USA unter Trump: Direkt ins postfaktische Zeitalter

Donald Trump ist gerade einmal drei Tage im Amt und schon hat er unmissverständlich klargemacht, wohin die Reise gehen wird: direkt ins postfaktische Zeitalter. Ein Kommentar von AZ-Online-Vize Christoph Elzer.
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Hat "alternative Fakten" vorgelegt: Trump-Pressesprecher Sean Spice.
Alex Brandon/AP/dpa Hat "alternative Fakten" vorgelegt: Trump-Pressesprecher Sean Spice.

Donald Trump ist gerade einmal drei Tage im Amt und schon hat er unmissverständlich klargemacht, wohin die Reise gehen wird: direkt ins postfaktische Zeitalter. Ein Kommentar von AZ-Online-Vize Christoph Elzer.

Washington - Bei all der Tragik rund um den aus falschen Gründen gestarteten und mit falschen Beweisen legitimierten zweiten Irakkrieg gab es während der amerikanischen Offensive gegen den Wüstenstaat ein konstant komisches Element: Muhammad as-Sahhaf, genannt "Comical Ali", den Pressesprecher der Regierung Hussein.

Comical Ali gab bis zur letzten Minute Pressekonferenzen und überraschte dabei stets aufs Neue mit geradezu unglaublichen Fakten. So verkündete er, als die Niederlage seiner Armee längst absehbar war, über die vorrückenden amerikanischen Soldaten: "Mein Gefühl sagt mir – wie immer – dass wir sie abschlachten werden" oder dass die feindlichen Truppen begonnen hätten, massenhaft Selbstmord zu begehen. Und als im Hintergrund schon US-Panzer durch die Straßen rollten, verkündete er vor den Kameras erstaunter Journalisten: "Es gibt keine ungläubigen Amerikaner in Bagdad. Niemals."

Bis Freitag lachten auch die Amerikaner über diesen bemerkenswerten Fall völliger Realitätsverweigerung. Doch mit der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika haben die USA jegliche Legitimation verloren, sich auch weiterhin über Comical Ali und seine verbalen Ausrutscher zu amüsieren.

Das Postfaktische wird Staatsräson

Denn mit dem 20. Januar 2017 wurde in den USA das Postfaktische zur Staatsräson erhoben. Der frisch vereidigte Präsident ließ am Sonntag extra eine Sonder-Pressekonferenz einzuberufen, um seinem Volk zu erklären, wie beliebt er wirklich sei.

Nachdem im Internet Bilder aufgetaucht waren, die offensichtlich belegen, dass bei Trumps Amtseinführung weniger Zuschauer anwesend waren, als bei der seines Amtsvorgängers Obama, brannten bei dem Immobilienmilliardär offenbar alle Sicherungen durch. Der Egozentriker konnte es anscheinend nicht auf sich sitzen lassen, dass jemand anders beliebter sein soll, als er selbst.

Und als sei es noch nicht bemerkenswert (und traurig) genug, dass ein US-Präsident eine außerplanmäßige Pressekonferenz gibt, nur um seine (angebliche) Beliebtheit zu betonen, basierten die von Pressesprecher Sean Spicer vorgebrachten Argumente auf völligen Fantasiezahlen. Vier Lügen in den ersten fünf Minuten Pressekonferenz der Administration Trump – das ist ebenso entlarvend wie erschreckend.

Vor CIA-Agenten hatte der Präsident zuvor gesagt, er habe "eine Million, vielleicht sogar anderthalb Millionen" Zuschauer bei seiner Vereidigung gesehen. Und mit dieser simplen Aussage, einem Gefühl, das mal eben um 500.000 Personen hin oder her schwankt, hatte er die Linie der Regierung zementiert. Es wurde getwittert, es gab Interviews und eben jene Pressekonferenz – nur um zu untermauern, dass Trump der Größte ist.

Und als ein Journalisten eine Trump-Repräsentantin damit konfrontierte, dass die vom Pressesprecher vorgebrachten Fakten schlicht falsch waren, da sagte sie den bemerkenswertesten Satz des Wochenendes: "Sie sagen, dass es eine falsche Behauptung ist, und Sean Spicer, unser Pressesprecher, hat alternative Fakten dazu vorgelegt."

So einfach ist das: Lügen werden ab sofort als "alternative Fakten" umettikettiert und sind damit legitimiert.

In Deutschland wurde "postfaktisch" gerade zum Wort des Jahres gewählt. In den USA ist es nun offizielle Leitlinie der Regierung. "Was nicht passt, wird passend gemacht" würde der grobschlächtige Handwerker sagen, die Medien-Veteranen in Trumps Stab sprechen stattdessen einfach von "alternative Fakten".

Am Ende seines Amtseids sagte Trump: So help me god – so wahr mir Gott helfe. Angesichts der ersten 72 Stunden Regierungszeit möchte man stattdessen ausrufen: So help us god!

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