Rundumschlag von Hubert Aiwanger in der AZ: "Wenn die CSU auf den Pfad der Tugend zurückkehrt"
München - Kaum ein Bauernprotest, bei dem Bayerns Wirtschaftsminister aktuell fehlt. Bei den Landwirten kommt das an . Bei CSU und Mittelstand eher weniger. Die AZ hat mit dem Freie-Wähler-Chef darüber gesprochen – und auch über die Demos gegen rechts.
AZ: Herr Aiwanger, führen Sie eine Strichliste, wer sich häufiger bei Bauernprotesten blicken lässt: Sie oder Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber von der CSU?
HUBERT AIWANGER: Ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die CSU eine Liste führt.
Und was glauben Sie, wer da vorne liegt?
Ich beobachte das nicht.

Wie schaffen Sie es eigentlich, das Wirtschaftsministerium zu führen, wenn Sie auf bis zu vier Demonstrationen pro Tag sind?
Das war nur am Auftakttag so: Da hat es mehrere Proteste gegeben. Aber wenn der wirtschaftliche Mittelstand auf die Straße geht, muss der Wirtschaftsminister bei den Leuten sein. Er kann nicht im warmen Büro sitzen, wenn sich draußen Vertreter der Branchen, für die er arbeitet, die Füße abfrieren. Er muss Ansprechpartner sein und ihre Themen aufnehmen. Außerdem sind viele dieser Termine am Wochenende. Ich glaube: Würde ich in den Urlaub fahren, wäre das für manche nicht so schlimm wie meine Demo-Teilnahmen. Wer mich kritisiert, will mich nur dort weghaben, wo momentan der Brennpunkt der Aufmerksamkeit liegt.
"Nichts Neues": Hubert Aiwanger reagiert auf Angriffe anderer Politiker
Auf manchen Bauernprotesten wird schon mal unwidersprochen gefordert, man müsse die Ampel-Regierung loswerden, "egal wie" - oder es werden Journalisten als "Lügenpresse" beschimpft. Stört Sie das nicht?
Das habe ich so nicht gehört. Wie gesagt: Es muss demokratisch zugehen, alles muss auf dem Boden des Rechtsstaates sein – und in der politischen Mitte. Aber als Theo Waigel vor kurzem sagte, er werde "alles dafür tun", dass Hubert Aiwanger nicht in den Bundestag kommt, wollte ich auch nachfragen, was er mit "alles" genau meint.
Der CSU-Ehrenvorsitzende hat das gesagt, weil er Sie für einen Populisten hält. Der Philosoph Michel Friedman sagt sogar, Sie hätten AfD-Niveau und würden Gift verspritzen.
Das zeigt, dass ich meinen politischen Mitbewerbern ein Dorn im Auge bin. Diese Angriffe sind nichts Neues. Aber hätte ich dasselbe gesagt wie Herr Waigel, hätte das Wellen geschlagen. Jeder sollte vor der eigenen Tür kehren.
Freie-Wähler-Chef Aiwanger: "Mich freut es, wenn die CSU auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist"
Die CSU-Fraktion hat gerade einen "Zukunftspakt für den ländlichen Raum" vorgestellt - zusammen mit den Chefs von Bauernverband, Hotel- und Gaststättenverband, Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer. Ist das eine Anti-Aiwanger-Aktion?
Das kann so gemeint sein, zeigt aber, wie wichtig es ist, als Freie Wähler diese Themen zu besetzen. Das Thema ländlicher Raum hat uns mit in den Landtag getragen. Dass die CSU auf diesem Themenfeld versagt hatte, hat mit dazu geführt, dass wir so stark geworden sind. Die CSU hat damals die Metropolstrategie gefahren: Alles muss nach München gehen, Ostbayern soll sich in Richtung Tschechien orientieren, war damals die Ansage. Dabei schadet es auch den Städten, wenn sie überhitzt werden und keine bezahlbare Wohnung mehr zu finden ist, während das Land ausblutet und die Dörfer leer werden. Mich freut es, wenn die CSU jetzt – auch durch den Einfluss der Freien Wähler – auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt ist.
