Wahlkampfreden statt Anteilnahme?

 Immer größere Empörung  über Erdogans Köln-Pläne. CSU fordert Absage von "Wahlkampfschlacht". Ein Türkei-Experte erklärt, warum der AKP-Politiker unbedingt kommen will
von  V. Assmann

Immer größere Empörung  über Erdogans Köln-Pläne. CSU fordert Absage von "Wahlkampfschlacht". Ein Türkei-Experte erklärt, warum der AKP-Politiker unbedingt kommen will

KÖLN Unter die vielen Politiker, die den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan auffordern, seinen Auftritt am Samstag in Köln abzusagen, mischt sich CSU-General Andreas Scheuer: Er nannte es „inakzeptabel“, dass Erdogan einen Tag vor der Europawahl in Deutschland eine „Huldigungsshow“ abhalten wolle. Hinzu komme das Grubenunglücck in Soma. Ähnlich äußerte sich Kölns OB Jürgen Roters (SPD): Es gebe „Wichtigeres als reine Wahlkampftermine im Ausland zu absolvieren“. Die Bundesregierung mahnte Erdogan zur Zurückhaltung.

Bekannt ist: Wenn die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) so wie jetzt AKP-Chef Erdogan einlädt, wird nicht gekleckert, sondern geklotzt: Im Berliner Tempodrom lautete das Motto im Februar „Berlin trifft den großen Meister“, 2008 in der Lanxess Arena in Köln hieß es in der Ankündigung, er sei gekommen, „um unsere Sehnsucht nach ihm zu stillen“.

Lesen Sie hier: Der Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland erklärt Erdogan

Diesmal soll Erdogan übers zehnjährige Bestehen der UETD sprechen, jener Organisation, die nach eigenem Bekunden das politische, soziale und kulturelle Engagement der Türken in der EU fördern will – vor allem aber für ihre AKP-Nähe bekannt ist. Eigentlich aber, da sind sich Kritiker einig, wird in Köln Wahlkampf gemacht – für die Präsidentschaftswahl im August, bei der erstmals auch außerhalb der Türkei lebende Türken mit abstimmen können. Erdogan gilt als sicherer Kandidat – der auch die Türken in Deutschland polarisiert. Die Polizei in Köln rechnet mit 10.000 Gegendemonstranten.

Yasar Aydin, Türkeiexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt der AZ, wie wichtig die europäischen Türken für Erdogan sind: „Europaweit geht es um 2,8 Millionen Wähler“, sagt er. Sie könnten am Ende die Wahl entscheiden. In Deutschland kann ein Großteil der rund 1,5 Millionen Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft die Stimme abgeben. Ob sich Erdogan von der Kritik deutscher Politiker beeindrucken lässt? „Nein“, ist sich der Wissenschaftler sicher. „So wie man ihn kennt, wird er den Auftritt durchziehen.“

 

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