Papst geht auf Homosexuelle zu: Ein neues Klima
München - Vorboten einer Revolution oder alter Wein in neuen Schläuchen? Die Worte des Papstes zur Homosexualität sorgen für mächtige Aufregung: Bei Gläubigen, bei Homosexuellen und bei Gläubigen unter Homosexuellen. Die „romantische Begeisterung“ über den neuen Papst ist manchen in der Amtskirche schon fast ein wenig unheimlich.
„Wenn jemand homosexuell ist und den Herrn sucht, wer bin ich, über ihn zu urteilen?“, hatte Franziskus auf der Rückreise von Brasilien gesagt. „Diese Bemerkungen lassen aufhorchen,“ sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle gestern. Vielleicht ist das der Beginn einer Diskussion, so der Minister. „Ist das der Beginn einer kopernikanischen Wende in der katholischen Kirche?“, fragte Volker Beck, Grünen-Geschäftsführer im Bundestag.
"Der Papst sagt nichts Revolutionäres“, meint der schwule Theologe David Berger: „Das steht schon lange so im Katechismus“. Er fühle sich aber weiter ausgegrenzt. „Wir sollten nicht mit Verbotsethik zu den Menschen gehen“, sagt Münchens Kardinal Reinhard Marx. Und kritische Fachleute betonen: Im Grunde habe der Papst „nichts Neues gesagt“.
Das stimmt, sagt Rainer Maria Schiessler, Stadtpfarrer von St. Maximilian: „Es klingt aber anders.“ Bisher habe in Teilen der Amtskirche gegenüber Schwulen „ein Klima der Verurteilung“ geherrscht: Homosexuelle seien als krank, als keine vollwertigen Menschen behandelt worden. Schiessler zur AZ: „Wenn dieser fade Beigeschmack weggeht, dann haben wir schon viel gewonnen.“
Auch von evangelischer Seite in München erntet Franziskus verhaltenes Lob: „Es spricht für diesen Papst, dass er den Menschen sucht und nicht das Dogma“ , sagt Heike Immel der AZ. Die Pfarrerin begleitet in der Dankeskirche von Milbertshofen die Gruppe „Lesben und Kirche“. Selbst der Aussage von Franziskus zur Frauen-Ordination („Diese Tür ist geschlossen“) kann Pfarrerin Immel Positives abgewinnen: „Immerhin spricht er von einer Tür und nicht von einer Mauer“, sagt sie: „Und da kann man ja mal nach einem Schlüssel suchen oder anklopfen.“
In Münchner Kirchenkreisen werden über die „fast schon romantische Begeisterung“ für Franziskus die Hände gerungen: „Hoffentlich werden da nicht Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden können.“
Anfang Oktober wird Münchens Kardinal Reinhard Marx nach Rom reisen. Dort wird er sich erstmals mit den anderen sieben Kardinälen treffen, mit denen Franziskus Reformen in der Kirche anstoßen will: „Er freut sich drauf“, sagt Ordinariatssprecher Bernhard Kellner. Derzeit ist der Kardinal in Urlaub.