Nebenjobs: So befangen sind unsere Abgeordneten

Rund ein Viertel der Parlamentarier verdient nebenbei etwas hinzu. In vielen Fällen führe das zu Interessenskonflikten, kritisiert eine neue Studie.
von  Tobias Wolf
Haben problematische Nebentätigkeiten: Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, Mittelständler Hans Michelbach, Urgestein Hans-Peter Uhl, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Abgeordneter Volkmar Vogel oder Energieexperte Thomas Bareiß. Doch sie sind nicht die einzigen.
Haben problematische Nebentätigkeiten: Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, Mittelständler Hans Michelbach, Urgestein Hans-Peter Uhl, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Abgeordneter Volkmar Vogel oder Energieexperte Thomas Bareiß. Doch sie sind nicht die einzigen. © dpa,privat

Berlin - Wie unabhängig ist ein Abgeordneter, der bei einem Unternehmen auf der Gehaltsliste steht? Eine aktuelle Studie von Transparency International Deutschland führt mehr als 100 Fälle auf, in denen die Nebentätigkeiten von Parlamentariern zu Interessenkonflikten führen könnten.

"Durch nebenberufliche Tätigkeiten können Interessenkonflikte entstehen, und die Frage kommt auf: Handeln die Abgeordneten im Auftrag der Wählerinnen und Wähler oder gehen sie ihren nebenberuflichen Interessen nach?", schreiben die Studien-Autoren und listen einige Beispiele auf: Hans-Peter Uhl (CSU) berät als Rechtsanwalt Unternehmen und Investoren und hat damit laut Transparenzorganisation "abgeordnetewatch.de" in dieser Legislaturperiode mindestens 271 000 Euro nebenbei verdient.

"Da jedoch nicht klar ist, wer seine Klienten sind und ob sich darunter Rüstungsfirmen befinden, birgt seine Tätigkeit als Obmann des Untersuchungsausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle einen potenziellen Interessenkonflikt", heißt es in der Studie.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lässt sich der Transparenzplattform zufolge als Aufsichtsratsmitglied des Steinkohlekonzerns Rag AG mit 30 000 bis 50 000 Euro im Jahr bezahlen. "Hier ergeben sich mögliche Interessenkonflikte, wenn im Bundestag über Kohlesubventionen abgestimmt wird", schreiben die Transparency-Autoren. Die Liste an Nebenjobs des ehemaligen Verkehrsministers Peter Ramsauers (CSU) ist lang: Strategieberatung, Unternehmensbeirat, Verwaltungsrat. Im Bundestag ist Ramsauer Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie – ein potenzieller Interessenkonflikt liege somit auf der Hand.

Auffällig: Rund ein Drittel der Abgeordneten aus der Union

Der CDU-Abgeordnete Volkmar Vogel ist Mitglied des Fachbeirates beim Baustoffriesen Rockwool und kassiert laut abgeordnetewatch.de dafür jährlich bis zu 30 000 Euro. Als Parlamentarier setzte sich Vogel laut Spiegel für die finanzielle Aufstockung des Gebäudesanierungsprogramms der Bundesregierung ein – "wovon am Ende auch Rockwool profitiert haben dürfte", kritisieren die Studien-Autoren. In den Gremien des Unternehmens sitzen auch der SPD-Politiker Johannes Kahrs und sein CDU-Kollege Thomas Bareiß. Sie erhielten ebenfalls bis zu 30 000 Euro im Jahr.

Lesen Sie auch: "Neue Bauernregeln" sorgen für mächtig Ärger

Hans Michelbach (CSU) ist Inhaber der MIBEG Unternehmensgruppe und zugleich Mitglied des Finanzausschusses Damit sei er befangen, wenn es im Ausschuss um Themen wie Unternehmens- oder Erbschaftssteuer geht. Ulla Schmidt (SPD), Ex-Gesundheitsministerin und Bundestags-Vizepräsidentin, kassiert laut abgeordnetewatch.de als Verwaltungsratsmitglied des Schweizer Pharmakonzerns Siegfried Holding bis zu 150 000 Euro jährlich. Die Firma ist auch in Deutschland tätig. Somit könnte es bei Gesundheitsthemen zu Interessenskonflikten kommen.

Und auch bei dem Grünen-Abgeordneten Peter Meiwald könnte es zu Interessenskonflikten kommen. Denn er sitzt im Aufsichtsrat des Energieversorgers EWE AG und erhalte dafür bis zu 30 000 Euro im Jahr. Zugleich ist er im Bundestag der Obmann seiner Fraktion für den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

Besonders auffällig an der Studie: Von den 105 Fällen stammt rund ein Drittel aus der Union. Dass problematische Nebenjobs der Volksvertreter nicht für jede Bürgerin und jeden Bürger ersichtlich sind, liegt laut abgeordnetenwatch.de vor allem an den unzureichenden Transparenzregeln.

"Wenn Rechtsanwälte und Unternehmensberater nicht einmal die Branche ihrer Mandanten nennen müssen, bleibt vollkommen im Dunkeln, ob sie im Bundestag an Gesetzen beteiligt sind, von denen auch ihre Geldgeber profitieren", erklärt Lobby-Gegnerin Marthe Ruddat.

Die Transparenzplattform fordert deshalb:

  • die Offenlegung aller Geldgeber der Abgeordneten, 
  • die Komplett-Offenlegung sämtlicher Nebeneinkünfte,
  • die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.