„Ich kann für die CSU nicht ewig den Libero machen“

Er kann es nicht lassen. „Wir brauchen jetzt keine Personaldiskussion“, mahnte CSU-Chef Horst Seehoerst am vergangenen Montag. Doch nur wenige Tage später ist genau diese Diskussion wieder in vollem Gange – befeuert von Seehofer selber. In einem Interview deutet der bayerische Ministerpräsident nun öffentlich an, er könnte im kommenden Jahr auf eines seiner Spitzenämter verzichten. Auf welches lässt er offen.
„Ich kann für die CSU nicht ewig den Libero machen“, sagt der 67-Jährige der „Bild am Sonntag“. „Einmal soll ich die absolute Mehrheit in München holen und dann die bayerischen Interessen in Berlin durchsetzen.“ Seehofer argumentiert: „Wenn wir in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen wir uns personell verbreitern.“
Das hatte Seehofer in den vergangenen Wochen in internen Sitzungen wiederholt gesagt: dass der nächste CSU-Chef in Berlin am Kabinettstisch sitzen müsse, um die Durchschlagskraft der CSU zu wahren beziehungsweise zu erhöhen. Nun verweist er auch öffentlich darauf, dass es eine Ämtertrennung in der CSU schon früher gegeben habe. „Damit ist die CSU auch gut gefahren: Alfons Goppel war Ministerpräsident und Franz Josef Strauß als CSU-Chef in Bonn. Edmund Stoiber war Ministerpräsident und Theo Waigel als CSU-Chef in Bonn.“
„Brutaler Machtkampf“ zwischen Seehofer und Söder
Damit widerspricht Seehofer in erster Linie: sich selber. Mindestens bis ins vergangene Jahr hinein hatte er stets erklärt, dass beide Ämter – Ministerpräsident und Parteichef – in eine Hand gehörten. So sagte er etwa 2015: „Sie haben in Berlin wenig Bedeutung, wenn Sie nur als Ministerpräsident kommen oder nur als Parteivorsitzender.“ Dahinter steht die CSU-Grundüberzeugung, dass die absolute Mehrheit und die Stärke in Bayern für die CSU das alles Entscheidende sind.
Nun ist Seehofer also umgeschwenkt. Begründung: Die Ämtertrennung sei notwendig, weil sich die politische Situationverändert habe: „Wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im nächsten Bundestag sieben Parteien haben. Damit wir da den anderen die Stirn bieten können, brauchen wir den CSU-Chef und weitere starke Kräfte in Berlin.“
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Aber ist das wirklich der vorrangige Grund für seine Überlegungen? Oder ist ihm vielleicht die Doppelbelastung beider Ämter zu viel? Oder aber – und das ist eine weit verbreitete Meinung in der CSU – geht es Seehofer vor allem darum, den bayerischen Finanzminister Markus Söder als wahrscheinlichen Erben beider politischer Spitzenämter zu verhindern?
Tatsächlich sprechen CSU-Vorstandsmitglieder inzwischen von einem „brutalen Machtkampf“ zwischen den CSU-Alphatieren. Denn Söder will nicht nach Berlin – und wehrt sich nach Kräften gegen eine „Abschiebung“. Deshalb wies er Seehofers Vorschlag für eine Ämtertrennung auch öffentlich zurück – woraufhin Seehofer im Parteivorstand klarstellte, dass die „Hauptverantwortung“ für das Abschneiden bei der Bundestagswahl bei ihm als Parteichef liege.
CSU-intern werden nun die verschiedensten Szenarien diskutiert, wie es 2017 und 2018 laufen könnte – wobei viele derzeit über Seehofer sagen: „Wahrscheinlich weiß er selber noch nicht, was er will.“
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Szenario 1: Seehofer will 2017 den Posten als Parteichef abgeben, möglicherweise bei einem vorgezogenen Parteitag, also rechtzeitig vor der Bundestagswahl. Und an wen? Söder? Aber wenn der dabei bleibt, dass er nicht nach Berlin will? Geht dann Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nach Berlin – und wird auch Parteichef? Für Söder wäre das ein Problem: Würde Herrmann Parteichef, würde es 2018 für Söder schwieriger, Ministerpräsident zu werden. Würde sich Söder deshalb, gegen Seehofers Willen, notfalls auch in einer Kampfabstimmung zur Wahl stellen? Ganz am Ende dieses Szenarios stellt sich im Übrigen die Frage: Könnte es sein, dass Seehofer 2018 dann doch noch einmal als Ministerpräsident antritt?
Szenario 2: Seehofer bleibt Parteichef und wechselt nach der Wahl als Minister nach Berlin – und macht Söder vorzeitig zum Ministerpräsidenten. Dafür spricht, dass Seehofer für seine CSU ein klassisches Ressort in Berlin beansprucht, wie „Focus Online“ berichtet.
Fakt ist: Seehofer hat den Druck auf Söder jetzt nicht mehr nur intern, sondern per Zeitungsinterview auch öffentlich massiv erhöht. Und für sich selber, da lässt er weiterhin alle Optionen offen. Werner Herpell