Interview kurz vor US-Wahlkampf: "Die Stimmung ist unheimlich"

Steffi Krause aus Passau wohnt in den USA und erlebt den Wahlkampf hautnah. Sie versucht zu erklären, warum so viele für Trump sind und warum offenbar keinen interessiert, wie er im Ausland ankommt.
New York - Nur wenige Tage vor der Wahl sprach die AZ mit Steffi Krause. Die gebürtige Berlinerin (26) dozierte an der Universität Passau, schreibt derzeit ihre Doktorarbeit im Bereich Medienpädagogik und lebt seit einem Jahr in New York. Dort verfolgt sie intensiv das politische Geschehen.
AZ: Frau Krause, Sie leben seit über einem Jahr in den USA. Bald wird sich die weitere Richtung des Landes entscheiden. Wie ist die Stimmung momentan?
Steffi Krause: Die Stimmung ist gerade ein bisschen unheimlich. Alle meine Freunde und Bekannten sind extrem gespannt, aber auch ängstlich. Diese Wahl ist sicherlich viel richtungsweisender als viele Wahlen davor. Letztlich entscheidet sich diesmal, ob sich die Mehrheit der Amerikaner ganz bewusst für Ausgrenzung, Intoleranz und Gewalt entscheidet.
Wie kann man sich ein Amerika unter Donald Trump vorstellen?
Meiner Ansicht nach gar nicht.
Kennen Sie Menschen, die den Republikaner unterstützen?
Ich lebe in einer liberalen Blase und kenne deshalb niemanden, der Trump wählen wird. Oder besser: Ich kenne Personen, die für ihn sind, die aber seit Jahrzehnten nicht mehr zur Wahlurne gegangen sind. Normalerweise würde ich ihnen ins Gewissen reden, zur Wahl zu gehen, vor allem weil ich selbst als Einwanderer hier noch nicht wählen darf. Aber ich halte mich dieses Mal zurück.
"Trump bedient so viele verschiedene Ängste und Zielgruppen"
Für viele Deutsche ist der Erfolg von Trump schwer nachvollziehbar.
Meiner Ansicht nach sind Trumps Unterstützer genauso von Ängsten und Polemik geleitet wie Unterstützer der AfD. Dazu kommt, dass das amerikanische System viel mehr als Deutschland auf Individualismus ausgerichtet ist. Hier gibt es keine kollektiv und staatlich geförderte Kranken- oder Sozialversorgung. Stattdessen kümmert sich jeder erst mal um sich selbst. Existenzängste sind also sehr real und betreffen fast jeden.
Und das hilft Trump?
Das ist eine perfekte Brutstelle für Polemiken und einen Demagogen wie Trump. Dennoch sollte man die Ängste seiner Anhänger und Wähler nicht belächeln, sie werden immerhin von einem großen Teil der Bevölkerung geteilt. Man sollte ihnen zuhören und versuchen, sie anders als mit Intoleranz und Gewalt zu lösen. Hier beginnt die Herausforderung, denn oft lassen Trump-Wähler nicht mit sich diskutieren.
Was wäre wenn? Die USA unter Präsident Trump
Welche Leute sind es, die für Trump sind?
Ich glaube, dass es gar keine ganz eindeutige Demografie von Trump-Anhängern gibt, weil er so viele verschiedene Ängste und Zielgruppen bedient. Frauen wie Männer, Menschen der Mittelschicht und die Superreichen, hier geborene und zugewanderte Amerikaner, Heterosexuelle und Homosexuelle. Trump hat für jeden, der ihm glauben möchte, ein Programm. Letztlich ist er deshalb so erfolgreich. Leider.
Wie haben Sie die TV-Debatten erlebt?
Für mich war es extrem spannend, die Debatten hier zu verfolgen. Vor allem, wenn man diese Medienevents einmal mit den Debatten in Deutschland vergleicht. Wer in Deutschland davon genervt ist, dass die Persönlichkeiten der Politiker immer wichtiger werden, der hat noch nichts gesehen. Statt inhaltlicher Debatten geht es hier vielmehr darum zu zeigen, dass man reif für das Amt ist, sich und seine Agenda präsentieren kann und auch bei Tiefschlägen des Gegenübers die Contenance behält.
Wie bewerten Sie Trumps Auftritte?
Es war interessant zu sehen, wie Trump sein Verhalten über die Debatten hinweg angepasst hat, sodass er am Ende wegen der eh schon geringen Ansprüche an ihn auf mich recht gehalten wirkte. Aber natürlich scheint immer wieder durch, wie er ist: Sexist, Selbstdarsteller und Fremdenfeind, der im Zweifel sowohl vor verbaler als auch vor tatsächlicher (militärischer) Gewalt nicht zurückschreckt. Da kann er sich noch so gut vorbereiten.
Kurz vor den US-Wahlen gerät Clinton zunehmend unter Druck
Wird in den USA berichtet, wie der Präsidentschaftskandidat im Ausland wahrgenommen wird?
Überraschenderweise kaum. Ich bekomme viel mit, weil ich über Apps noch deutsche Zeitungen lese, aber hier vor Ort gibt es kaum Anhaltspunkte, wie Trump im Ausland wahrgenommen wird. Das Medieninteresse liegt ganz klar bei Amerika selbst.
Warum kann Clinton gegen ihren streitbaren Konkurrenten nicht so recht überzeugen?
In der letzten Debatte hat Hillary einen sehr guten Punkt gemacht, als sie Trump entgegenwarf, dass sie schon politisch relevante Entscheidungen getroffen hat, als er im Fernsehen noch seinen „Apprentice“ (zu Deutsch: Lehrling) gesucht hat. Sie ist einfach schon sehr lange dabei, macht schon über dreißig Jahre Politik. Genau das ist es, was ihr jetzt aber auch oft vorgeworfen wird.
"Ein Amerika unter Trump möchte ich mir nicht vorstellen"
Warum?
Clinton wird als Repräsentantin des Politikapparats gesehen. Ihr werden ihre Verbindung zur Wall Street genauso übelgenommen, wie ihre E-Mail-Affäre und andere Skandale der letzten Jahrzehnte. Obwohl diese Dinge nicht kleinzureden sind, nervt es mich, dass darauf ein so riesiger Fokus gelegt wird. Warum gerade bei ihr, obwohl es auch andere Präsidenten und Politiker gab, die trotz zweifelhafter Entscheidungen gewählt wurden.
Was steckt dahinter?
Meiner Meinung nach steckt dahinter ein noch immer tief verwurzelter Sexismus und die Angst, dass eine Frau die mächtigste Person der Welt werden könnte. Das klingt vielleicht extrem, aber wenn man an den Merkel-Schröder-Wahlkampf zurückdenkt, ist das nicht mehr so weit hergeholt. Damals wurde teilweise mehr über Merkels Erscheinungsbild als über ihre Inhalte diskutiert.
Glauben Sie, dass viele Wähler noch unentschlossen sind?
Ja, hier in Amerika gibt es sogenannte Swing-States. Staaten, die mal Republikaner und mal Demokraten gewählt haben. Darum werden bis zur Wahl noch Menschen von den Parteien angerufen und ein letztes Mal gebeten, ihnen ihre Stimme zu geben. Deshalb bleibt es bis zuletzt extrem spannend.
Ihre Einschätzung: Wer wird das Rennen machen?
Ich kann nur hoffen, dass Clinton gewinnt. Ein Amerika unter Trump kann ich mir nicht vorstellen. Das wäre ein Amerika, in dem ich nicht unbedingt leben möchte – und anders als viele Amerikaner hätte ich zumindest diese Wahl.