Streit zwischen CDU und CSU: Eiszeit bei Merkel und Seehofer

Angela Merkel und Horst Seehofer liegen ein Jahr vor der Bundestagswahl bei der Flüchtlingspolitik über Kreuz. Beide wollen eine Einigung – schalten in der Debatte aber auf stur. Wie soll das enden?
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Zwar hat sich die Lage an den bayerischen Grenzen im Gegensatz zu Oktober des vergangenen Jahres entspannt – der Streit um die Obergrenze bei
Flüchtlingen entzweit aber weiter die Unionsspitzen.
dpa Zwar hat sich die Lage an den bayerischen Grenzen im Gegensatz zu Oktober des vergangenen Jahres entspannt – der Streit um die Obergrenze bei Flüchtlingen entzweit aber weiter die Unionsspitzen.

Was sie wohl besprochen haben, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer? Zwei Stunden saßen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der CSU-Chef am Sonntag im Kanzleramt zusammen, bevor SPD-Chef Sigmar Gabriel dazustieß. Ist eine Einigung im Flüchtlingsstreit möglich? Und wenn ja, wie könnte diese aussehen?

Was ist der zentrale Knackpunkt? Bei allen Themen, so sagte es Seehofer zum Abschluss der CSU-Vorstandsklausur am Wochenende, könnten sich CDU und CSU wohl einigen. Nur bei einem Punkt, da wolle er keine Garantie geben: bei der Flüchtlingspolitik. Und da wiederum kumuliert der seit einem Jahr andauernde Streit in einem Punkt: Die CSU fordert eine gesetzliche Obergrenze von maximal 200 000 Flüchtlingen pro Jahr – was die Bundeskanzlerin entschieden ablehnt. Dabei wird die CDU nach den Worten ihres Vize-Vorsitzenden Armin Laschet der CSU nicht nachgeben. „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat geliefert. Die Zahlen sind runtergegangen“, sagte Laschet gestern im ZDF-Morgenmagazin. „Und deshalb wird die CDU auch an diesem Kurs festhalten.“

Was sagen SPD und Opposition zum Unionszoff? Linke und Grüne stellten die Handlungsfähigkeit der Regierung in der Flüchtlingspolitik in Frage. „Dass man über ein Thema, das alle umtreibt, nicht mal reden kann, weil die Koalitionäre so weit auseinander sind, das ist ein Armutszeugnis“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch, sagte: „Die Koalition ist sichtlich am Ende. Das Beste ist, schnell die Scheidung einzureichen.“

Einigung zwischen CDU und CSU ja – aber nicht um jeden Preis

Die SPD-Generalsekretärin Katharina Barley gibt der Union die Schuld für fehlende Lösungen in strittigen Fragen. „CDU und CSU sind so in ihrem Kleinkrieg verhaftet, dass da offensichtlich nichts geht“, sagte Barley. „Die CSU stellt sich an wie ein bockiges Kind gegenüber der eigenen Kanzlerin.“

Mit der Kritik an der Union kann Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, wenig anfangen. Von Blockade der Koalitionsarbeit könne keine Rede sein. Bei der Erbschaftsteuer etwa sei der Einigungswille deutlich geworden. „Wir regieren schließlich noch ein Jahr gemeinsam“, sagte Straubinger gestern der AZ.

Wie sind die Einigungschancen zwischen Merkel und Seehofer? Schwer zu sagen. Nach dem Treffen am Sonntag hieß es, immerhin hätten beide Seiten zu erkennen gegeben, dass sie bereit seien, die verfahrene Situation aufzulösen. Seehofer betonte schon mehrfach, dass man eine Einigung wolle – aber eben nicht um jeden Preis.

Auf der anderen Seite hat sich Merkel stets genauso vehement gegen eine Obergrenze gewandt. Ein Einlenken? Kaum zu erwarten.

Warum ist Seehofer so stur? Er und die CSU machen Merkels Politik für die CDU-Wahlniederlagen der vergangenen Monate verantwortlich. Und sie fürchten, dass es bei der Bundestagswahl 2017 für die Union ebenfalls bergab gehen könnte. Und das wäre ein schlechtes Vorzeichen für die bayerische Landtagswahl ein Jahr später. Denn für die CSU geht es dort um die Verteidigung der Alleinherrschaft. Und für Seehofer um sein politisches Erbe.

Was treibt Merkel an? Die Kanzlerin glaubt wie viele in der Union an den ehernen Satz, dass Wähler und Anhänger von CDU und CSU eines gar nicht mögen: Streit der Parteiführungen. Deswegen setzt sie auf eine Annäherung zu Seehofer – auch wenn sie bei dessen Lieblingsthema Obergrenze hart bleiben wird. Merkel weiß, dass durch ihre Flüchtlingspolitik bei den Wählern viel Vertrauen verloren gegangen ist. Das will sie zurückgewinnen.

Kanzlerkandidatur Merkels fraglich - Seehofer bremst

Können sich Merkel und Seehofer wieder versöhnen? Der Streit hat die reine Sachebene längst verlassen. In der CDU halten viele Seehofer für unberechenbar. Auch an Merkel dürften die scharfen Attacken des Bayern nicht spurlos vorbeigegangen sein. Für die Machtpolitikerin wird aber genauso gelten, dass sie persönliche Animositäten für den Erfolg der Union bei der Bundestagswahl zurückstellen würde. Doch genauso dürfte der CSU-Chef wissen: Vergessen wird Merkel nicht, wie demütigend er zum Teil mit ihr umgegangen ist.

Wie könnte ein Ausweg aus dem Streit aussehen? Die meisten Unionspolitiker, mit denen man spricht, sind sich einig: Es wird eine Lösung geben – geben müssen. Sechs Konferenzen haben CDU und CSU in den kommenden Wochen angesetzt, um ihre „inhaltlichen Koordinaten“ zu klären. Im November steht dann der CSU- und im Dezember der CDU-Parteitag an. Spätestens bis dahin muss im Flüchtlingsstreit eine Einigung her. Sonst würden die Parteitage zum Fiasko.

Welche Spekulationen gibt es über Seehofer und die CSU? Vor allem in der CSU gibt es Gedankenspiele, Seehofer als Spitzenkandidaten in die Bundestagswahl zu schicken – um zusammen mit Merkel das maximale Wählerpotenzial für die Union auszuschöpfen. Oder den bayerischen Finanzminister Markus Söder (der das aber bereits ausgeschlossen hat) oder Innenminister Joachim Herrmann. Jedenfalls jemanden, der in der Flüchtlingspolitik ein Gegengewicht zur Kanzlerin bilden kann. Entschieden werden soll diese Personalfrage aber erst im ersten Quartal des kommenden Jahres.

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