die gesamte Union? Und mit wem an der Spitze?

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Dass der Parteitag etwas anders ist als in all den Vorjahren liegt nicht nur daran, dass Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erstmals nicht da ist, wegen des ungelösten Streits über die Flüchtlingspolitik. Vielmehr ist an beiden Tagen zu spüren: Es ist ein Parteitag in unsicheren Zeiten – für die gesamte Politik, insbesondere aber für die CSU. Vieles ist ins Wanken geraten im vergangenen Jahr – selbst die Einigkeit mit der Schwesterpartei, das Verhältnis zur Kanzlerin. Gewiss: Ein Antrag, Merkel bei einer etwaigen Kanzlerwahl die Zustimmung zu verweigern, wird vom Parteitag mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Und Seehofer ringt sich in seiner Hauptrede am Freitag fast schon eine Entschuldigung ab für das Parteitags-Debakel vor einem Jahr, als er Merkel auf offener Bühne düpierte.

Kein Konsens bei der Obergrenze für Flüchtlinge

Von einem "Brückenbau" zur Kanzlerin ist in der CSU-Spitze nun sogar die Rede. Seehofer legt auch dar, wie der Annäherungsprozess zwischen den beiden Schwestern vollzogen werden soll: Demnach wird die CSU bis zum Schluss auf ihrer Forderung nach einer Obergrenze für neu eintreffende Flüchtlinge bestehen – Merkel aber nicht nachgeben. "Dann würde es in einem Punkt halt auch bei einem Dissens bleiben", sagt Seehofer. Gleichzeitig macht er deutlich, worauf es ihm dann vor allem ankommt: dass die Union trotz der anhaltenden Differenzen gemeinsam und geschlossen den politischen Gegner bekämpft: die "Linksfront", ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene.

Neues Grundsatzprogramm: Das sind die Beschlüsse des CSU-Parteitags

Tatsächlich ist die CSU ein Jahr vor der Bundestagswahl und zwei Jahre vor der Landtagswahl enorm unter Druck: Bei der Bayern-Wahl 2018 droht angesichts des Erstarkens der AfD - nach derzeitigem Stand - sogar der Verlust der absoluten Mehrheit. In einer aktuellen Umfrage liegt die CSU nur noch bei 44 Prozent. Das ist das Niveau wie damals bei der Wahlschlappe 2008, als die CSU schon einmal die absolute Mehrheit im Freistaat verlor – da waren es am Ende 43,4 Prozent.

CSU verpasst sich ein klareres Mitte-Rechts-Profil

Freilich, programmatisch stellt die CSU auf ihrem Parteitag die Weichen für die anstehenden Wahlauseinandersetzungen: Mir einem neuen Grundsatzprogramm und zwei Leitanträgen gegen Rot-Rot-Grün und gegen den politischen Islam verpasst sich die CSU noch einmal ein klareres Mitte-Rechts-Profil. "Wir sind eine echte Volkspartei", betont Seehofer. "Wir sind eine große politische Familie für alle." Offen bleibt aber nach zwei Tagen die Frage, wer die CSU in die Zukunft führen wird. Seehofer, der diese Debatte vor einigen Wochen selbst angestoßen hatte, gibt darauf auf dem Parteitag keine Antwort. Er macht nur eines: Er bitte die Parteibasis um ein Grundvertrauen, das jeder Vorsitzende brauche, "wenn er wirklich führen will". Schließlich habe er als Parteivorsitzender die Hauptverantwortung, auch für Wahlergebnisse – "und die kann ihm auch niemand nehmen".

"Söder ist in Seehofers Falle getappt"

Die CSU-Basis aber will, das ist auf dem Parteitag oft zu hören, zweierlei: dass die Personaldebatte, dass das Hickhack endlich ein Ende hat. Und dass es eine Einigung gibt, wie es weitergehen soll. Das Hickhack sieht so aus: Seehofer hat nun mehrfach angekündigt, die beide Spitzenämter – Parteichef und Ministerpräsident – trennen zu wollen. Strikt bekämpft wird dieses Ziel vor und hinter den Kulissen vom Lager des aussichtsreichsten Kronprinzen: Finanzminister Markus Söder. Der hat einen Berlin-Wechsel nun schon oft ausgeschlossen. Zu oft? Einige in der CSU-Führung sagen dazu, Söder sei in die Falle getappt, die Seehofer ihm gestellt habe. Die Söder-Befürworter – und davon gibt es viele, vor allem in der Landtagsfraktion – klagen dagegen, Seehofer fahre nur eine "Söder-Verhinderungsstrategie".

Wie das Rennen ausgehen könnte, da gehen die Meinungen in der CSU auseinander. Wenn Söder nicht will, schickt Seehofer dann den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann. Der wäre - da sind sich in der Partei alle einig - ein guter Bundesinnenminister. Aber würde er auch Parteichef machen? Oder würde dann Söder gegen ihn antreten? Wieder im Rennen ist, angesichts der positiven Entwicklungen rund um die Pkw-Maut, auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Oder geht am Ende doch Seehofer selber noch einmal zurück nach Berlin? Seehofer bleibt dabei, dass die Personalfragen erst im ersten Quartal des neuen Jahres beantwortet werden sollen. Immer wieder stellt er aber heraus: Es gehe nur im Team, nur gemeinsam.

Und er sagt, worum es ihm gehe: "Der Erfolg der CSU und das Wohlergehen Bayerns ist für mich das höchste Gesetz. Das ist meine DNA, das ist mein Leben."

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