"Mein Hund Molly hat eine Ausbildung": Söder greift SPD und Grüne an
Passau - Es ist für Christsoziale in etwa so, als würden Weihnachten und Ostern an einem Tag gefeiert werden: Der Politische Aschermittwoch zieht auch nach der Landtagswahl, die man nicht wirklich als Erfolg für die Christsozialen werten kann, ihre Anhänger nach Passau.
Die Jankerdichte ist hoch an diesem Tag in der Dreiländerhalle. Frauen verirren sich nur wenige ich dieses "Hochamt" der CSU. Verständlich ist das, die Rituale sind auch gewöhnungsbedürftig. Der Defiliermarsch wird quasi in Dauerschleife gespielt, während die Partei sich selbst feiert – teils sogar unter blauem Discolicht.
Politischer Aschermittwoch der CSU: "Bei den Freien Wählern ist noch Platz"
Man muss aber sagen: Früher war mehr Lametta. Auch wenn Söder wie ein Osterhase bei seinem Einzug grinst. Das konnte die CSU auch schon mal frenetischer. Früher musste man vor lauter Bannern und Menschenmassen in der Passauer Nibelungenhalle stehen. Im Jahr 2024 ist alles ordentlich geplant und organisiert in der modernen Dreiländerhalle. Ein, zwei Plakate sieht man, eins mit der Gleichung "Ampel = Deindustrialisierung + Wohlstandsverlust". Und das, obwohl die CSU auf ihrer Homepage zum Politischen Aschermittwoch einen eigens generierten Banner-Generator, frei nach Stoibers Motto "Laptop und Lederhose" anbietet.
Tanja Schorer-Dremel, stellvertretende Generalsekretärin, stimmt die Menge auf eine "fulminante Rede" des Parteivorsitzenden Markus Söder ein. Gerne hätte man das erst einmal abgewartet. Bei CSU-Generalsekretär Martin Huber kann man eine gewisse Entwicklung feststellen. Er spricht zwar so schnell, wie ein Duracellhäschen läuft, aber seine Pointen sitzen heuer. "Gefühlt" seien es 10.000 Teilnehmer, tatsächlich passen 4000 Menschen hinein. Die anderen Parteien feiern eher "Stuhlkreise" und "Selbsthilfegruppen". "Bei den Freien Wählern ist noch Platz, hab ich gehört." Huber hat die Lacher auf seiner Seite und kommt gut an.
Verkehrsminister Bernreiter hat es schwer
Da hat es Christian Bernreiter deutlich schwerer. Der Bau- und Verkehrsminister schafft es nicht, den Saal auf seine Seite zu ziehen, auch wenn er von der "Südkurve der CSU" spricht. Andi Scheuer, der als CSU-Bezirksvorsitzender gechasst wurde, wird innerlich triumphieren. Schließlich war der Aschermittwoch mal so etwas wie sein "Baby", wenn man will. Scheuer wird in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr antreten, gibt sich gegenüber der AZ aber sibyllinisch, was er dann machen wolle.
Wie Aschermittwochs-Leidenschaft aussehen kann, zeigt der Passauer Landtagsabgeordnete Josef Heisl. Der Mann, laut eigener Homepage ein echter "Leberkäs-Junkie", spricht, fast mit Tränen in den Augen, von vor 22 Jahren, als er als Ordner in der Nibelungenhalle war.
Söder beim Politischen Aschermittwoch: "Heute muss man Nettes sagen. Aber nicht über die Ampel"
Mit "Tachchen, Moin Moin, Hallöchen" begrüßt Söder die irritierte Menge. Und klärt gleich auf: "So sagt man bei Grün, Rot, Gelb, das ist nichts bei uns!" Servus und Grüß Gott, so heißt das in Bayern. "Passau ist der geilste Termin des Jahres für jeden Politiker und Passau muss man können!", sagt Söder. Er kann’s offenbar.
Es sind Sätze wie dieser: "Heute ist Valentinstag, heute müsste man Nettes sagen. Aber nicht über die Ampel!" Söder stimmt darauf ein, dass Politische Korrektheit heute keine Rolle spiele, heute habe er freie Fahrt: "Ohne Kamillentee und Gebäck." Mit einem unübersehbaren Button am Janker, der Strauß ziert, spricht Söder. "Andere haben Paninialbums, wir haben Nobelpreisträger" – wie geil dieses Bundesland sei, das betont Söder viel. Und natürlich wie katastrophal im Bund regiert wird: "Lieber Bulle in Bayern als ein Rindviech in Berlin."
