Horst Seehofer: Jetzt verliert er die Nerven
München - Früher, da tauchte Horst Seehofer einfach für ein paar Tage ab. Ließ die Welt draußen an sich abprallen samt aller Angriffe. Tankte Kraft und fragte dann schlitzohrig, wenn er wieder auftauchte: „War was?“ Als CSU-Chef und Ministerpräsident aber verliert er beim ersten heftigen Gegenwind aus den eigenen Reihen nach seiner Europawahl-Pleite gleich die Nerven: Höchstpersönlich schlägt er gegen seinen Intimfeind Erwin Huber zurück und greift zu seiner schärfsten Waffe: parteischädigendes Verhalten wirft er seinem Vorgänger vor. Zu Ende gedacht, bleibt für solch ein Verhalten eigentlich nur der Parteiausschluss.
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Was Huber sagt, hat für den angeschlagenen Seehofer nur eine Wirkung: „Eine einzige“, sagt er in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“. „Das schadet der CSU, sonst gar nix.“
Einen Führungsstil aus dem „19. Jahrhundert“ hatte Huber Seehofer vorgeworfen und verlangt: Die CSU müsse die Weichen stellen für die Zeit nach Seehofer. Spätestens 2017 bei der Bundestagswahl müsse die neue Mannschaft stehen.
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„Ja, sollen wir jetzt dreieinhalb Jahre bis 2017 eine Personaldiskussion führen“, braust Seehofer auf. „Da sag’ ich: „Dann brauchen wir über die Verteilungen der Positionen nach der Wahl nicht mehr reden, weil wir dann nichts mehr zu verteilen haben.“
Das ist eine massive Drohung an alle CSU-Abgeordneten, bloß keine Palast-Revolution anzuzetteln. Übersetzt lautet die: „Ihr schneidet euch ins eigenen Fleisch!“ Nach der Vertreibung von Edmund Stoiber mussten sich die Christsozialen ihre Pöstchen mit der FDP in einer Koalition teilen.
Dabei unterscheidet sich Seehofers Zeitplan gar nicht von Hubers: „Zunächst klären wir, wer 2017 in den Bundestagswahlkampf führt.“ Da werde sich ein Kandidat/eine Kandidatin herauskristallisieren, so Seehofer. „Vielleicht auch für den Parteivorsitz.“
Eine Doppelspitze will er nicht. Die Trennung der Ämter habe nicht funktioniert. „Meine Vorstellung ist, nach zehn Jahren die Verantwortung mit Erfolg weiterzugeben. Das ist meine Mission.“
Seehofer, der gleich nach der Wahl die Schuld für die Schlappe übernommen hatte, nimmt jetzt interne Kritiker wie Huber mit in die Verantwortung: „Der Wähler weist bei so einer Wahl eine Regierungspartei auch mal darauf hin, wenn sie sich zu viel mit sich selbst beschäftigt.“
Dabei beschäftigt Seehofer vor allem der 67-jährige Huber, der ihn offenbar zum Rasen bringt. Es ist eine alte Feindschaft zwischen den beiden politischen Schwergewichten. Beim ersten Anlauf an die Spitze der CSU war Seehofer Huber als Parteichef unterlegen. Nach der desaströsen Landtagswahl 2008 musste Huber gehen und die Parteispitze für Seehofer räumen. Nach dieser Europawahl aber geht nun Seehofer als der CSU-Chef mit dem bisher schlechtesten Wahlergebnis seit 60 Jahren in die Parteigeschichte ein. Das nagt an ihm.
Schon nach der Landtagswahl im Herbst hatte der Ministerpräsident für seinen Intimfeind ein „Begräbnis erster Klasse“ angeordnet und den Sonderauftrag seinem Kronprinzenpaar Ilse Aigner und Markus Söder erteilt. Huber aber ließ sich nicht stoppen. Der Niederbayer organisierte eine Mehrheit gegen Seehofer und wurde von der Fraktion zum mächtigen Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses gekürt. Von ihm ist der Satz überliefert, noch am Totenbett würde er die Hand heben, wenn es gelte, Seehofer zu verhindern.