Putin und Steinmeier: Zwei, die sich mögen
Es gibt ein Foto, das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Problem wird. Es zeigt ihn bei einer beinahe zärtlichen Begrüßung mit Russlands ewigem Außenminister Sergei Lawrow. Im Vorbeigehen berührt Lawrows Hand den oberen Arm des sitzenden Steinmeiers, der wiederum sanft nach Lawrows Sakko-Ärmel greift.
Muss das Gewissen der Nation nicht selbst ein schlechtes Gewissen haben?
Das Bild ist auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2016 entstanden. Das war zwei Jahre, nachdem Russland sich die Halbinsel Krim einverleibt und im Donbass im Osten der Ukraine Separatisten von der Kette gelassen hatte. Steinmeier war Außenminister.
Heute ist er Bundespräsident - von Amts wegen sollte er das moralische Gewissen der Nation sein und über dem rauen Streit der täglichen Politik stehen. Aber seit dem russischen Überfall auf die Ukraine drängt sich die Frage auf, ob das Gewissen der Nation nicht selbst ein schlechtes Gewissen haben muss.
Steinmeier hat in den vergangenen Jahren vieles gesagt, was heute als hoffnungslos gutgläubig erscheint. Es war ebenfalls im Jahr 2016, als Steinmeier in seiner Funktion als Außenminister die Nato vor Säbelrasseln im Osten warnte. Anlass war ein Manöver der Allianz an ihrer Ostflanke.
In der Rückschau hätten vielleicht Panzerparaden des Westens Wladimir Putin abhalten können, der nur die Sprache der Härte versteht. Im selben Jahr hielt Steinmeier an der Universität von Jekaterinburg eine Rede. "Aber all das", setzte er an und meinte die Besetzung der Krim, "ist kein Grund, einander den Rücken zu kehren. Im Gegenteil: Es ist umso mehr Grund, alle Anstrengungen darauf zu richten, sich nicht zu verlieren oder gar zu entfremden (...)."
Steinmeier: "Haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat"
Der russische Präsident hatte sich zu dieser Zeit schon davon verabschiedet, eine Zukunft an der Seite des Westens zu suchen. Als Putin die Ukraine überfiel, stürzte das Russlandbild Steinmeiers zusammen. Er verurteilte den Angriff und rief dem zu, den er so lange kennt, seine Soldaten zurückzuziehen.
Fast sechs Wochen später wird immer noch gemordet. Der Bundespräsident hatte sich getäuscht. "Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler", sagt Steinmeier nun. "Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben."
Seine Einschätzung sei gewesen, dass Putin nicht den wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. "Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt."