Klamme Krankenkassen: Vor allem kleinen droht die Insolvenz
Den gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland drohen künftig jährlich weitere massive Beitragserhöhungen. Denn bei den Kassen klafft eine gewaltige Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, die "voraussichtlich Jahr für Jahr zu einem Anstieg des Zusatzbeitragssatzes von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten führen" werde.
So steht es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag. Das Schreiben lag der AZ exklusiv vor. Mit den bereits geplanten Beitragserhöhungen wäre für die 57 Millionen zahlenden Mitglieder - weitere 16 Millionen sind als Familienmitglieder kostenlos mitversichert - also noch längst nicht das Ende der Belastungs-Fahnenstange erreicht.
GKV steht vor einem gewaltigen Finanzloch
Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger ist alarmiert: "Die Bundesregierung gibt erstmals zu, dass es bei dem zu erwartenden Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherungen und in der aktuellen Situation voraussichtlich jedes Jahr zu einem Anstieg des Zusatzbeitragssatzes kommen wird."
Vergangene Woche hatte der Bundestag einen Gesetzentwurf diskutiert, mit dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die angespannte Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lindern will. Die steht vor einem gewaltigen Finanzloch. Im kommenden Jahr droht ein Minus von 17 Milliarden Euro. Lauterbach plant deshalb ein Maßnahmenbündel, das etwa einen zusätzlichen Zuschuss des Bundes von zwei Milliarden Euro vorsieht.
"Flickschusterei": Pilsinger kritisiert neuen Gesetzentwurf
Umstritten, gerade vor dem Hintergrund des allgemeinen Inflations- und Energiepreisschocks, ist aber insbesondere die vorgesehene Beitragserhöhung um 0,3 Prozentpunkte. Konkret geht es um den sogenannten Zusatzbeitrag. Insgesamt würde der Krankenkassenbeitrag für Versicherte und Arbeitgeber dann bei 16,2 Prozent liegen.
Pilsinger kritisiert: "Dieser Gesetzentwurf ist kein ausgewogenes Maßnahmenpaket, sondern nur Flickschusterei." Er mahnt grundlegendere Reformen an, etwa bei der Finanzierung der medizinischen Versorgung von Beziehern von Arbeitslosengeld II. Denn für deren Krankenversicherung überweist der Bund nur einen reduzierten Pauschalbeitrag an die Kassen, der nicht kostendeckend ist. Auch danach hat die Union gefragt. Laut der Antwort der Bundesregierung betrugen die Ausgaben für die ALG-II-Beziehenden im Jahr 2016 rund 15,5 Milliarden.
Pilsinger fordert Senkung der Mehrwertsteuer
Doch die vom Bund überwiesenen Pauschalen reichten dafür nicht annähernd aus. 9,6 Milliarden Euro mussten von den übrigen Beitragszahlenden aufgebracht werden. Eine Summe, die 0,6 bis 0,7 Beitragssatzpunkten entspreche.
Im Umkehrschluss, so Pilsinger, bedeute sein Vorschlag, "dass der Bund seiner Verpflichtung nachkommt, seinen vollen Anteil an den Versicherungskosten für Hartz-IV-Empfänger zu zahlen". Er fordert zudem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent.