Mariupol völlig zerbombt: Angeblich 80 Prozent der Wohnungen zerstört

Mariupol wird seit Tagen von russischen Truppen belagert und beschossen. Es fallen 50 bis 100 Bomben am Tag. Die EU wertete die Belagerung nun als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht.
AZ/dpa |
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Szene aus Mariupol: Eine Frau geht an einem brennenden Wohnhaus vorbei, nachdem es beschossen wurde.
Szene aus Mariupol: Eine Frau geht an einem brennenden Wohnhaus vorbei, nachdem es beschossen wurde. © Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Mariupol – In der vom Krieg stark betroffenen ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind nach örtlichen Angaben etwa 80 Prozent der Wohnungen zerstört und davon rund 30 Prozent nicht wieder aufzubauen.

"Täglich werden durchschnittlich 50 bis 100 Bomben auf die Stadt geworfen. Die Verwüstung ist enorm", teilte der Rat der Stadt am Donnerstag bei Telegram mit.

EU wirft Russland Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht vor

Die EU wertete die Belagerung und Bombardierung von Mariupol durch russische Truppen als "ernsthaften und schwerwiegenden Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht". "Diese Belagerung ist unmenschlich", erklärte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Brüssel. Die Belagerung müsse aufgehoben sowie die Bombardierung und die Angriffe auf Zivilisten müssten gestoppt werden.

Das humanitäre Völkerrecht sieht zum Beispiel vor, dass in bewaffneten Konflikten immer zwischen Zivilbevölkerung und Kämpfenden zu unterscheiden ist. Demnach dürfen weder die Zivilbevölkerung als Ganzes noch einzelne Zivilisten angegriffen werden. Angriffe dürfen ausschließlich militärischen Zielen gelten.

Bürgermeister von Mariupol beschreibt katastrophale Zustände

Der stellvertretende Bürgermeister Mariupols beschreibt katastrophale Zustände. Besonders dramatisch sei die mangelnde Wasserversorgung, sagte Serhij Orlow dem Magazin "Forbes Ukraine". "Ein kleiner Teil der Menschen kann privat Wasser aus Brunnen entnehmen." Da die Heizungen ohnehin nicht mehr funktionierten, nutzten manche aber auch das Wasser aus Heizungsrohren, um es zu trinken. "Manche sagen auch, dass sie es aus Pfützen nehmen. Als es Schnee gab, haben sie den geschmolzen."

Sergij Orlow warf Russland vor, gezielt Zivilisten zu attackieren, um eine Kapitulation der Stadt zu erzwingen. Russland beteuert stets, nur militärische Ziele anzugreifen.

Mariupol ist seit etwas mehr als zwei Wochen von russischen Truppen eingeschlossen.
Mariupol ist seit etwas mehr als zwei Wochen von russischen Truppen eingeschlossen. © Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Mariupol sei laut Stadtrat seit 16 Tagen blockiert, Tausende müssten vor russischem Beschuss Deckung suchen in Schutzräumen. Bisher seien etwa 30.000 Zivilisten aus der Stadt geflohen. Die Angaben waren nicht unabhängig zu prüfen. Hilfskonvois kommen nach Angaben aus Kiew seit Tagen nicht durch. Mehrere Evakuierungsversuche der strategisch wichtigen Stadt scheiterten.

Nach ukrainischen Angaben hatten aber in den vergangenen zwei Tagen Tausende Menschen die Stadt in rund 6.500 Privatautos verlassen können.

Russland: 43.000 Menschen aus Mariupol geflohen

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums sind weitere rund 43.000 Menschen aus Mariupol in Sicherheit gebracht worden. Zudem seien am Donnerstag den Menschen 134 Tonnen Hilfsgüter übergeben worden, darunter Medikamente und Lebensmittel, sagte Generalmajor Michail Misinzew in Moskau.

Misinzew warf "ukrainischen Nationalisten" vor, die Fluchtkorridore zu blockieren und friedliche Menschen nicht durchzulassen. Ziel der ukrainischen Seite sei es, Zeit zu gewinnen, um Hilfe aus dem Westen zu erhalten. Überprüfbar sind diese Angaben nicht.

Nach Darstellung von Militärsprecher Misinzew stimmte Moskau am Donnerstag einem Vorschlag Kiews zu, neun weitere humanitäre Korridore an umkämpften Städten einzurichten und die Feuerpause einzuhalten. Solche Korridore gibt es demnach in der Hauptstadt Kiew, in der zweitgrößten Stadt Charkiw im Osten des Landes, darunter sei auch ein Weg nach Russland; in Sumy, Schytomyr und Saporischschja. Die Ukraine hatte Russland wiederholt die Sabotage der Fluchtkorridore vorgeworfen.

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Beschuss eines Theaters in Mariupol sorgt für Entsetzen

Für besonderes Entsetzen sorgte am Mittwochabend der Bericht über den Beschuss eines Theaters in Mariupol, in dem Hunderte Zivilisten Zuflucht gesucht haben sollen. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig für den Angriff verantwortlich. Nach Angaben eines Parlamentsabgeordneten vom Donnerstag soll der Luftschutzkeller des Gebäudes aber intakt geblieben sein.

"Nach einer schrecklichen Nacht der Ungewissheit am Morgen des 22. Kriegstages endlich gute Nachrichten aus Mariupol! Der Luftschutzbunker hat standgehalten", schrieb Serhij Taruta am auf Facebook. Mit dem Entfernen der Trümmer sei begonnen worden. Offiziellen Angaben zufolge hatten zum Zeitpunkt des Angriffs mehr als 1.000 Menschen in dem Theater Schutz gesucht.

Vor dem Angriff auf das Theater hat es dabei offenbar Warnungen gegeben, dass sich darin Kinder aufhalten sollen.

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