Ukraine-Krieg und Bayerns Wirtschaft: Steht bald alles still ?
Mit der Fortdauer des Krieges in Osteuropa wird immer deutlicher, dass die bayerische Wirtschaft nicht nur von Gas, Öl und Kohle aus Russland sowie Weizen aus der Ukraine, sondern auch von einer Reihe anderer Rohstoffe aus dem Osten abhängt.
Erheblich ist nach einer Studie der OECD auch die Abhängigkeit von Rohstoffen wie Palladium, Nickel, Platin, Aluminium und Zink aus Russland.
Der Konflikt könne weitreichende mittelbare Folgen für die bayerische und deutsche Wirtschaft haben, warnte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest bei einer Veranstaltung der OECD am Freitag. So werde die inländische Wirtschaft massiv getroffen, wenn etwa in Ungarn oder Norditalien infolge von Erdgasmangel Vorproduktionen stillgelegt werden müssten.
Viele bayerische Unternehmen sind von Russland und der Ukraine abhängig
Fuest spielte dabei auf noch weitaus höhere Abhängigkeit Ungarns von russischen Energielieferungen an. Dort unterhalten viele deutsche Unternehmen Werke oder beziehen Vorprodukte.
Jedes sechste bayerische Unternehmen hat in einer aktuellen Umfrage der Metall-Arbeitgeberverbände bayme und vbm eine hohe, weitere 20 Prozent haben eine mittlere Abhängigkeit von Energie, Rohstoffen und Vorprodukten aus Russland oder der Ukraine angegeben.
Produktionsstopps in diesen Unternehmen würden sich kaskadenartig weiter ausbreiten, warnte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt: So etwas hätte "auch Konsequenzen für nicht unmittelbar mit der Ukraine oder Russland verbundene Unternehmen." Für den gesamten Kontinent drohe bei Fortsetzung des Krieges "dauerhaft tiefer Schaden".
Stellvertretend für die Industriebranchen außerhalb von Metall und Elektro wies die "Industrievereinigung Kunststoffverpackungen" auf die Probleme der Branche hin. Die sprunghaft angestiegenen Erdgaspreise und die hoch volatilen Strompreise verteuerten die Herstellung von Verpackungen und Folien aus Kunststoff. Trotz des Krieges fließt bisher nicht nur weiter russisches Gas über Nordstream 1 nach Bayern, auch sonst sind die Handelsströme noch nicht ganz zum Erliegen gekommen.
So berichteten BMW und Audi in der vergangenen Woche, dass sie - wenn auch in deutlich reduzierten Umfang - weiterhin Kabelbäume für die Pkw-Produktion aus der Westukraine beziehen. Beide wollen ukrainischen Zulieferern grundsätzlich treu bleiben, auch wenn sie sich vorübergehend nach anderen Lieferanten umsehen, welche Lücken füllen sollen.
Bringt der Krieg in der Ukraine eine Beschleunigung der Globalisierung mit sich?
Fuest warnte den Staat davor, die Wirtschaft wegen des Ukraine-Krieges erneut mit Zuschüssen unter die Arme zu greifen. Es müsse dem Eindruck entgegenwirkt werden, dass die Unternehmen stets gegen alle Widrigkeiten dieser und anderer Art abgeschirmt würden, sagte Fuest.
Im Übrigen mahnte der Ifo-Präsident vor "Dramatisierung". Die Gas- und Erdölpreise gingen bereits wieder etwas zurück: "Wir sollten nicht in Panik verfallen." Die von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagene Spritpreissenkung mittels Rabatt von 40 Cent auf den Literpreis koste den Staat 20 Milliarden Euro, rechnete Fuest vor. Man sollte besser "die Preise wirken" lassen und untere Einkommensempfänger gezielt entlasten.
Fuest meint, dass der Krieg in der Ukraine eine Beschleunigung der Globalisierung mit sich bringen könnte. Mittelfristig könnten weitere Kapazitäten und neue vielfältigere Lieferbeziehungen aufgebaut werden, um sich aus einseitigen Abhängigkeiten zu befreien. Von Russland in Zukunft überhaupt keine Energien mehr abzunehmen, hält der Ökonom nicht für klug.
Besser wäre es, der russischen Seite zu signalisieren, dass man von ihr nicht abhängig sei, umgekehrt dies aber sehr wohl der Fall sei. Bei völliger Isolierung würde die Russische Föderation womöglich "zu einer Art Nordkorea" abdriften: "Ob das friedlich bleibt, glaube ich nicht."