Rente mit 63 oder mit 61 - was ist dran?
Warum die Reform in der Tat einen noch zeitigeren Ruhestand möglich macht
BERLIN Über die Rente mit 63 wird seit Monaten heftig diskutiert – zuletzt auch darüber, dass sie de facto für viele sogar eine Rente mit 61 bedeuten kann. Die AZ erklärt, was das heißt, für den Einzelnen, aber auch für die Sozialkassen und damit für alle.
Wieso denn jetzt Rente mit 61? Der Effekt entsteht durch die – eher unbeabsichtigte – Kombination zweier Sozialreformen. Erstens: Bei der Abmilderung der Hartz-IV-Reformen wurde 2008 eingeführt, dass ältere Arbeitslose zwei Jahre lang Arbeitslosengeld I beziehen dürfen, damit sie nicht so schnell ins niedrigere Hartz IV rutschen und dann außerdem ihr Gespartes angreifen müssen. Beim Arbeitslosengeld I bekommt man in der Regel 60 Prozent des letzten Netto-Einkommens. Das nehmen viele zwei Jahre lang in Kauf, vor allem, wenn es ihre an Frührente interessierten Arbeitgeber durch Zuschüsse aufstocken. Die zweite Sozialreform ist eben Nahles’ Rentenpaket: Sie will Arbeitslosengeld-I-Zeiten unbegrenzt mitrechnen, wenn es um die nötigen 45 Jahre geht. Ergebnis: Ein 61-Jähriger kann sich arbeitslos melden, zwei Jahre Arbeitslosengeld I beziehen und dann mit 63 abschlagfrei ins Rentensystem wechseln (lesen Sie hier, wie viele Rentner künftig mit 63 in Rente gehen können).
Hat er dadurch Einbußen? Nur geringfügige. Ein Durchschnittsverdiener mit 45 Jahren Beitragszeit bekäme ab 63 aktuell 1270 Euro Rente. Meldet er sich zwei Jahre vor Rentenbeginn arbeitslos, schmälert das die späteren Rente um elf Euro pro Monat, er bekommt also 1259 Euro. Das liegt daran, dass er in den zwei Jahren nicht mehr auf sein altes Gehalt die vollen Rentenbeiträge zahlt, sondern der Staat die niedrigeren Pflichtbeiträge überweist. In den zwei Jahren bekommt er monatlich 1070 Euro Arbeitslosengeld I – er hat also in dieser Phase eine Lücke von rund 200 Euro im Vergleich zum Rentnerdasein.
Lesen Sie hier: Ohne Abzüge in den Ruhestand - das bringen 45 Jahre
Wo ist der Haken? Es kommt darauf an, wie scharf das Arbeitsamt hinschaut. Kommt es zu dem Schluss, dass jemand seine Arbeitslosigkeit „vorwerfbar herbeigeführt“ hat, kann es das Arbeitslosengeld I und die Schutzphase vor Hartz IV drastisch kürzen, ebenso die weitergezahlten Rentenbeiträge (was dann die spätere Rente mindert). Und: Schon wenn ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der regulären Kündigungsfrist, aber mit Abfindung beendet wird (bei vielen Älteren der Fall), müssen die Arbeitslosen je nach Höhe der Abfindung einen Großteil ihrer Krankenkassenbeiträge selbst bezahlen.
Was wird geplant? Vor gut 20 Jahren haben viele Firmen das Instrument Frührente genutzt, um auf Kosten der Sozialkassen ihre älteren Arbeitnehmer loszuwerden. Ein ähnlicher Effekt wird auch jetzt erwartet. Dazu kommt das Thema Fachkräftemangel: Viele Arbeitnehmer könnten das Modell auch von sich aus für eine attraktive Lösung halten – dann fehlen sie mit ihrer Erfahrung ihren Firmen und ihre Beiträge den Sozialkassen. Deswegen wird über Instrumente nachgedacht, die Rente mit 61 doch noch zu verhindern. Die Union schlägt vor, dass nur Zeiten der Arbeitslosigkeit vor Januar 2014 mitgerechnet werden dürfen. Im Gespräch sind auch Strafzahlungen für Arbeitgeber, wie es sie bis 2006 gab: Sie mussten das Arbeitslosengeld und sämtliche Sozialbeiträge für die Entlassenen dem Staat erstatten.
Mehr Informationen auf der AZ-Themenseite finden Sie hier