Selenskyj will von Moskau ehrliche Gespräche

Die Kämpfe an den diversen Brennpunkten in der Ukraine gehen weiter. Zwar verhandeln Moskau und Kiew weiter über eine Friedenslösung. Doch zumindest aus ukrainischer Sicht geht es dabei kaum voran. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.
AZ/dpa |
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wendet sich an sein Volk.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wendet sich an sein Volk. © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Kiew - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland nachdrücklich zu ernsthaften und ehrlichen Gesprächen über eine Friedenslösung aufgerufen. Sein Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk betonte die sogenannten roten Linien für die Verhandlungen mit der russischen Seite - Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine sowie ihre staatliche Unabhängigkeit. Die Kämpfe dauern unterdessen vielerorts an. Dem russischen Militär unterstellt US-Verteidigungsminister Lloyd Austin viele taktische Fehler.

Ukraine meldet weitere Tote bei russischen Angriffen

Die Ukraine hat über mehrere Tote und Verletzte bei erneuten russischen Angriffen berichtet. Im Ort Butscha nordwestlich der Hauptstadt Kiew seien durch Beschuss am Freitag sieben Zivilisten ums Leben gekommen, teilte die Polizei der Region Kiew am Samstag mit. In der ostukrainischen Region Donezk sprach die regionale Polizeibehörde von Dutzenden Toten und Verletzten ebenfalls bei Angriffen am Freitag. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Es seien erneut Wohngebiete beschossen worden, hieß es von ukrainischer Seite. Kiew wirft Moskau immer wieder vor, in dem am 24. Februar begonnenen Krieg gezielt zivile Gebäude anzugreifen. Russland weist das zurück, auch wenn die Zerstörungen ziviler Infrastruktur augenfällig sind. 

USA schicken Militärkontingent nach Bulgarien

Zur Stärkung der Nato-Ostflanke werden die USA ein Truppenkontingent nach Bulgarien entsenden. Das sagte der bulgarische Ministerpräsident Kiril Petkow nach Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Samstag in Sofia. Dieses Kontingent soll unter dem Kommando des Nato-Oberbefehlshabers in Europa stehen.

Petkow versicherte, es werde keine Waffenlieferungen aus Bulgarien in die Ukraine geben. "Wir haben in keiner Weise über eine militärische Unterstützung der Ukraine gesprochen", sagte er während einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz.
Allerdings werde Bulgarien die Ukrainer weiter humanitär unterstützen, betonte Petkow. US-Verteidigungsminister Austin lobte Bulgariens humanitäre Hilfe für die Ukraine.

Putin telefoniert mit Luxemburgs Premier Bettel 

Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel zum Krieg in der Ukraine telefoniert. Putin habe hingewiesen auf die "unaufhörlichen Raketenangriffe ukrainischer Kräfte auf Donezk und andere Städte in der Donezker Volksrepublik und der Luhansker Volksrepublik, die zu vielen zivilen Opfern führten", hieß es in einer Kremlmitteilung vom Samstag. Putin und Bettel hatten bereits am vergangenen Montag miteinander gesprochen.

Bettel sagte nach einer Mitteilung des luxemburgischen Staatsministeriums, es sei ihm darum gegangen, zur Deeskalation beizutragen. Die Situation vor Ort habe sich seit seinem letzten Gespräch mit Putin vor allem in Mariupol weiter verschlechtert. Er sei zutiefst schockiert über Angriffe auf zivile Einrichtungen. "Die Bilder, die uns erreichen, sind unerträglich", so Bettel. Er und Putin hätten vereinbart, in Kontakt zu bleiben. 

Selenskyj fordert von Moskau ehrliche Verhandlungen

"Sinnvolle Verhandlungen über Frieden und Sicherheit für die Ukraine, ehrliche Verhandlungen und ohne Verzögerungen, sind die einzige Chance für Russland, seinen Schaden durch eigene Fehler zu verringern", sagte Selenskyj am späten Freitagabend in einer Videoansprache. Sollte die territoriale Unversehrtheit der Ukraine nicht wiederhergestellt werden, so werde Russland "ernsthafte Verluste" erleiden.

"Es ist an der Zeit, die territoriale Einheit und Gerechtigkeit für die Ukraine herzustellen", sagte er. "Ansonsten wird Russland derartige Verluste erleiden, dass es mehrere Generationen brauchen wird, um sich wieder aufzurichten." Selenskyj bekräftigte seine Forderung nach direkten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Friedenslösung.

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Die Kriegsparteien führen seit dem 28. Februar Verhandlungen darüber, zuletzt beinahe täglich mittels Videoschalte. Während Moskau von erkennbaren Kompromissen vor allem bei der Frage eines neutralen Status der Ukraine spricht, sieht Kiew keine größeren Fortschritte. Russland strebt neben der Neutralität der Ukraine unter anderem eine Demilitarisierung des Landes an. Die Ukraine wiederum fordert neben einer sofortigen Waffenruhe den Abzug der russischen Truppen sowie anschließende konkrete Sicherheitsgarantien.

