Missbrauchsskandal: Kardinal Müller in der Kritik

Der Bericht über das Leid Hunderter Chorknaben der Regensburger Domspatzen hat für Bestürzung gesorgt. Auch Kardinal Müller steht in der Kritik.
von  dpa/AZ
Papst Franziskus hatte sich Anfang Juli von Kardinal Müller als Chef der Glaubenskongregation getrennt.
Papst Franziskus hatte sich Anfang Juli von Kardinal Müller als Chef der Glaubenskongregation getrennt. © Lena Klimkeit/dpa

Regensburg - Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung fordert eine Entschuldigung von Kardinal Gerhard Ludwig Müller wegen des Skandals um die Regensburger Domspatzen.

"Es wäre den Betroffenen zu wünschen, dass er sich wenigstens jetzt für die verschleppte Aufarbeitung entschuldigen würde", sagte Johannes-Wilhelm Rörig in der Passauer Neuen Presse (Mittwoch).

Der damalige Regensburger Bischof Müller hatte bei Bekanntwerden der Gewalttaten 2010 eine Aufarbeitung in die Wege geleitet. Diese war aber laut Abschlussbericht mit vielen Schwächen behaftet, etwa weil man nicht den Dialog mit den Opfern gesucht habe.

Unter Müller sei eine umfassende, proaktive Aufarbeitung unter Einbeziehung von Betroffenen versäumt worden, kritisierte Rörig. Dem heutigen Kardinal Müller war in den vergangenen Jahren wiederholt vorgeworfen worden, die Aufklärung behindert zu haben. Er wies die Vorwürfe stets zurück.

Kardinal Müller warnt vor einer pauschalen Verurteilung der Kirche

In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Rom warnte Müller angesichts von Missbrauchsfällen vor einer pauschalen Verurteilung der Kirche. "Es ist offensichtlich, dass die katholische Kirche bei dem Thema härter angegangen wird, dass Priester a priori verdächtigt werden", sagte der 69-Jährige.

Das Interview wurde am 10. Juli geführt und damit noch vor der Veröffentlichung des Abschlussberichts zur Aufklärung des Domspatzen-Skandals am Dienstag. Demnach wurden mindestens 547 Chorknaben Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Auf die Anfrage nach einer Reaktion auf den Bericht reagierte Müller bis Mittwochmittag nicht.

"Es gibt Geistliche - Gott sei es geklagt - die solche Verbrechen begangen haben. Aber deshalb kann man nicht die anderen, nur weil sie auch Priester sind, kollektiv verdächtigen", sagte Müller. Prozentual gesehen sei das mit Blick auf die Gesamtzahl der Geistlichen in der Welt sogar weniger als bei vergleichbaren pädagogischen Berufsgruppen. "Was die Straftat natürlich in keinster Weise entschuldigt und das Leiden der Opfer mindert."

Müller stand fünf Jahre der Glaubenskongregation im Vatikan vor, die auch für die Aufklärung von Missbrauchsfällen zuständig ist. Papst Franziskus hatte Müllers Amt Anfang Juli überraschend nicht verlängert. Müller wehrte sich gegen den Vorwurf, dass er bei der Glaubenskongregation die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen behindert habe.

Bericht mache deutlich, dass Gewalt lange als Einzelfälle behandelt worden sei

Die Organisation "Wir sind Kirche" forderte eine weitergehende Aufklärung zu möglichen Gewaltfällen innerhalb von Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Dem Abschlussbericht müssten weitere Schritte im Bistum Regensburg und in anderen Bistümern folgen. Der Bericht mache deutlich, dass Gewalt lange unter dem Aspekt des Einzelfalles behandelt worden sei, ohne die systemischen Bedingungen zu berücksichtigen, die die Taten ermöglichten.

"Auch durch Priester in der Seelsorge ausgeübte sexuelle Gewalt muss unter gleichen Bedingungen ausgewertet werden", teilte "Wir sind Kirche" mit. "Denn auch Ordinariate und kirchliche Hierarchien stellen geschlossene Systeme dar, die diese Form der Gewaltübergriffe ermöglicht und viel zu lange vertuscht haben."

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