CDU/CSU: Ende des Schwestern-Streits?
Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich mit Horst Seehofer versöhnen. Der CSU-Chef bleibt aber skeptisch. Er begrüßt die selbstkritischen Töne der Kanzlerin, sieht darin aber noch keine Wende in ihrer Flüchtlingspolitik.
München - Hat das seit fast einem Jahr andauernde Gepolter aus München in Richtung Berlin bald ein Ende? Immerhin gibt sich Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel zuversichtlich, dass sich ihre CDU und die CSU von Horst Seehofer im Streit über die Flüchtlingspolitik zusammenraufen werden. „Es sollte gelingen, die Brücken zu vollenden“, sagte Merkel gestern in Berlin.
Im rund 400 Kilometer entfernten Kloster Banz äußerte sich Ministerpräsident weniger optimistisch. Seehofer begrüßte zwar die selbstkritischen Töne der Kanzlerin nach dem Berliner Wahl-Debakel (AZ berichtete), sieht darin aber keinen Kursschwenk in Merkels Flüchtlingspolitik. Manches sei bemerkenswert, manches erfreulich, es sei aber nicht die Wende, sagte der CSU-Chef auf der Fraktionsklausur seiner Partei – gefolgt von Beifall. Es brauche auch keine Wende in der Erklärung der Politik, sondern in der Politik. Deshalb seien noch dicke Bretter zu bohren, betonte Seehofer.
Einigung möglich, aber nicht garantiert
Er bekräftigte zugleich, dass eine Einladung Merkels zum CSU-Parteitag im November nur Sinn habe, wenn es vorher eine Verständigung zwischen CDU und CSU gebe. Eine solche Einigung sei möglich, aber nicht garantiert. Die CSU wolle die Verständigung, aber „nicht um den Preis der politischen Offenbarung“, stellte er klar.
Auch Bundesagrarminister Christian Schmidt und Bayerns Finanzminister Markus Söder lobten Merkel für ihre Selbstkritik. „Das halte ich für einen hochrespektablen Akt“, so Schmidt. Söder: „Ein Kurswechsel kündigt sich an. Die Aussagen der Kanzlerin sind beachtlich. Das ist ein richtiger Ansatz.“ In der „Welt“ fügte er hinzu: „Aber natürlich müssen den Worten Taten folgen.“
Bewegung kommt auch in die Dauerdebatte um eine Obergrenze für den Flüchtlingszuzug. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt erklärte gestern, die von Seehofer geforderte Obergrenze werde nicht so verstanden, dass der Erste, der nach 200 000 Flüchtlingen ankomme, nicht mehr ins Land dürfe. Es gehe um eine „Richtgröße“, eine „Orientierungsgröße“.
Ob es dabei eine Formulierung mit der Zahl 200 000 oder ohne diese Zahl gebe, werde man sehen. Diese Größenordnung jedenfalls könne Deutschland nach allen Erfahrungen verkraften. Das bestätigte auch Unionsfraktions-Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). „Aus meiner Sicht ist die Obergrenze ein Stück weit auch Symbol, dass wir nicht noch einmal Verhältnisse von 2015 haben.“ Merkel hatte betont, dass sich eine Situation wie im vorigen Jahr mit der Aufnahme von einer Million Flüchtlingen nicht wiederholen solle.
Bestätigt in ihrem Kurs fühlt sich die CSU durch eine aktuelle repräsentative Umfrage, die die Partei selber in Auftrag gegeben hat. So wünschten sich bei der Integration von Flüchtlingen 87 Prozent der Menschen in Bayern die deutsche Leitkultur als Maßstab.
Auffällig ist an der Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Policy Matters durchgeführt hat, dass auch bei den Anhängern von SPD und Grünen die Leitkultur hoch im Kurs steht. 78 Prozent der Befragten, die sich den Grünen zugehörig fühlen, und gar 95 Prozent der SPD-Anhänger sind für die Leitkultur als Maßstab des Zusammenlebens für Deutsche und Zuwanderer. Beide Parteien sind aber erbitterte Gegner des von der CSU befürworteten Kulturbegriffes.