Mindestlohn-Ausnahmen: Neuer Niedriglohn-Sektor droht
Die von der Union geforderten Ausnahmen machen den gesetzlichen Mindestlohn zum "Schweizer Käse", warnen Experten
Düsseldorf - Alarmierende Zahlen: Die von der Union geforderten Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn könnten rund zwei Millionen Menschen treffen. Das wäre weit mehr als ein Drittel der rund fünf Millionen Beschäftigten, die derzeit für weniger als 8,50 Euro pro Stunde arbeiten. Das ist das Ergebnis einer Studie der gewerkschaftsnahen Hanns-Böckler-Stiftung. Damit drohe ein neuer, drastisch vergrößerter Niedriglohnsektor, warnen die Experten.
Die Zahl bezieht sich auf Ausnahmen für Minijobber, Rentner, Schüler, Studenten und hinzuverdienende Arbeitslose. Mit den geforderten Ausnahmen würde der allgemeine Mindestlohn systematisch unterlaufen, kritisiert Tarifexperte Reinhard Bispinck. Der neu entstehende Niedriglohnsektor würde sich besonders auf die Branchen Gastgewerbe, Handel und Dienstleistungen konzentrieren. Der Mindestlohn würde so zum "Schweizer Käse".
Die Ausgrenzung ganzer Arbeitnehmergruppen würde den eigentlichen Zweck der Regelung hintertreiben, nämlich den Schutz aller abhängig Beschäftigten. Laut einer Expertise des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages könnten Ausnahmeregelungen sogar gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns 2015 mit Übergangsregeln bis Ende 2016 vereinbart. In der Union wird aber gefordert, Studenten, Rentner, Zeitungsausträger, Taxifahrer, Hilfs- und Saisonarbeiter vom geplanten Mindestlohn auszunehmen.