Martin Hagen: "Die Einschränkungen dürfen keinen Tag länger dauern"
AZ: Herr Hagen, seit Beginn der Pfingstferien geht in Bayern wieder was: In Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 dürfen Außengastronomie und Hotels wieder öffnen. Kultur und Sport sind - eingeschränkt - wieder möglich. Sie machen dennoch einen unzufriedenen Eindruck. Warum?
MARTIN HAGEN: Seit Anfang November ist das Leben der Menschen drastisch eingeschränkt. Wir erleben massive Kollateralschäden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, psychisch. Die Öffnungsschritte der letzten Wochen sind mir zu zaghaft. Das Infektionsgeschehen ist europaweit rückläufig und erlaubt eine schnellere Rückkehr zur Normalität. Die Einschränkungen dürfen keinen Tag länger dauern als unbedingt nötig.
Sie verlangen ein Ende der Maßnahmen?
Am 6. Juni läuft die aktuelle Corona-Verordnung der Staatsregierung aus, dann muss Schluss sein mit der Lockdown-Politik. Heißt konkret: Alle Einschränkungen, die in den letzten sieben Monaten erlassen wurden, sind unverzüglich zu beenden. Wir sollten, was die Regeln angeht, zurückkehren zum Stand von Anfang Oktober. Nach der damaligen Infektionsschutzverordnung - das war die siebte, aktuell sind wir bei Nummer zwölf - gab es vollen Präsenzunterricht für alle Jahrgangsstufen, man konnte sich zu zehnt unabhängig von der Zahl der Haushalte treffen, Gaststätten und Hotels durften inzidenzunabhängig öffnen. All das muss jetzt wieder möglich sein.
Demnach unterstützen Sie die Forderung des Hotel- und Gaststättenverbandes nach einer sofortigen Öffnung auch der Innengastronomie?
Es war richtig, mit den Außenbereichen zu beginnen, weil das Infektionsrisiko im Freien minimal ist. Aber inzwischen sind viele geimpft, bei Ungeimpften kann man ja drinnen noch vorübergehend einen Test verlangen. Cafés und Restaurants waren ohnehin nie die großen Pandemietreiber. Die haben professionelle Hygienekonzepte und im Fall des Falles ermöglichen die Gästelisten eine Kontaktnachverfolgung. Durch den Lockdown hat die Regierung soziale Kontakte ins Private verdrängt, wo all das nicht gewährleistet ist. Wir sollten schnell wieder mehr öffentliches Leben zulassen.
Hagen: Söder will nur sein Gesicht wahren
Die Staatsregierung scheint allerdings einen anderen, behutsameren Weg einzuschlagen: Künftig sind Lockerungen bei stabiler Inzidenz einen Tag früher möglich. Ist Vorsicht in diesem Fall nicht besser als Nachsicht?
Es geht Söder nicht um Vorsicht, sondern darum, das Gesicht zu wahren. Er sieht, dass die Zahlen überall in Europa sinken - auch in den Ländern, die ihre Bürger deutlich weniger streng gängeln. Das einzugestehen ist natürlich politisch heikel. Deshalb erleben wir jetzt statt schneller Öffnungen ein taktisches Rückzugsgefecht. Fakt ist: Es gibt keinen Grund mehr, das Leben der Menschen derart einzuschränken. Die bundesweite Inzidenz ist gestern unter 50 gefallen, das verdanken wir dem Impffortschritt und natürlich der saisonalen Entwicklung. Es ist wie im letzten Frühling, auch 2020 konnten wir ja dann einen entspannten Sommer genießen.
Was darauf folgte, waren allerdings die zweite und dritte Corona-Welle. Aktuell warnen Experten vor der Gefahr durch Mutationen, gegen die Impfungen womöglich nur eingeschränkt wirksam sind. Beunruhigt Sie das nicht?
Alle Viren mutieren. Das ist erstmal nichts Beunruhigendes. Wir müssen lernen, mit Corona zu leben - genauso wie mit den anderen Infektionskrankheiten, die hier jeden Winter ihr Unwesen treiben. Anders als 2020 werden im kommenden Winter breite Teile der Bevölkerung geimpft sein, und gegen die bisher bekannten Mutationen erweisen sich die Impfstoffe als wirksam.
Hagen: "Im Freien sind Masken überflüssig"
In Niedersachsen wurde unlängst über eine Abschaffung der Maskenpflicht beim Einkaufen debattiert. Der Handelsverband Niederbayern/Oberpfalz will nun dasselbe für die Innenstädte. Wie stehen Sie dazu?
Im Freien sind Masken überflüssig, in Geschäften halte ich sie vorübergehend noch für sinnvoll. Aber irgendwann - spätestens, wenn jeder die Möglichkeit hatte, sich impfen zu lassen - muss auch das Tragen von Masken freiwillig sein. Wir dürfen uns an den bevormundenden Verbotsstaat nicht gewöhnen, sondern müssen vielmehr wieder die Eigenverantwortung des mündigen Bürgers stärken.
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