Politik per Urteil: Immer öfter mischt das Verfassungsgericht bei Entscheidungen mit

Heizgesetz, Nachtragshaushalt, Wahlrecht: Die Verfassungsorgane zeigen sich streitlustig – seit dem Ampel-Start.
Stefan Lage |
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Der Heizungs-Kläger: Thomas Heilmann von der CDU.
Der Heizungs-Kläger: Thomas Heilmann von der CDU. © picture alliance/dpa

Berlin - Treffen zwischen der Politik und Angehörigen des Bundesverfassungsgerichts sind über die Jahre zu einer Tradition geworden. Man ist unter sich und kann allerlei Themen besprechen. Zuletzt waren dabei, berichten übereinstimmend Teilnehmer aus den Bundestagsfraktionen, durchaus kritische Bemerkungen der Richterschaft zu hören. 

Es gebe immer öfter Klagen der Verfassungsorgane, allen voran des Bundestages, hieß es. Die Beschwerde des CDU-Politikers Thomas Heilmann gegen die Eile beim Gebäudeenergiegesetz ist dabei nur der letzte Akt in einer Reihe von Streitschlichtungen, die nicht mehr im Parlament, sondern in Karlsruhe ausgetragen werden.

Einige Parteien scheinen gerne zu klagen

Die Union erweckt gerade den Eindruck einer ausgeprägten Klagefreudigkeit. Heizungsgesetz, Nachtragshaushalt, Wahlrecht, die Ablehnung eines Untersuchungsausschusses zur Affäre um die Warburg-Bank – das sind nur die jüngsten Beispiele.

Doch nicht nur CDU und CSU treiben sogenannte Organstreitverfahren voran, die anderen Parteien machen von ihrem Recht ebenfalls fleißig Gebrauch. Immer wiederkehrende Themen: die Rechtsstellung von Fraktionen und Abgeordneten, die Parteienfinanzierung, die Zulässigkeit von Sperrklauseln oder auch die Informationsrechte des Bundestags in EU-Angelegenheiten. Meist begleitet von der Kritik, es gebe viel zu wenig Beratungszeit.

Bereits im März hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas das Kanzleramt und die Spitzen der drei Koalitionsfraktionen ermahnt, dem Parlament die erforderliche Zeit für die Beratung über Gesetzgebungsverfahren zu geben. Die SPD-Politikerin warnte vor einem Schaden für die Demokratie durch zu viele Eilverfahren, ließ den Worten aber offenbar keine Taten folgen.

Fraktionen könnten auch ohne Klagen Einfluss nehmen

Auf die Beratungen im Bundestag lässt sich beispielsweise über die Aufsetzung der Tagesordnung Einfluss nehmen. Ein noch nicht abstimmungsreifes Gesetz taucht dann eben gar nicht erst auf. Frühere Bundestagspräsidenten wie Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble (beide CDU) waren da Meister ihres Fachs.

Daneben haben vor allem die Fraktionsvorsitzenden sowie die parlamentarischen Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Legendär, wegen ihrer Rigorosität teilweise geradezu berüchtigt, sind die Amtsführungen von Peter Struck (SPD) und Volker Kauder (CDU).

Aktuell vermitteln die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hingegen den Eindruck, dass kaum jemand Führung übernehmen mag.

CSU-Rechtsexperte fordert wieder mehr ordnungsgemäße Verfahren

Der CSU-Rechtsexperte Volker Ullrich forderte nach dem Heilmann-Urteil "wieder mehr Respekt vor dem Parlament und ordnungsgemäßen Verfahren, damit das Vertrauen in die Institutionen nicht erodiert, sondern wieder gestärkt wird".

Der Beschwerdeführer schlug ähnliche Töne an. "Es geht nicht um mich, sondern darum, dass der Bundestag ein Gesetz ordnungsgemäß beschließt", sagte Heilmann. Den Verfahren des Bundestags habe es bereits in der letzten Legislatur an ausreichender Sorgfalt gemangelt, ergänzte der CDU-Politiker.

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Das Bundesverfassungsgericht muss über Heilmanns Klage im Hauptsacheverfahren noch endgültig entscheiden und will dafür prüfen, ob "sich die durch die Parlamentsmehrheit gewählte Verfahrensgestaltung als eine rechtsmissbräuchliche Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens darstellt".

Fehlerhaftes Handeln führt zu Ansehensverlust in der Bevölkerung

Dass Karlsruhe überhaupt nur diesen Verdacht äußert und womöglich die anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Blick hat, ist eine schallende Ohrfeige für das Regierungsbündnis.

Parlamentarische Verfahren sollten über jeden Verdacht erhaben sein. Anderenfalls leidet das Ansehen in der Bevölkerung und es wird denen Vorschub geleistet, die Politik als große Lüge darstellen. Ausreden gibt es keine. Die nötigen Mittel dazu sind üppig vorhanden. Es fehlen allein der Wille und die Erfahrung, sie richtig einzusetzen.

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