Söder braucht nur wenige Minuten, um auf das Grundmotto seiner Rede zu kommen: "Die Ampel muss weg". Um Mahnungen, in dieser empfindlichen und empfindsamen Zeit es etwas zurückhaltender angehen zu lassen, schert sich der CSU-Chef nicht: "Solange die Ampel regiert, wird die Wirtschaft ruiniert", dichtet er: "Sie können es einfach nicht", poltert der Regierungschef, wobei er vor allem die Grünen ins Visier nahm. Auch vor unteren Schubladen schreckt Söder unter dem Jubel der Zuhörer nicht zurück. Im Gegensatz zu SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang habe sein Hund "Molly" "eine Ausbildung, nämlich zum Schutzhund".
Bei der Schwesterpartei dürfte man mit Interesse vernommen haben, was Söder aus seiner (derzeitigen) abgrundtiefen Abneigung gegen die Grünen für die nächste Bundesregierung folgert: "Wir wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung", erklärt der CSU-Chef kategorisch: "Kein Schwarz-Grün". Für die Union wäre es nach der Ampel-Regierung wichtig, einen "glaubhaften Kurswechsel" hinzulegen, begründet Söder die Vorfestlegung. Gleichzeitig verspricht er den Schulterschluss mit der CDU und ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz: "Der Fritz und ich werden das wuppen".

Ausflüge in den platten Populismus
SPD und FDP spielen bei Söders Generalabrechnung mit der Ampel nur eine nachgeordnete Rolle. Das Kiffen erlauben wollten die Koalitionäre in Berlin deshalb so nachdrücklich, weil es das einzige sei, auf das sie sich einigen könnten, ätzt der CSU-Chef. Die Cannabis-Freigabe wolle man in der Unions-geführten Nachfolgeregierung ebenso wieder rückgängig machen wie das Heizgesetz ("absoluter Unsinn") und das Bürgergeld, welches wieder durch "die gute alte Sozialhilfe" ersetzt werden solle. Das von der Regierungskoalition verabschiedete neue Bundestagswahlrecht sei eine "echte Ampel-Sauerei".
Und weil er so schön in Fahrt ist, leistet sich Söder mehrere Ausflüge in den platten Populismus: Keine Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, macht er klar. Er verstehe nicht, warum als Tatort-Kommissare "eine verkrachte Existenz nach der anderen" vorgeführt werde. Der Unterschied zwischen Klimaklebern und protestierenden Bauern sei, dass Letztere arbeiteten. Das bayerische Essen sei "das beste der Welt". "Schweinsbraten, Schäufele, Leberkäs und natürlich Nürnberger Rostbratwürste haben in Bayern Verfassungsrang und werden geschützt", verspricht Söder. Zum Mond wolle er nicht, aber eine bayerische Flagge auf dem Erdtrabanten "würde mir gefallen, keine deutsche".
"Bayern kann ohne Deutschland leichter leben als Deutschland ohne Bayern, denn dann wäre Deutschland pleite", droht der Landesvater. Die Reibereien Bayerns mit der Ampel führt Söder darauf zurück, dass die "Ampelisten die Fleißigen nicht mögen". Man sei in Berlin neidisch auf Bayern und die CSU und missgönnten ihnen die Erfolge.
Die Ampel sei "grottenschlecht", aber "nicht unser Feind", macht Söder dann doch klar: Der Feind der Demokratie ist die AfD". Sogar Frankreichs Rechtspopulisten-Führerin Marine Le Pen grause es vor der deutschen AfD. Die Funktionärsschicht der Partei werde immer rechtsextremer. Die Vorsitzende der AfD im bayerischen Landtag Katrin Ebner-Steiner ist für Söder eine "Leni Riefenstahl für Arme". Dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke empfiehlt Söder als "Putin-Pudel Nummer eins" eine "gute Reise nach Moskau".
Söder über Aiwanger: "Soll sich nicht nur um die Wildfütterung kümmern"
Söder bleibt auch keine Antwort auf die Freien Wähler schuldig, deren Vorsitzender und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger die Christsozialen schon wieder ärgert. "Arbeit ist besser als Demo-Hopping", gibt der Ministerpräsident seinem Stellvertreter mit und: "Ministrieren geht vor Demonstrieren". Jeder Minister müsse sich um die ihm zugewiesenen Aufgaben kümmern, "nicht um Gamsjagd oder Wildfütterung". Wer die Mehreren sind, macht der Regierungschef den Koalitionspartnern von den Freien Wählern in einem Holperreim klar: "Auch wenn sich der Freie noch so quält, die Mehrheit hat CSU gewählt". Daran "ändert sich auch nichts".
