Ude punktet, Seehofer genervt - wer ist der Sieger?

Der SPD-Herausforderer zeigte sich angriffslustig - nach Zahlen der CSU hat aber der Amtsinhaber das TV-Duell am Mittwochabend für sich entschieden.
von  Angela Böhm, Annette Zoch
Horst Seehofer und Christian Ude im BR-Studio.
Horst Seehofer und Christian Ude im BR-Studio. © dpa

Der SPD-Herausforderer zeigte sich angriffslustig - nach Zahlen der CSU hat aber der Amtsinhaber das TV-Duell für sich entschieden.

München - Das richtige Duell findet draußen auf der Straße statt: Vor dem Bayerischen Rundfunk in Unterföhring bauen sich die Schlachtenbummler von Horst Seehofer und seinem Herausforderer Christian Ude auf. Auf dem rechten Gehsteig ganz in blau, ausgerüstet mit CSU-Brillen, Partei-Shirts und Bayern-Fähnchen, 26 Mitglieder der Jungen Union, angeführt von ihrer Chefin Katrin Albsteiger. Auf dem linken Gehsteig 32 Jusos, ganz in rot mit Ude-Schals und Ude-Fahnen.

„Ude, Ude“, stimmen sie ihren Schlachtgesang an. „See-ho-fer, See-ho-fer“, schreit ihnen die andere Seite entgegen, als liege die die Südkurve der Allianz-Arena an diesem Abend in Unterföhring. Alle Register werden gezogen. „Wer nicht hüpft, der ist ein Sozi“, stimmt Albsteiger ihre Truppe ein und lässt sie springen. Doch ausgerechnet als Horst Seehofer mit seiner Staatskarosse vorfährt, geht den Blauen die Puste aus. „Ude, Ude“, schreien sich die Roten die Seele aus dem Leib. Seehofer fährt vor dem Studio 1 vor, steigt aus, fragt: „Was ist das?“

Er geht zurück auf die Straße zu seinen Anhängern, unter denen auch Mitarbeiter der CSU-Landesleitung sind. „Ich muss erstmal für Unterhaltung sorgen“, sagt er und bedankt sich für die Unterstützung. „Ude, Ude“, übertönen ihn die Roten. Sein Herausforderer Christian Ude lässt gleich vor rot-blauen Duellanten seinen Wagen anhalten, springt heraus, rennt auf seine Anhänger zu, ballt sein Fäuste ineinander, reckt sie in die Höhe zur Siegesgeste. So wie es einst SPD-Kanzler Gerhard Schröder getan hat. „Christian Ude, Christian Ude“, übertreffen sich die Roten. „Ab nach Mykonos“, reihen sich die Blauen ein.

Der Einmarsch der Gladiatoren geht an den Herausforderer. „Ich Freude mich, dass es endlich zum Duell kommt, bisher war der Gegenkandidat ja immer auf der Flucht“, zeigt Ude gleich seine Muskeln. Sofort geht er auf Angriff. Welche Taktik er für das Duell habe, wird er gefragt. „Ich habe keine Variationen, dass ich mal den brüllenden Löwen und mal den schnurrenden Kater spiele. Ich bin immer derselbe“, giftet er gegen Horst Seehofer.

Schon am Nachmittag hat er auf Facebook gestichelt: „Bisher war Horst Seehofer ja vor mir auf der Flucht wie Richard Kimble. Er ist jeder Begegnung und Auseinandersetzung ausgewichen, heute kann er das nicht.“

Lesen Sie hier: Christian Ude gegen Horst Seehofer: So lief das TV-Duell

Zu Rangeleien war es im Vorfeld auch zwischen den Adjutanten von Seehofer und Ude gekommen. Das erste Wort sollte der Herausforderer haben, das Schlusswort der Titelverteidiger. So hatte es BR-Chefredakteur und Moderator Sigmund Gottlieb vorgegeben. Damit waren die Ude-Leute nicht einverstanden. Sie verlangen einen Losentscheid. In Gottliebs Büro wird eine Münze geworfen. Das Ergebnis: Ude fängt an, Seehofer hört auf.

