US-Wahlkampf: Die Gesten von Donald Trump
Die Sozialpädagogin Tatjana Strobel ist Expertin für Physiognomik und Face-Reading. Für die AZ hat sie sich die Gesten von Donald Trump mal etwas genauer angeschaut. Das Interview.
AZ: Frau Strobel, ist Donald Trump wirklich der harte Kerl, als der er sich gibt?
TATJANA STROBEL: Grundsätzlich ist es so, dass sich alle Menschen, die zu Angriffen und Attacken neigen, in Wahrheit unterlegen und klein fühlen. Sie gehen mit viel Wut und Aggression durchs Leben, reagieren auf tatsächliche oder vermeintliche Angriffe, indem sie sofort zurückschlagen. Eine Reiz-Reaktions-Handlungsverkettung entsteht. Donald Trump reagierte in allen TV-Duellen persönlich beleidigt auf Aussagen von Hillary Clinton, auch nonverbal.
Lesen Sie auch: Nach TV-Duell - Donald Trumps "Bad Hombres" erhitzen die Promi-Gemüter
An welchen Gesten erkennen Sie das?
Sich am Pult mit beiden festhalten bedeutet: sich wieder Halt verschaffen. Starke Blinzelbewegungen stehen für innere Unruhe. Farbveränderung im Gesicht und starke Rötungen zeigen eine Erhitzung des Blutes. Das Kinn nach vorne schieben ist eine Trotzreaktion. Kopf nach hinten, Kinn nach oben bedeutet: „So nicht mit mir!“ Diese Reaktionen zeigen klar, dass er auf Aussagen von Clinton körperlich reagiert und blitzschnell einen vermeintlichen verbalen Gegenangriff startet, ohne nachzudenken. Das Gefühl der Kränkung setzt bei ihm Wut frei, was ihn sofort, unkontrolliert und impulsiv zuschlagen lässt. Von Stabilität und Sicherheit können wir hier nicht wirklich sprechen.
Was für ein Verhältnis hat er zur Macht?
Trump hat ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, deshalb möchte er gerne ein gewisses Maß an Macht und Kontrolle über sein Leben und das der anderen haben. Dieses Kontroll- und Machstreben, das er sich unter anderem mit einem großen Vermögen und einem internationalen Ruf erarbeitet hat, dient ihm dazu, sich abzugrenzen, sich aufzuwerten, unabhängig zu sein.
Machtstreben ist immer ein Hinweis darauf, dass der Betroffene eine übersteigerte Angst davor hat, in eine unterlegene, schwache Position zu geraten, angegriffen und vernichtet zu werden. Er möchte um jeden Preis die Oberhand behalten, geht in die aktive Aggression, beharrt auf sein Recht, macht andere klein, streitet, greift an, vernichtet. Machtstreben ist eine von Trumps Wahlkampf- wie auch Überlebensstrategien. Wer diese Lebensmuster gewählt hat, hat in der Regel Unsicherheiten, Hänseleien und ‚Nicht-gut-genug-Gefühle‘ in den ersten zehn Lebensjahren erlebt.
Lesen Sie hier: US-Schlammschlacht - Ein unwürdiges Schauspiel
Ist er in der Lage in einer politisch brisanten Situation souverän zu agieren?
Da er es gewohnt ist, Verhandlungen auf höchstem Niveau zu führen, wird er auch in politischen Situationen souverän und klar agieren können – allerdings nur so lange die Verhandlungen nichts mit ihm und seinem Ego zu tun haben.
Trump hat das große Bedürfnis sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken, seine Größe und Unfehlbarkeit zu demonstrieren, Situationen so im Griff zu haben, wie es für ihn passt. Diese Attribute machen ihn zu einem unberechenbaren Menschen, der eher sein eigenes, als das Wohl anderer in den Vordergrund stellt.
Gibt es einstudierte Gesten, mit denen er eine bestimmte Wirkung erzielen will?
