US-Wahlanalyse von Experten: "Gesellschaftliche Wunden heilen"
München - Amerika hat gewählt, das Wahlergebnis wird mit weltweiter Spannung erwartet. In einer Expertenrunde im Münchner Presseclub haben Wissenschaftler der Hochschule für Politik - die angegliedert ist an die TU München - am MIttwoch mögliche Folgen diskutiert.
USA-Wahl: Enttäuschung bei Politikexperten
"Ich bin wirklich enttäuscht", sagte die Lehrstuhlinhaberin für Umwelt- und Politik, Miranda Schreurs. Und weiter: "Wir haben aktuell einen Präsidenten, der das Wahlsystem in den USA in Frage stellt." Mit seiner voreiligen Erklärung des Wahlsieges und der Äußerung, er werde die Wahl stoppen, habe er die in der Verfassung stehenden Normen der Demokratie in Frage gestellt. Der Lehrstuhlinhaber für Internationale Beziehungen, Tim Büthe, kritisierte die Aussage ebenso scharf. Der Präsident habe nicht zum ersten Mal gegen demokratische Normen verstoßen.
Er habe vier Jahre lang "oft rhetorisch überzogen, aber durchaus real", von allen Bereichen des amerikanischen Staates persönliche Loyalität eingefordert. "Wo Loyalität nicht mehr den Institutionen, den Gesetzen, der Verfassung gezollt werden soll, sondern ihm, das sind faschistoide Züge", so der Experte.
Gesellschaftliche Spaltung Amerikas als Herausforderung für Präsidenten
Politikwissenschaftlerin und Reformrektorin Eugénia Conceição-Heldt erklärte die gespaltene Gesellschaft der USA zur zentralen Herausforderung des neuen Präsidenten. "Biden, sollte er gewinnen, müsste erstmal die internen gesellschaftlichen Wunden heilen, die in der Präsidentschaft Trump entstanden sind."
"Natürlich ist man besorgt", so der aus Washington zugeschaltete Experte für deutsch-amerikanische Beziehungen, Jeff Rathke, der an der Johns-Hopkins-Universität lehrt. Man habe gewaltbereite Menschen gesehen - das müsse man ernst nehmen. "Sie haben aber kein Ausmaß erreicht, die das System bedrohen", so Rathke.
Künftige Außenpolitik der Vereinigten Staaten
Was bedeutet die Wahl für die Außenpolitik Amerikas? "Spaltung überwinden wäre für Biden höchste Priorität", so Rathke. Das bedeute eine starke Umorientierung der amerikanischen Außenpolitik, was beispielsweise Handelszölle anbelange.
"Die globale Zusammenarbeit muss wieder verstärkt werden, sollte der Gewinner Biden heißen", so auch Conceição-Heldt. Der Umgang mit China werde besonders wichtig sein. Nicht nur im wirtschaftlichen Bereich gebe es große Spannungen, sondern auch im technologischen Wettbewerb. "Sollte es zu einer zweiten Trump-Regierung kommen, wird das meines Erachtens verheerende Auswirkungen auf die multilaterale Weltordnung haben", so die Expertin.