Die Nerven sind angespannt. Zwei Tage hat Ude sich ausgeruht, nach seinem aufreibenden Bierzelt-Marathon der letzten Wochen. „Damit ich nicht übermüdet und abgekämpft da rein gehe“, sagt er. „Und dass man sich bei einem Blackout nicht auf die Übermüdung rausreden muss.“ Alle seine Kräfte sammelt er für die entscheidenden 60 Minuten, dem TV-Duell mit Horst Seehofer, das ihm Auftrieb geben soll. So wie Peer Steinbrück der Zweikampf mit der Kanzlerin.

Auch Horst Seehofer hat Kräfte gesammelt. „Ich hab heut’ nichts wichtiges getan. Selbst seine engsten Mitarbeiter haben ihn am Mittwoch daheim in Ruhe gelassen. Keine Anrufe, keine SMS. Doch der i-bin-i-super-coole Bayern-Matador scheint genervt. Ist er nervös? „Wie?“ fragt er aggressiv zurück. Beim Fototermin vor dem Duell, wird er gleich grantig. Die Fotografen wollen, dass sich die Kontrahenten die Hand geben. „Ham ma schon getan“, brummt er. „An mir soll’s nicht liegen“, reckt Ude seine Brust heraus. „Wir sind keine Schauspieler“, lehnt Seehofer ab. Dann lenkt er doch ein, geht einen Schritt auf Ude zu, legt ihm gönnerhaft den Arm auf die Schulter und schüttelt ihm die Hand.

Moderator Sigmund Gottlieb legt Ude zum Start den Ball gleich auf den Elfmeter-Punkt. „Haben Sie sich schon bei der Kanzlerin bedankte?“, beginnt er mit Seehofers Wahlkampf-Thema, der Maut. „Ich bedank mich nicht bei der Kanzlerin, sondern bei Horst Seehofer“, verwandelt Ude. Der SPD-Spitzenkandidat greift an. Der Titelverteidiger lächelt’s präsidial weg. Er hat sich genau vorbereitet, wo Ude seine Linke kraftvoll ausholt, um draufzuschlagen, wie bei seinen Anzapf-Rekorden auf der Wiesn, um Seehofer kräftig eine einzuschenken.

„Ich hab’ Wort gehalten“, sagt Seehofer immer wieder. „Ja halten’S halt auch mal das Wort“, kontert Ude und sorgt für Gelächter im Studio. Sofort setzt er nach. „Wenn Sie bei mir abschreiben, kommt wirklich was ordentliches raus.“

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Der Fall Gustl Mollath, Betreuungsgeld, G 8, Landesbank - alle für Seehofer unangenehmen Themen kommen auf den Tisch. Seehofer in der Defensive. Ude macht Punkte. Der Titelverteidiger muss mehr reden und länger. Vier Minuten liegt er am Ende vorne. „Da darf ich ja die Schlusswort halten“, hakt Ude ein. Darf er nicht. Am Ende steht die Uhr bei 32:10 Minuten für Seehofer. 29:14 Minuten für Ude.

„Es war in Ordnung“, sagt Seehofer nach dem Duell und zuckt ein bisschen verlegen mit den Schultern: „Ich bin zufrieden.“ Ude triumphiert: „Ich halte meine Argumente für knackiger und überzeugender. Das ist zwar keine Überraschung. Aber es war so. Ich halte das Rennen für offen.“

Die CSU sieht das anders: Als schon aufgeräumt wird geht Generalsekretär Alexander Dobrindt noch mit einer Umfrage hausieren, die er bei Emnid in Auftrag gegeben hat. „Der Sieger ist für 62 Prozent Seehofer", verkündet er. „Ude kommt auf 26 Prozent.“ Belastbar ist das nicht. Emnid hat nur 500 Bayern befragt – das ist nicht repräsentativ.