"Populismus und Frustriertheit" könnten andere besser, schickt Söder Aiwanger hinter her. Die Freien Wähler sollten aufpassen, "da nicht reinzurutschen". Die Träume des Koalitionspartners von "Bundes- und Weltregierung" seien "überzogen", spottet Söder: "Schuster, bleib bei deinen Leisten".
Ohne sichtbare Mühe, ohne sich zu verhaspeln und mit einer Coolness, spricht Söder 70 Minuten lang. Das Publikum gerät zwar nicht in Wallung, aber fünfminütigen Applaus und stehende Ovationen kriegt er schon.
Es dürfte kein Zufall sein, dass der im Vergleich zu Söder deutlich sanftere EVP-Chef Markus Weber erst nach Söder spricht. Die beiden sind Parteifreunde, aber das wars dann schon mit der Zuneigung. Viele Zuschauer verlassen den Saal. Weber kommt nicht in den Tritt, spricht von Griechenland und dem Klimawandel. Ausgerechnet mit dem Verweis auf ein Flugblatt schließt Weber seine Rede: nämlich das der Weißen Rose in der Nazizeit. Wäre dieses andere Flugblatt nicht gewesen, dann stünde die CSU heute ganz anders da.
Politischen Aschermittwoch der Freien Wähler: Die Bauern als Ehrengäste
Auf dem Weg zum Politischen Aschermittwoch der Freien Wähler müssen alle an den Bauern vorbei. Knapp 30 haben sich an diesem Vormittag vor der Deggendorfer Stadthalle versammelt. Als der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Parteivorsitzende Hubert Aiwanger gegen 9.30 Uhr ankommt, bildet sich sofort eine Menschentraube.
Die Bauern sagen, was sie stört: Bürokratie, Verbot der Anbindehaltung, Tierwohlcent. 15 Minuten Zeit nimmt sich Aiwanger für die Landwirte, dann lädt er sie ein: "Kommt mit rein, sucht euch einen Platz. Ihr seid unsere Ehrengäste heute."
Nachdem in den vergangenen Monaten viel über einen möglichen Rechtsrutsch der Freien Wähler debattiert wurde, sind alle Redner bemüht, die Partei fest in der Mitte zu verorten. Näher am Bürger als alle anderen zu sein, das sei der Markenkern der Freien Wähler, sagt Ludwig Waas, niederbayerischer Bezirksvorsitzender: "Man ist weder rechts noch links, wenn man die Probleme der Bürger in den Mittelpunkt stellt."
Um 11.23 Uhr ist es soweit. Aiwanger heißt "willkommen bei der größten Veranstaltung des gesunden Menschenverstands in Bayern". In seiner einstündigen Rede liefert Aiwanger das, was man von ihm erwartet: deftige Ampel-Schelte. "Wir können nicht alle mit Wohnung, Heizung und 560 Euro monatlich ausstatten, wenn Fachkräftemangel herrscht", kritisiert er das Bürgergeld. "Die Ampel wirft das Geld zum Fenster raus." Sie vermittele das Gefühl, dass sich Leistung nicht mehr lohne.
Einen Angriff auf Markus Söder spart Hubert Aiwanger sich
Bürokratie, hohe Abgaben und eine miserable Energiepolitik würden Deutschland schaden. "Ampel, kehr um, du treibst die Wähler den Extremisten zu", ruft Aiwanger. Demgegenüber plädiert er für Entlastungen wie eine Senkung der CO2-Kosten, der Lkw-Maut und der Einkommensteuer sowie für zwei Klassiker der Freien Wähler: Abschaffung der Erbschaftssteuer und ein steuerfreies Einkommen bis zu 2.000 Euro brutto.
Nur einen spart Aiwanger aus: Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Kein Wort verliert er über ihn. Den beiden wird seit der Flugblatt-Affäre ein verschlechtertes Verhältnis nachgesagt. Nach seiner Rede sagt Aiwanger auf Nachfrage von Journalisten, wieso er sich nicht über den Koalitionspartner CSU und Söder geäußert habe: "Ich habe mich um die Themen des Landes gekümmert. Das andere ist eh klar." Dann muss er schnell weg.