Ukrainischer Parlamentschef betont rote Linien für Verhandlungen

Die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine sowie ihre staatliche Unabhängigkeit sind und bleiben für Kiew die sogenannten roten Linien bei den aktuellen Friedensverhandlungen mit Russland. Diese seien "unverrückbar", betonte Parlamentspräsident Stefantschuk in einem Beitrag auf der Webseite der Obersten Rada. Daher könne es nur ein Ergebnis geben: "Das ist unser Sieg." Auf dem Weg dorthin gehe man "Schritt für Schritt" die wichtigen Punkte an. "Wir bewegen uns in die richtige Richtung", schrieb Stefantschuk.

US-Verteidigungsminister: Russen machen militärische Fehler

Das russische Militär hat nach Ansicht von US-Verteidigungsminister Austin taktische Fehler im Ukraine-Krieg gemacht. Es habe eine "Reihe von Fehltritten" gegeben, sagte Austin am Freitag in einem Interview des US-Senders CNN während seiner Reise nach Bulgarien. Russlands Armee habe in der Ukraine Rückschläge erlitten. "Sie hatten sich vorgestellt, dass sie schnell vorankommen und sehr schnell die Hauptstadt einnehmen würden, aber sie waren nicht in der Lage, das zu tun", sagte Austin. Außerdem setzten die Russen taktische Informationen nicht gut ein. Aus dem Pentagon heißt es immer wieder, dass das russische Militär in der Ukraine kaum Fortschritte mache.

Schwere Kämpfe um Flughafen bei Cherson

Der Flughafen Tschornobajewka bei Cherson im Süden der Ukraine steht nach ukrainischer Darstellung weiterhin im Mittelpunkt erbitterter Kämpfe. "Wir haben sie dort schon wieder getroffen", schrieb am Samstag Olexij Arestowitsch, Berater des Büroleiters von Präsident Selenskyj, auf Facebook mit Blick auf die russischen Truppen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten das russische Militär an diesem Flughafen bereits sechs Mal überfallen und dem Gegner dort schwere Verluste zugefügt. Dies ließ sich nicht unabhängig überprüfen.

EU-Kommission warnt vor Hungersnot in der Ukraine

Angesichts der Kämpfe in der Ukraine warnt die EU-Kommission vor einer Hungersnot in dem Land. "Die Menschen in den belagerten Städten sind apokalyptischen Zuständen ausgesetzt - keine Nahrung, kein Wasser, keine medizinische Versorgung und kein Ausweg", sagte der für humanitäre Hilfe und Krisenschutz zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic der "Welt am Sonntag". Die humanitäre Krise in der Ukraine sei heute schon kritisch, könne aber noch schlimmer werden.

Ringen um Rettung von Zivilisten aus Brennpunkten bei Kiew

Nach der Rettung von mindestens 50.000 Zivilisten aus Kampfgebieten nördlich und nordwestlich der Hauptstadt Kiew bemühen sich die ukrainischen Behörden nunmehr um die Evakuierung der meistgefährdeten Brennpunkte. "Die Besatzungstruppen erlauben uns nicht, die Evakuierung aus den Brennpunkten fortzusetzen", teilte Olexij Kuleba, Leiter des humanitären Stabes der Region Kiew, in der Nacht zum Samstag auf Facebook mit. "Aber trotz des Zynismus des Feindes tun wir weiterhin alles, um das Leben unseres Volkes zu schützen."

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In Absprache mit der russischen Seite sind in den vergangenen Tagen wiederholt sogenannte Fluchtkorridore geöffnet worden, über die Zivilisten umkämpfte Städte und Ortschaften verlassen konnten. Die Vereinbarungen wurden jedoch nicht immer eingehalten, Zivilisten gerieten immer wieder unter Beschuss.

Moskau: Erster Einsatz der Hyperschall-Rakete "Kinschal"

Die russische Luftwaffe hat in ihrem Krieg gegen die Ukraine nach Angaben aus Moskau mit der Hyperschall-Rakete "Kinschal" (Dolch) ein Raketenarsenal im Gebiet Iwano-Frankiwsk zerstört.

Das unterirdische Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in Deljatyn im Südwesten der Ukraine sei gestern durch die ballistische Rakete vernichtet worden. Das sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konoschenkow, am Samstag. Im Gebiet Odessa am Schwarzen Meer seien zwei Stützpunkte der militärischen Aufklärung zerstört worden. Überprüfbar waren die Angaben nicht.
Es ist das erste Mal seit Beginn des Krieges, dass Russland von dem Einsatz seiner neuen ballistischen Luft-Boden-Rakete "Kinschal" berichtet. Es sei der erste Einsatz im Kampf überhaupt, hieß es. Bisher kamen die Waffen vor allem bei Manövern zum Einsatz – zuletzt wenige Tage vor der Invasion in die Ukraine, die am 24. Februar begonnen hat.

Was bringt der Tag?

In Deutschland sind in mehreren Städten Friedenskundgebungen und Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine geplant. US-Verteidigungsminister Austin setzt seinen Besuch in Bulgarien fort und will mit Ministerpräsident Kiril Petkow unter anderem über die Lage in der Ukraine sprechen.

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  • Der wahre tscharlie am 19.03.2022 16:19 Uhr / Bewertung:

    Eins muß man Selenskyj lassen, die Medienpräsenz beherrscht er total. Jeden Tag gibts eine Rede von ihm an das Volk. Und dann auch noch von der Strasse. Respekt. Nicht umsonst heißt seine Partei "Diener des Volkes". So motiviert man seine Bürger.
    Da kann der Putin mit seinen in Bussen angekarrten Jublern einpacken.

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