Wie bei Netflix: Skandal um Grüne-Spitzenkandidatin erschüttert Österreich
Wien – Fünf Jahre ist der Ibiza-Skandal in der Alpenrepublik her. Doch bis heute hat sich Österreich noch nicht erholt und es kommen immer mehr Affären ans Licht.
2019 hatte der Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin Pläne geschmiedet, die in einer ganzen Bandbreite von Korruption, illegaler Parteienfinanzierung bis zu Einfluss auf die Presse mündeten. Die Regierung zerbrach an der Krise. Doch auch dann folgte keine Ruhe. Sebastian Kurz (ÖVP) trat 2021 als Kanzler wegen der Geburt seines Sohnes ab – so die offizielle Version.
Eine wesentliche Rolle dürfte aber auch gespielt haben, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) gegen ihn ermittelte. Bei der Bestellung des Aufsichtsrats der Österreichischen Beteiligungsgesellschaft soll Kurz gemauschelt und darüber in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt haben.
Nach zahlreichen Vorwürfe gegen Sebastian Kurz: Welche Auswirkungen haben die Skandale bis heute?
Chatprotokolle gelangten an die Öffentlichkeit, die ganze Republik kennt nun die vom Kanzler präferierten Emojis. Tatsächlich wurde Kurz im Februar deshalb zu acht Monaten "bedingter Freiheitsstrafe", was der deutschen Bewährung entspricht, verurteilt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, Kurz hat Berufung eingelegt.
Hinzu kamen noch weitere Vorwürfe, die ein Netzwerk aus Medien und Kurz’ Team darstellen. Mit Mitteln des Finanzministeriums sollen Umfragen zugunsten Kurz’ manipuliert und veröffentlicht worden sein – die sogenannte Inseratenaffäre. Die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin saß deshalb sogar in Haft.
Seitdem ist Karl Nehammer Kanzler und muss die Scherben der ÖVP aufklauben, macht dazu aber auch nicht immer die beste Figur. Etwa wenn er eine Drohkulisse aufbaut, dass das Bargeld abgeschafft werden solle – was in der Realität gar nicht stimmt. Nehammer schnappt sich immer wieder Themen der FPÖ, allerdings mit überschaubarem Erfolg.
Rechtspopulisten mit starken Zugewinnen – ÖVP verliert massiv
Die Rechtspopulisten sind wiederum im Aufwind. Im Herbst wird in Österreich der Nationalrat gewählt. Laut einer aktuellen Umfrage liegt die FPÖ bei 31 Prozent, gefolgt von ÖVP (21 Prozent) und SPÖ (20).
Damit hätte die regierende ÖVP satte 16,5 Prozent verloren im Vergleich zu vorherigen Wahl. Herbert Kickl, früherer Innenminister und Pferde-Fan, könnte ins Kanzleramt einziehen. Sein Faible für die berittene Polizei, aber auch für das Pferde-Entwurmungsmittel Ivermectin als angebliche Medizin gegen Covid-19 sind heute noch vielen Österreichern in Erinnerung.
Der derzeitige Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, liegen bei acht Prozent, ein Verlust von knapp sechs Prozentpunkten. Absurderweise liegen die Grünen damit gleichauf mit der Bierpartei. Ja, richtig gelesen. Die gibt es tatsächlich.
Liebesbeziehung angedichtet? Skandal um Grüne-Spitzenkandidatin zur Europawahl
Was schon alles eher nach dem Drehbuch einer Netflix-Serie klingt, gipfelte jüngst zudem in einer Posse um die Spitzenkandidatin der Grünen zur Europawahl, Lena Schilling. Obacht, hier wird es unübersichtlich: Die zunächst parteilose 24-Jährige soll nämlich über ein befreundetes Ehepaar falsche Informationen verbreitet haben, nämlich eine angebliche Fehlgeburt aufgrund von häuslicher Gewalt. Das Paar geht gegen Schilling inzwischen zivilrechtlich jedoch nicht strafrechtlich vor – angeblich, damit die junge Frau nicht als vorbestraft gelte.
Zudem soll sie aber auch einem Journalisten sowie einem grünen Nationalratsmitglied Belästigung vorgeworfen haben, einem anderen soll sie eine Liebesbeziehung zu sich sowie weiteren grünen Politikerinnen angedichtet haben. Grünen-Chef und Vize-Kanzler Werner Kogler sprach von "anonymem Gemurkse und Gefurze" angesichts der Vorwürfe. Schilling selbst wies diese zurück, ging aber im Einzelnen nicht darauf ein: "Mein Privatleben ist mein Privatleben. Es hat keine politische Tangente."
Brisanter Chatverlauf: Spitzenkandidatin der Grünen soll die Partei gehasst haben
Als sei das alles nicht genug, wurde in den vergangenen Tagen ein Chatverlauf bekannt, in dem Schilling zugibt, die Grünen gehasst zu haben. Nun ist sie deren Spitzenkandidatin.
"Am 24. Februar (dem Tag ihrer Kür als Spitzenkandidatin, d. Red.) muss ich halbwegs lieb sein, dann bin ich gewählt und die Grünen können nichts mehr machen, muhahha", schrieb Schilling. Laut Medienberichten soll sie damit geliebäugelt haben, die Grünen nach der Wahl zu verlassen und möglicherweise zu den Linken überzulaufen. Offenbar, um die Gerüchte zu widerlegen, wurde Schilling jüngst Mitglied bei den Grünen.
Es wäre ein Leichtes, über die Vorgänge in der Alpenrepublik zu spotten. Der Graben, der sich zwischen den Österreichern und den "Piefkes" manchmal auftut, ist eh kein kleiner. Wer so arrogante Anflüge hat, sollte auf Deutschland schauen: Ein Faschist liegt in Thüringen weit vorn in den Umfragen, in Berlin wird mehr gestritten als regiert und in Bayern haben Politiker oder deren An gehörige einen Reibach mit Masken in der Corona-Zeit gemacht. Insofern, liebe Deutsche: runter von diesem Ross.
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