Nach Weihnachts-Verbot: Lisesi-Schule rudert zurück

Die Schulleitung der deutsch-türkischen Elite-Schule in Istanbul rudert zurück. Das christliche Fest darf nun doch im Unterricht behandelt werden.
von  Verena Lehner
Ein Sicherheitsbeamter schließt das Tor zur Lisesi-Schule. Eine Anweisung der Schulleitung an die Lehrer hat am Wochenende hohe Wellen geschlagen.
Ein Sicherheitsbeamter schließt das Tor zur Lisesi-Schule. Eine Anweisung der Schulleitung an die Lehrer hat am Wochenende hohe Wellen geschlagen. © dpa

München - Das Istanbul Lisesi ist durch die Deutsche Abteilung sowohl staatliche Schule als auch deutsche Auslandsschule. Dieser Doppelcharakter wird im Schulprogramm und in der täglichen pädagogischen Arbeit deutlich. Insofern unterstützt die Deutsche Abteilung am Istanbul Lisesi als deutsch-türkische Begegnungsschule die Ziele der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.“

Mit diesen Sätzen beginnt die Info-Broschüre des deutsch-türkischen Lisesi-Gymnasiums in Istanbul. Doch am Wochenende ist diese Schule ihrem Ruf einer „deutsch-türkischen Begegnungsschule“ nicht wirklich gerecht geworden. Das Verbot, Weihnachten im Unterricht zu behandeln, hat hohe Wellen geschlagen.

Von deutschen Politikern hagelte es Kritik. So warf stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Unsouveränität vor. "Wer glaubt, andere Kulturen abschotten zu können, der erlässt Denkverbote.“

Eine scharfe Reaktion der Bundesregierung ist ausgeblieben

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, offensichtlich habe sich Erdogan in den Kopf gesetzt, „auch die letzten Reste an religiöser und ethnischer Vielfalt gründlich auszumerzen, wenn er sich selbst von harmlosen Weihnachtsliedern in seiner Herrschaft bedroht fühlt“. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach verlangte eine scharfe Reaktion der Bundesregierung. Das Verbot sei ein weiterer Beleg dafür, dass Erdogan das Land auf einen „intoleranten, konservativ-islamischen Weg“ wolle.

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Eine scharfe Reaktion der Bundesregierung bleibt jedoch aus. Im Gegenteil. Die Bundesregierung stellt die Entsendung deutscher Lehrer an die Schule trotz der Kontroverse nicht in Frage. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagte, er gehe davon aus, dass an der traditionsreichen Schule auch in Zukunft im Unterricht über deutsche Weihnachtsbräuche gesprochen werden könne.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, der Fall eigne sich nicht als Ausgangspunkt für eine Debatte über die Türkei-Politik der Bundesregierung. Die Schule ruderte gestern schließlich dann doch zurück und teilte mit: „Nach gemeinsamer Sitzung zwischen der türkischen Schulleitung und der Leitung der Deutschen Abteilung kann ich Ihnen mitteilen, dass kein Verbot ‚Weihnachten’ im Unterricht zu besprechen vorliegt“, hieß es am Montag in einer E-Mail der deutschen Abteilungsleitung an die deutschen Lehrer. Heißt: Das christliche Fest darf nun doch im Unterricht behandelt werden.

Ein prominenter Abgeordneter der Regierungspartei AKP goß trotzdem weiter Öl ins Feuer. Der prominente Abgeordnete Mustafa Sentop warf den deutschen Lehrern „Missionierung“ vor. „Missionierung in staatlichen Schulen kann nicht erlaubt werden“, teilte der Vorsitzende der Verfassungskommission im Parlament auf Twitter mit. „Reißt euch zusammen. Das hier ist die Türkei. In einer Staatsschule kann die religiöse/politische Propaganda des deutschen Staates gegenüber Kindern dieses Landes nicht gestattet werden.“

 

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