100 Tage Papst Franziskus
Der neue Papst Franziskus begeistert die Massen mit seiner Offenheit, seiner Lockerheit und seiner Volksnähe. Eine Bilanz der ersten 100 Tage.
Rom - Premieren durchziehen seine bisherige Amtszeit: Er ist der erste Jesuit, der auf dem Stuhl Petri sitzt, er ist der erste Südamerikaner, der zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde. Am Freitag ist Papst Franziskus genau 100 Tage im Amt.
Es war der 13. März, als um 19.05 Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufstieg, eine Stunde später stand der Argentinier Jorge Mario Bergoglio als Papst Franziskus auf dem Balkon. Ein lockeres „Buona sera“ waren seine ersten päpstlichen Worte für die Tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz.
Sein Erscheinungsbild ließ da schon erahnen, dass dieser Papst etwas anderes vorhat und worauf der Fokus seiner Amtszeit liegt. Doch trotz seiner Offenheit – ein Rebell ist er nicht. Er verzichtete von Beginn an auf päpstlichen Prunk, trägt nur die weiße Soutane. Statt der roten Papst-Treter zieht er lieber schwarze Straßenschuhe an. Das Kreuz um den Hals ist aus schlichtem Eisen. Demut und das Bekenntnis zur Armut sind seine zentralen Motive: Er wohnt nicht, wie seine Vorgänger, im Apostolischen Palast, sondern im Gästehaus. Er verzichtet auf Limousinen und fährt lieber Bus. Die Armut gehörte schon früher zum Alltag des ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires.
Er sucht den Kontakt zu den einfachen Menschen. Küsse für Kinder und behinderte Menschen gehören dazu, die Schweizergarde musste sich erst auf so einen volksnahen Papst einstellen. Besonders streng konservative Katholiken waren entsetzt, als Franziskus zu Ostern jugendlichen Strafgefangenen – darunter sogar eine Muslimin – die Füße wusch. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, allerdings sieht darin die Botschaft des Papstes: „Wir sollten an die Ränder der Gesellschaft gehen.“
Auch in politischen Fragen hat Franziskus eine Meinung: Er kritisiert öffentlich das Finanzsystem und Geldverschwendung, Sätze wie „Geld muss dienen, nicht herrschen“ oder „Jesus hatte auch kein Konto“ sind da zu hören.
Und wie sieht seine Arbeit innerhalb des Vatikans aus? Sein Vorgänger Benedikt XVI. hinterließ ihm die Folgen der Vatileaks-Affäre. Franziskus will jetzt eine Reform der römischen Kurie. Dazu berief er acht Kardinäle, darunter auch den Münchner Erzbischofs Reinhard Marx, die eine Neuerung anschieben sollen. „Ich selbst bin sehr unorganisiert, aber die damit beauftragten Kardinäle bringen das voran.“ Bonizahlungen für Kardinäle und Sonderzahlungen Vatikanangestellte wurden gestrichen. Jüngst soll Franziskus offen eine „Schwulen-Lobby“ innerhalb des Vatikans angeprangert haben.
Bei der Ökumene öffnet sich das geistliche Oberhaupt. Noch vor den katholischen Bischöfen empfing er den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirchen in Deutschland, Nikolaus Schneider. Und erst am Mittwoch betete er mit einem evangelischen Pfarrer.
Benedikt war ein intelligenter Theologe und Theoretiker. Auch wenn Franziskus spontaner, unkonventioneller und praxisnäher erscheint – in dogmatischen Fragen sind beide konservativ. Eine Glaubens-Enzyklika, die Benedikt anfing, will Franziskus beenden. Er fordert Gehorsam von den Ordensfrauen, eine weibliche Priesterweihe ist kein Thema. Auch in Sachen Verhütung, Zölibat oder Abtreibung ist keine Lockerung zu erwarten.
Dennoch: Der Argentinier hat in den ersten 100 Tagen viele Hoffnungen geweckt. Für große Veränderungen ist seine Amtszeit aber noch zu kurz. Zollitsch drückt es so aus: „Wir dürfen den Heiligen Vater nicht mit unseren Erwartungen oder mit den Erwartungen der Öffentlichkeit überfrachten.“