Ja, es gibt viele trainierte Gesten. In Wahlkämpfen dieser Art wird nichts dem Zufall überlassen. Das beginnt bei der Wahl des Outfits – ein schwarzer Anzug bedeutet Eleganz, Seriosität. Die rote Krawatte demonstriert Kraft, Stärke, Mut und Durchsetzungsfähigkeit.
Fakt ist, dass Hillary, durch ihre langjährige Erfahrung als First Lady und Politikerin die Meisterin der Inszenierung ist. Dies gelingt Trump noch nicht ganz: Man dürfte mit ihm an der Kopfhaltung gearbeitet haben. Er legt diesen häufig schräg, er zeigt damit eine freie Halsseite. Dies soll für „Vertraue mir, ich bin nicht gefährlich.“ stehen. Es wirkt allerdings häufig einstudiert.
Das Festhalten am Pult gibt Halt, Stabilität und Sicherheit und soll gleichzeitig durch das Zeigen des Brust- und Bauchbereichs für Offenheit und Zugänglichkeit stehen. Doch es zeigt auch, wie verkrampft er ist. Seine sogenannte dissoziierende Haltung – Oberkörper in Richtung Publikum gebeugt – sowie das Agieren mit beiden, geöffneten Händen soll signalisieren: „Ich bin bei Euch!“
Das geformte O mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand setzt er häufig als Untermalung ein, um zu unterstreichen, dass er es gut, optimal machen wird. Spannenderweise hat er seine Körpersprache und Mimik lange nicht so im Griff wie seine Kontrahentin, was ihn aus meiner Sicht menschlicher und nahbarer macht.
Lesen Sie auch: Donald Trump wird ständig angebaggert
Was sagt der Umgang mit Hillary Clinton über ihn aus?
Im letzten Duell waren die Aussagen sehr klar: keine Begrüßung, wenig Blickkontakt, keine körperliche Ausrichtung in ihre Richtung, direkte, verbale Angriffe, Unterbrechen, Kommentare unter der Gürtellinie, fehlende inhaltliche Vorbereitungen – all dies spricht eine deutliche Sprache!
Er ist sich selbst der Nächste, verfügt über mangelndes Einfühlungsvermögen, eine große Selbstüberschätzung, eine Macht- und Kontrollorientierung und hegt in der Tat eine große Abneigung Clinton gegenüber.
Seine grundsätzlichen Aussagen hinsichtlich Frauen lassen darauf schließen, dass Trump sich selbst noch in der konservativen Rolle des Versorgers, des Patriarchen, sieht und davon auch nicht abweichen wird. Frauen gehören aus seiner Sicht ausschließlich zur Familie. Eine Frau als mächtigster Mensch auf dieser Welt, ist in seinem Weltbild nicht verankert. Er hat sehr steife, konservative Werte und Normvorstellungen und würde diese in seiner Rolle als US-Präsident auch leben.
Was für ein Mensch will da US-Präsident werden?
Grundsätzlich haben wir es mit einem Menschen zu tun, der sehr viel erreicht hat, ein ungeheures Leistungs- und Perfektionsdenken hat. Er hat bislang alles erreicht, was es in seiner Welt zu erreichen gibt. Nun greift er nach den nächsten Sternen: der mächtigste Mensch der Welt zu werden.
Lesen Sie hier: "Zu radioaktiv": Hollywood hat keinen Bock mehr auf Donald Trump
Gesamt gesehen, ist Trump ein Macher mit starken Leistungstendenzen, leichten narzisstischen Zügen und großer Machtorientierung. Ein Mensch, der sich gerne selbst überschätzt, aber dennoch zeigt, was möglich ist. Das ideale männliche Vorbild für ein Land, in dem man es vom Tellerwäscher bis zum Millionär bringen kann.
Unabhängig davon, wie Amerika am 8. November entscheidet: Donald Trump ist jetzt schon ein Gewinner. Als politischer Underdog gestartet, hat er es in alle Köpfe weltweit geschafft. Das muss man ihm erst einmal nachmachen – und by the way – mit einem der kleinsten Wahlbudgets in der amerikanischen Geschichte.