WHO-Forderung: Kostet eine Schachtel Zigaretten in Deutschland bald 23 Euro?
Genf/Heidelberg - Ist Rauchen hierzulande viel zu billig und damit nicht abschreckend genug? Die WHO hat nun die Forderung wiederholt, eine Packung mit 20 Zigaretten müsste in Deutschland eigentlich 22,80 Euro kosten. Und nicht wie bisher im Schnitt zwischen sieben und acht Euro.
Kerstin Schotte von der WHO in Genf ordnet diese Forderung für die AZ ein: "Es wäre der theoretische Preis für eine Schachtel Zigaretten, wenn man die direkten und indirekten Kosten des Rauchens kompensieren wollte."
WHO fordert: Das soll eine Schachtel Zigaretten künftig kosten
Die WHO bezieht sich dabei auf eine Berechnung im Tabakatlas Deutschland 2020. Demnach fallen pro Jahr 30,32 Milliarden Euro direkte Kosten durch das Qualmen an – etwa für Krankheitskosten durch das Rauchen selbst sowie durch Passivrauchen, Pflegekosten oder auch Rehabilitationsmaßnahmen. Dazu kommen dem Tabakatlas zufolge weitere 66,92 Milliarden Euro indirekte Kosten wie kurz- und langfristige Arbeitslosigkeit oder "Ressourcenverlust" durch frühzeitigen Tod.
Unterm Strich belaufen sich demnach die Kosten durch Rauchen auf 97,24 Milliarden Euro pro Jahr. Das spült die Tabaksteuer bei Weitem nicht in die Kassen. Das Bundesfinanzministerium beziffert die jährlichen Einnahmen aus der Tabaksteuer auf 14,7 Milliarden Euro.
Schotte sagt weiter: "Wir hoffen, dass das ein Augenöffner ist – für die Regierung und auch für die Bevölkerung." Sie meint damit, wie hoch die Kosten fürs Rauchen eigentlich sind und wie viel es rechnerisch benötigt, um das auszugleichen. Dass Deutschland dies tatsächlich so umsetzt, hält sie zwar für wenig realistisch. "Aber was die Regierung sicherlich machen könnte, wäre eine deutliche Tabaksteuererhöhung." Das wäre ihr zufolge das effizienteste Mittel im Kampf gegen das Rauchen.
Was würde eine Erhöhung bewirken? Schotte sieht drei Chancen: "Zum einen würden neue, junge Leute davon abgehalten, das Rauchen anzufangen." Zum zweiten würden Raucher motiviert aufzuhören. Und drittens: "Die, die nicht aufhören können, werden zumindest motiviert, weniger zu rauchen."
Deutschland könnte Passivraucher besser schützen
Was Deutschland aus Sicht von Schotte des Weiteren noch besser machen könnte, wäre der umfassende Schutz von Passivrauchern. Sie nennt als Beispiel, dass etwa auf nationaler Ebene alle Büros rauchfrei werden sollten.
Der WHO-Direktor für Gesundheitsförderung, Rüdiger Krech aus Hamm in NRW, sagte schon Ende Juli: "Wir können nicht wirklich nachvollziehen, warum die Politik in Deutschland so lax in der Umsetzung von Maßnahmen in der Tabakkontrolle ist."
Der Vorschlag von 22,80 Euro stammt aus dem Tabakatlas, der vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) veröffentlicht wurde. Katrin Schaller von der Stabsstelle Krebsprävention und WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle des DKFZ teilt der AZ am Donnerstag mit: "Bei diesem Preis wird davon ausgegangen, dass so viele Menschen mit dem Rauchen aufhören, dass in der Folge aufgrund der verbesserten Gesundheit in der Bevölkerung langfristig die Kosten des Rauchens sinken."
Das Deutsche Krebsforschungszentrum selbst fordert demnach keinen konkreten Preis für Zigaretten, sondern "regelmäßige, spürbare Steuererhöhungen auf Tabakprodukte". Auch dort hält man das Drehen am Preis für die wirksamste Methode, den Einstieg ins Rauchen zu verhindern sowie den Ausstieg schmackhaft zu machen.
Kommt das Tabak-Werbeverbot bei Festivals?
Jährliche Tabaksteuererhöhungen um jeweils zehn Prozent könnten so die Abnahme des Rauchens fördern und infolgedessen langfristig die Anzahl von Krebsneuerkrankungen verhindern, so Schaller weiter.
Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert kündigte kürzlich ein verstärktes Eintreten gegen Tabakkonsum an. "Wir müssen mehr machen, um Menschen davon abzuhalten, mit dem Rauchen überhaupt zu beginnen." Er ist für Verbote unter anderem bei der Werbung direkt am Verkaufsort und bei Festival-Sponsoring durch die Nikotinwirtschaft.
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