Pegida ist zurück auf der rechten Überholspur

In der Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin erwähnt zu werden, auch vom Bundespräsidenten, vom Vizekanzler, von Ministern, dann gleich mit so knackigen, journalistisch bestens verwendbaren Vokabeln wie ,Pack‘ und ,Ratten‘ “ – Für den Dresdner Politologen Werner J. Patzelt (siehe unten) ist Pegida eine der erfolgreichsten politischen Bewegungen der vergangenen Jahre, nicht zuletzt dieser Beachtung wegen, die negativ gemeint war, aber von höchsten Stellen kommend ihre Wirkung nicht verfehlte.
Als Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Neujahrsansprache von eben diesem Hass in den Herzen spricht, ist die Bewegung der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ gerade einmal zweieinhalb Monate alt. Anfangs nur wenige hundert, brachte sie damals bei ihrem letzten „Abendspaziergang“ durch die Dresdner Altstadt schon 17 500 Menschen auf die Straße, um gegen eine angebliche Überfremdung zu protestieren.
„Die Medien und die Politik haben uns auch in die Karten gespielt“, meint René Jahn, der damals zusammen mit Lutz Bachmann damals im Orga-Team war. „In der Außendarstellung war Pegida von Anfang an islamfeindlich.“
Und die Bewegung hatte Erfolg: Mehr als 25 000 Demonstranten sind es am 12. Januar. Der absolute Höhepunkt. Kurz darauf muss eine Demo wegen Terrordrohungen gegen Bachmann abgesagt werden. Als seine kriminelle Vergangenheit bekannt wurde, kündigt Bachmann seinen Rückzug an – und hält sich nicht an sein Wort. „Der Lutz hatte ja gesagt, er geht raus. Und dann kam aber die Rolle rückwärts“, sagt Jahn. Er und fünf weitere Orga-Teammitglieder verlassen die Pegida-Führung. Mit Kathrin Oertel an der Spitze versuchen sie sich als gemäßigte Alternative im Verein Direkte Demokratie für Europa (DDfE), der allerdings kaum Zuspruch findet. Auch bei Pegida geht die Zahl der Demoteilnehmer in der Folge stark zurück.
Für Frank Richter, den Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, setzt nach der Spaltung eine Stabilisierungs- und Radikalisierungsphase ein. „Zwei Hauptthemen kristallisierten sich heraus, nämlich Asylfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit“, sagt Richter. „Wie diese Themen vorgetragen werden, hat oft hetzerischen Charakter.“
„Die letzten Monate haben dem Ruf Dresdens geschadet"
„Die Radikalisierung ist gefährlich“, sagt Richter auch mit Blick auf die im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise wieder steigende Zahl der Pegida-Anhänger. „Gleichwohl beteiligen sich nach wie vor Menschen, die Gewalt ablehnen und die ernste Sorgen und elementar wichtige politische Fragen auf die Straße tragen.“ Die Zahl der Demonstranten steigt kontinuierlich in den letzten Wochen. Am vergangenen Montag waren es rund 9000.
Dresdens OB Dirk Hilbert (FDP) will seine Stadt nicht auf Pegida reduziert sehen. „Natürlich haben die letzten Monate dem Ruf Dresdens einen Schaden zugefügt“, sagt er. Wie groß dieser Schaden sei, werde sich erst in den kommenden Monate und Jahren zeigen. Sein Amt hat er auch mit dem Ziel angetreten, die gespaltene Bürgerschaft zu einen. „Dies ist kein leichtes Vorhaben und schon gar keines, welches schnell umsetzbar ist.“ Es müsse gelingen, die Menschen wieder in die politischen Prozesse einzubinden.
Peinlicher Rechtschreibfehler: Pegida trägt Galgen für Merkel und Gabriel durch Dresden
Politologe warnt vor Radikalisierung
Politikwissenschaftler der TU Dresden haben vor dem Jahrestag der ersten Pegida-Kundgebung vor einer weiteren Radikalisierung durch das fremdenfeindliche Bündnis gewarnt. Wenn es nicht gelinge, die „halbwegs Vernünftigen“ wieder für die staatstragenden Parteien zu gewinnen, „dann züchten wir eine vom Rest des politischen Systems abgekoppelte Protestbewegung heran und haben eines Tages genau die rechtspopulistische Partei, die wir nie haben wollten“, erklärt der Politologe Werner J. Patzelt am Freitag.
Sein Professoren-Kollege Hans Vorländer sagt, Pegida habe das Land gespalten „und gezeigt, dass Teile des hiesigen politischen Establishments große Probleme haben, damit umzugehen.“ Angesichts der Flüchtlingsproblematik werde sich in diesen Wochen herausstellen, ob in Ostdeutschland und insbesondere in Thüringen und Sachsen so etwas wie eine rechtspopulistische Grundströmung entstehe, „die dann in irgendeiner Weise über den Status einer Bewegung hinaus in den politischen Raum hineinstrahlt“. Er sprach von einer „entscheidenden Phase“.