Karsai: Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan ist Misserfolg

13 Jahre dauerte der internationale Kampfeinsatz in Afghanistan, Tausende Menschen kostete er das Leben. Der frühere Präsident Hamid Karsai zieht nun eine Bilanz - die nicht positiv ausfällt.
von  dpa

Kabul - Der Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan mit Tausenden Toten ist nach Einschätzung des früheren Präsidenten Hamid Karsai ein Misserfolg gewesen. Er trauere mit den Familien der Opfer, sagte Karsai in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und der ARD in Kabul. "Aber ob diese Opfer für eine (gute) Sache erbracht wurden, ob wir gewonnen haben, ob wir Ergebnisse gesehen haben - ich bin anderer Ansicht."

Zwar bewerte er den internationalen Kampfeinsatz "negativ", für die zivile Hilfe sei er aber sehr dankbar, sagte Karsai. Der heute 57-Jährige war nach dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 bis zum vergangenen September Staats- und Regierungschef Afghanistans.

Die USA und die Nato seien nach Afghanistan gekommen, um Terrorismus, Extremismus und Radikalismus zu bekämpfen, sagte Karsai. Sie hätten ihr Ziel verfehlt. "Radikalismus ist nicht verschwunden, er hat zugenommen. Es gibt mehr Probleme auf der Welt wegen Radikalismus als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Es gibt mehr Probleme in der Region wegen Radikalismus."

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Inzwischen stelle nicht nur das Terrornetz Al-Kaida, sondern auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eine Bedrohung dar, sagte der Ex-Präsident. "Welche Fehler, welche Politik haben dazu geführt? Das sind alles Fragen, auf die die Amerikaner und der Westen eine Antwort geben müssen."

Die Nato hat ihren Kampfeinsatz in Afghanistan Ende 2014 nach 13 Jahren beendet. Mit der Folgemission "Resolute Support" sollen afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet werden. US-Spezialkräfte bekämpfen allerdings auch weiterhin gezielt Terroristen. Karsai sagte, er unterstütze, dass ausländische Soldaten die afghanischen Sicherheitskräfte trainierten. "Aber ich unterstütze nicht, dass sie militärische Operationen innerhalb Afghanistans durchführen."

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Karsai erhob erneut schwere Vorwürfe gegen die USA. Als er begonnen habe, Washingtons Afghanistan-Politik zu kritisierten, hätten die USA versucht, ihn und seine Regierung mit Korruptionsvorwürfen zu untergraben. "Eine Korruption, die sie selber verbreitet haben." Die USA und nicht seine Regierung seien es schließlich gewesen, die in Afghanistan Milliardenverträge abgeschlossen hätten.

Karsai schloss eine Rückkehr als Präsident aus. "Ich habe meine Zeit abgeleistet", sagte er. "Wir sollten nicht in der Geschichte steckenbleiben. Ich bin Geschichte."

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