 

Fakten-Check und Themenübersicht: Darum ging es beim TV-Duell

 

Pkw-Maut: „Sie wird kommen und sie muss kommen“, bekräftigt Ministerpräsident Horst Seehofer. Jeder, der im Inland Kfz-Steuer bezahle, könne die Vignette zum Beispiel umsonst bekommen. Angesprochen auf Merkels strikte Weigerung, die Maut in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, sagt Seehofer: „Die Kanzlerin hat mit mir noch immer eine Lösung gefunden. Ich weiß, wie ich Dinge in Berlin und Brüssel durchsetze.“ SPD-Herausforderer Christian Ude kontert: „Das Thema Ausländer-Pkw-Maut ist ein Beispiel für die haltlosen Versprechungen und Hirngespinste der CSU.“ Sobald den Menschen bewusst würde, dass 95 Prozent des Maut-Aufkommens von den deutschen Autofahrern berappt werden müsste, würden sie ihre Meinung ändern. „Die Pkw-Maut kommt genauso sicher wie der Transrapid.“

Bildung: „Jeder dritte Euro ist in Bayern in die Bildung geflossen“, sagt Seehofer. Über 8000 Lehrer seien eingestellt worden, der Lehrplan des G8 ausgedünnt. Außerdem stünden bayerische Kinder in allen Bildungsvergleichen und Pisa-Tests an erster Stelle. „Das Entscheidende sind die Ergebnisse und nicht, wer die lauteste Bildungsdiskussion führt.“ Ude sieht zwischen dem guten Abschneiden und der Unzufriedenheit keinen Widerspruch: „Das Bildungswesen ist sehr leistungsfähig. Aber nirgendwo ist die soziale Auslese so scharf wie in Bayern.“ Ganz Bayern leide unter dem „G8-Murks“. Streitpunkt ist auch die Ganztagsbetreuung: Hier sei Bayern Schlusslicht, sagt Ude – und zieht die München-Karte: Nirgendwo gebe es so viele Ganztagsbetreuung wie an den städtischen Schulen in München. Seehofer verspricht bis 2018 für alle unter 14-Jährigen Ganztagsbetreuung.

Betreuungsgeld: Warum ist Ude dagegen? „Wir brauchen für echte Wahlfreiheit Kita-Angebote und ausreichend Erzieher, damit Mütter wirklich entscheiden könnten. Darauf muss man die Mittel konzentrieren, statt Prämien zu verteilen, wenn jemand eine Leistung nicht in Anspruch nimmt. Das ist so, als wenn Radfahrer und Fußgänger Geld dafür bekommen, dass sie nicht den Bus nehmen.“ Seehofer: „Wir sind als Staat nicht der Vormund junger Familien. Wir wollen jedem Lebensmodell Unterstützung bieten.“ Außerdem habe Bayern beim Kita-Ausbau von allen westlichen Bundesländern „die größte Dynamik“. Ude kontert: „Ein Marathonläufer, der die erste Stunde verschläft und dann hinterherhinkt, der hat am Anfang auch die größte Dynamik.“

Energiewende: Ude will die Stromsteuer senken – und fordert, die vielen Ausnahmen für Unternehmen abzuschaffen. Seehofer kündigt an, die Einspeisevergütung senken zu wollen. „Das wird nach der Mütterrente das wichtigste Gesetz sein.“ Beim Thema Windräder attackiert Seehofer, der einen größeren Abstand will, den Münchner OB: „Am Stachus wird kein Windrad aufgestellt. Sie können aus München heraus leicht mehr Windräder fordern. Ich will Windenergie in Einklang mit Bürgern und Natur. Ich lasse die wunderschöne bayerische Natur nicht verspargeln.“

Fall Mollath: Ude will ein neues Unterbringungsrecht. Er kritisiert Justizministerin Merk, „die den Eindruck erweckt hat, als habe sie persönlich so lange an den Gitterstäben gerüttelt, bis Herr Mollath entweichen konnte. Sie soll jetzt still und beschämt das Ende ihrer Amtszeit abwarten.“ Auch Seehofer sagt: „Das hat mir zu lange gedauert.“

 

 

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