Bayernweit haben wütende Bauern am Mittwoch die Zufahrt zu den Autobahnen blockiert – und etliche Menschen auf dem Weg zur Arbeit mit ihren Traktoren ausgebremst. Finden Sie das okay?
Die Bauern sind in einer Existenzkrise und rufen nach einer vernünftigen Politik. Proteste müssen dabei aber im Rahmen von Recht und Gesetzen sein.
Proteste gegen rechts: Linke Gruppierungen haben zu Demos aufgerufen
Waren Sie eigentlich schon auf einer der Demos gegen Rechtsextremismus?
Losgegangen ist es ja mit der Demo "gegen rechts" in München, bei der eine angeblich linksextreme Aktivistin Versammlungsleiterin war, die unter anderem mit dem Satz zitiert wird: "Wir müssen dieses verf... System stürzen." Einladende Gruppen waren auch solche, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, das habe ich kritisiert. Parteien wie CSU und FDP wurden dann auf der Veranstaltung als Nazis bezeichnet. Ich bin der Meinung: Es muss um einen breiten gesellschaftlichen Konsens gegen Extremismus jeder Art gehen. Wenn es heißt "gegen rechts", meinen viele von Linksaußen offenbar die politische Mitte.
Sie werfen gerade 200.000 Menschen in München vor, linke Extremisten zu sein.
Unsinn. So wird einem das Wort im Munde umgedreht. Ich habe ja gerade erklärt, was passiert ist. Gruppen von Antifa bis Linksjugend, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, haben zum Protest aufgerufen. Das war ja offensichtlich der Fall. Inklusive der Band, die aufgetreten ist und angeblich alle Parteien mitsamt Union und FDP als Nazis bezeichnet hat. Ich erwarte, dass man sich von solchen Leuten distanziert, und das findet kaum statt. Man stelle sich vor, ein Rechtsextremist wäre Versammlungsleiter bei einer Mittelstandsdemo und eine rechtsextremistische Band würde dort auftreten. Was gäbe das zu Recht für einen Aufschrei!
Einige Ihrer Fraktionskollegen waren auf diesen Demonstrationen. Was sagen Sie denen?
Natürlich ist man in dem Zwiespalt hinzugehen oder nicht, das muss am Ende jeder selbst einschätzen. Geht man zu Demos, an denen Extremisten teilnehmen, zum Beispiel auch radikale Palästinensergruppen, kommt man vielleicht genauso in die Bredouille, wie wenn einem vorgeworfen wird, an den Demos nicht teilzunehmen. Egal, wie man's macht, es kann kritisiert werden. Unsere Gesellschaft muss endlich wieder raus aus dieser Spirale der Polarisierung und wir müssen die Alltagsprobleme der Menschen lösen.
Hubert Aiwanger über die Bundesregierung: "Ampelregierung setzt aufs Überwintern"
Etwas völlig anderes: Es vergeht beinahe kein Tag, an dem CSU-Chef Markus Söder nicht Neuwahlen auf Bundesebene fordert. Von Ihnen hört man nichts dergleichen. Warum nicht?
Es wäre dringend nötig, dass die Ampel abgelöst wird. Aber man sieht ja, dass die aufs Überwintern setzen. Selbst wenn ich jeden Tag fordere, dass sie zurücktreten müssten, hat das momentan keine Aussicht auf Erfolg.
Über den ländlichen Raum haben wir bereits gesprochen. Die Grünen in Bayern stellen sich mit ihrer neuen Vorsitzenden Gisela Sengl nun "ländlicher" auf. Wie werden Sie reagieren?
Ich wünsche mir zunächst einmal, dass die Grünen wieder in der Realpolitik ankommen, was die Landwirtschaft, den Wolf und so weiter betrifft. In Berlin wird ein Waldgesetz diskutiert, mit dem man seitens Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir massiv in die Bewirtschaftung der Wälder eingreifen will. Die verschärfen ständig die Bedingungen für die Land- und Forstwirtschaft. Ich würde unterstützen, dass hier wieder eine landwirtschaftsfreundlichere Politik kommt, und wäre um jeden Mitstreiter froh.