TV-Duell zwischen Höcke und Voigt: So haben sie sich geschlagen
Selten wurde so viel über ein TV-Duell diskutiert wie über den Schlagabtausch zwischen dem thüringischen CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt und dem rechtsextremen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Die Auseinandersetzung, die am Donnerstagabend vom TV-Sender Welt ausgestrahlt wurde, sorgt für ordentlichen Wirbel. Doch wer konnte im Duell punkten und gibt es einen Gewinner?
Für die Politikwissenschaftlerin Britta Schellenberg von der LMU ist der CDU-Politiker Voigt besonders souverän aufgetreten. "Er ist sehr werteorientiert rübergekommen und war sehr klar in seinen Aussagen", sagt die Rechtsextremismusforscherin zur AZ. Höckes Auftritt sei hingegen von "Höhen und Tiefen" geprägt gewesen. "Er wirkte zum Teil nervös und überfordert, aber dann wieder sehr selbstbewusst und angriffslustig", meint Schellenberg.
Expertin: Höcke verwendet Begriffe der rechtsextremen Szene
Laut der Wissenschaftlerin sei es dem AfD-Politiker gelungen "doppelzüngig" zu reden. Höcke habe für sein Klientel verständliche rechtsextreme Botschaften ausgesprochen, aber so, dass sie von einer breiten Mehrheit nicht identifiziert werden können, so die Einschätzung der Expertin. Wenn der Politiker zum Beispiel eine "Gleichschaltung" durch die EU behauptet, bediene er sich der Expertin zufolge einem Begriff, der oft in der rechtsextremen Szene verwendet wird.
Durch seine Taktik, also durch die Verharmlosung und das gleichzeitige Platzieren von besetzten Begriffen, sei der Spitzenpolitiker ins Schlingern geraten: "Er wirkte nicht mehr stark, sondern wie in die Ecke getrieben, weil er so keine klaren Antworten auf klare Fragen geben konnte."
Wo dieses Problem deutlich wurde? Als die Moderatoren nachhakten, was er mit dem Begriff "Remigration" verbindet. Statt der massenhaften Ausweisung von Ausländern, wie es die AfD wochenlang kommuniziert hatte, verstand Höcke darunter "anderthalb Millionen Deutsche" mit Anreizen zurückzuholen, die wegen der Abgaben- und Steuerlast und weil sie "das Meinungsklima in Deutschland nicht mehr ertragen haben, ausgewandert sind".
Bei einer Rede in Gera Ende vergangenen Jahres erklangen noch andere Töne: Deutschland käme auch mit 20 bis 30 Prozent weniger Menschen aus, sagte Höcke damals. Im TV-Duell stellte er dann jedoch klar, dass damit keine Ausweisungen in großer Zahl gemeint gewesen waren. Stattdessen sei es in Gera lediglich um den demografischen Wandel gegangen.
Im TV weiß Höcke plötzlich nicht mehr, was er geschrieben hat
Auch an eine Auseinandersetzung mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Aydan Özoguz (SPD) will sich der Rechtsextremist nicht mehr erinnern können. Vor einigen Jahren schrieb Höcke noch in seinem Buch, dass Özoguz in Deutschland nichts verloren hätte. Beim TV-Duell war er sich dann allerdings plötzlich nicht einmal mehr sicher, was er in seinem Buch geschrieben hat und wie die Politikerin genau heißt.
Dass er außerdem zweimal eine verbotene Losung der paramilitärischen NSDAP-Kampforganisation SA in seinen Reden verwandte, sei ein Versehen gewesen. Für Höcke sei "Alles für Deutschland" lediglich ein normaler Satz gewesen. Den historischen Hintergrund dürfte der Parteifunktionär als ehemaliger Geschichtslehrer allerdings trotzdem kennen.
"Er hat im großen Maßstab falsche Tatsachen behauptet", sagt die Politikwissenschaftlerin Schellenberg. Ob er trotz der Falschinformationen das Wahlduell für sich entscheiden konnte, sei schwer einzuschätzen. "Ich würde aber den Herrn Voigt beglückwünschen, weil er ganz viel richtig gemacht hat." Der CDU-Politiker habe Höckes völkische und rechtsextreme Weltsicht aufgezeigt. Gleichzeitig konnte er ihn auch inhaltlich stellen.
Ist ein TV-Format für eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten geeignet?
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Analyse des Kommunikationswissenschaftlers Benjamin Krämer von der LMU: "Höcke hat konsequent eine Strategie der Selbstverharmlosung gefahren", sagt der Experte zur AZ. Die Taktik, alle radikalen Aussagen umzudeuten, sei allerdings nicht aufgegangen - dafür hätte es gegen den AfD-Kandidaten zu viele handfeste Beweise gegeben. "Höcke hat versucht, wie ein klassischer Politiker zu reden", sagt Krämer. "Manchmal sind aber die typischen Höcke-Formulierungen durchgebrochen." Krämer zufolge wird das seine Anhänger allerdings nicht weiter stören: "Sie werden das als kluge, taktische Zugeständnisse abtun. Ich denke nicht, dass die sich umorientieren."
Was also nach dem Schlagabtausch bleibt? Wenn man Krämer folgt, wenig. Denn wirklich neue Informationen seien durch das Wahlduell schließlich nicht öffentlich geworden. Die Grundfrage sei aber, ob ein "TV-Format für eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten geeignet ist oder ein solcher Diskurs lieber anderswo stattfinden sollte".