Horst Seehofer: Deshalb ist er jetzt Bayerns Sonnenkönig

Grenzenloser Jubel bei der CSU: Nach fünf Jahren Koalitionsregierung schaffen die Christsozialen die Rückkehr zur absoluten Mehrheit. Für die SPD ist die Bayern-Wahl trotz Zugewinnen eine Enttäuschung – auch wenn Spitzenkandidat Ude zufrieden sagt: Es geht wieder aufwärts.
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Horst Seehofer umarmt nach dem Wahlsieg seine Frau Karin
dpa Horst Seehofer umarmt nach dem Wahlsieg seine Frau Karin

MünchenHorst Seehofer ist am Ziel. Unbändiger Jubel brandet auf, als der alte und neue bayerische Ministerpräsident sich am Sonntagabend seinen Anhängern im Landtag stellt. Die Rückkehr zur Alleinregierung nach dem historischen Absturz vor fünf Jahren - Seehofer hat seine ganz große Mission erfüllt. „Jede zweite Bayerin und jeder zweite Bayer hat uns gewählt“, sagt er und ruft seinen Anhängern zu: „Damit ist das Jahr 2008 Geschichte, liebe Freunde. Wir sind wieder da.“

Horst Seehofer ist seit Sonntagabend der Sonnenkönig der CSU. Der Ausgang der Wahl zeigt vor allem eines: dass die politischen Lager, wenn man sie heute noch so nennen kann, in Bayern einigermaßen klar zu definieren sind: Mindestens 60 Prozent wählen traditionell „bürgerlich“, also CSU, FDP oder Freie Wähler. Und nur um die 30 Prozent verteilen sich auf das rot-grüne Lager.

An dieser Verteilung des Kuchens hat sich nichts geändert – nur innerhalb der Lager gab es Verschiebungen: Die CSU hat es geschafft, 2008 abhandengekommene Wählerstimmen zurückzuerobern. Während damals viele bürgerliche Wähler ihr Kreuz lieber bei der FDP oder den Freien Wählern machten und damit die herbe CSU-Niederlage besiegelten, gibt es nun viele „Rückkehrer“, vor allem aus den Reihen der FDP: Die stürzt massiv ab.

Zudem hat es die CSU geschafft, zahlreiche Anhänger, die der Wahl vor fünf Jahren fern geblieben waren, wieder an die Urnen zu bringen. Vor allem für die FDP ist es bitter: nach nur fünf Jahren wieder raus aus dem Landtag und raus aus der Regierung. Die Warnung vor einer CSU-Alleinherrschaft – sie hat nichts genützt. Ein „äußerst schmerzlicher Abend“, sagt Noch-Wirtschaftsminister Martin Zeil.

Der CSU-Triumph hat nach Einschätzung von CSU-Vorstandsmitgliedern aber auch andere Gründe: Zum einen sei es Seehofer gelungen, die CSU als Partei darzustellen, „die dient und arbeitet“, sagt einer. Das war auch einer von Seehofers Leitsprüchen in den vergangenen Monaten: dass das wichtigste für ihn eine „Koalition mit den Bürgern“ sei. Deshalb hat Seehofer – ein weiterer Hauptgrund für den klaren CSU-Sieg – in den vergangenen Monaten auch all die Themen abgeräumt, die ihm und seiner Partei bei der Wahl hätten gefährlich werden können. Weil sich in Umfragen eine Mehrheit der Bayern für die Abschaffung der Studiengebühren aussprach und die Opposition mit einem entsprechenden Volksbegehren erfolgreich war, zwang Seehofer die CSU zur 180-Grad-Kehrtwende – und zur Abschaffung der Gebühren im Landtag. Den Koalitionspartner FDP überfuhr der CSU-Chef gnadenlos.

Oder beim Donauausbau in Niederbayern, immerhin seit Jahrzehnten tiefschwarzes CSU-Stammland: Weil sich dort massiver Widerstand gegen den auch von der dortigen CSU befürworteten Bau einer Staustufe in der Donau regte, nahm sich Seehofer persönlich der Sache an und entschied: Mit mir nicht. Der nächste Konflikt war beiseite geräumt.

Genau das hielten die politischen Gegner Seehofer dann immer vor: dass er Politik nach Meinungsumfragen mache. Dass er jahrelang verteidigte CSU-Positionen über den Haufen werfe, nur weil die Stimmung in der Bevölkerung sich geändert habe. Da entgegnete Seehofer trocken, dass er genau das auch als Aufgabe eines Ministerpräsidenten verstehe: Politik für die Bürger zu machen. „Am Schlimmsten ist die Kontinuität im Irrtum“, sagte er erst kürzlich.

Diese „Änderung im Stil“, diese „notwendige Flexibilität“ habe die Bevölkerung jetzt honoriert, sagt ein CSU-ler. Es sei die richtige Taktik gewesen, Streitthemen rechtzeitig abzuräumen. „Seehofer hat bewiesen, dass er den richtigen Riecher hat“, sagt einer anderer. Hinzu kommt: Bayern geht es blendend, es steht im Vergleich der Bundesländer in vielen Bereichen unangefochten an der Spitze. Eine Wechselstimmung wollte deshalb auch überhaupt nicht aufkommen.

Daran hat auch der populäre SPD-Spitzenkandidat, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, nichts ausrichten können. Die SPD verbucht zwar einen leichten „Ude-Effekt“, gewinnt im Vergleich zum desaströsen Wahlergebnis von 2008 leicht hinzu. Von der von Ude einst ausgegebenen Zielmarke von 25 Prozent ist die SPD weit entfernt. Tatsächlich musste die in Bayern schon chronisch schwache SPD im Wahlkampf immer wieder ausführlich argumentieren und begründen, dass Ude mehr kann als nur Münchner Oberbürgermeister. Der demonstriert am Sonntagabend immerhin Zuversicht. Die Stimmenzugewinne seien „Anlass zur Freude“. „Es geht wieder aufwärts“, ruft Ude seiner Partei zu - die nächste Landtagswahl ist allerdings erst wieder in fünf Jahren.

Doch was die SPD hinzugewonnen hat, das müssen die Grünen als Verluste verkraften. Das große Ziel, deutlich zweistellig zu werden - verfehlt. Dass daran wohl die bundesweite Steuererhöhungs-Debatte einen guten Anteil hat, kann die bayerischen Grünen wenig trösten.

Während alle anderen nun ihre mehr oder weniger tiefen Wunden lecken, können sich Seehofer und die CSU der Frage zuwenden: Wer wird was? Welche Posten bekommt die aus Berlin zurückgekehrte Ilse Aigner, welches Amt der bisherige Finanzminister Markus Söder? Auch die bisherigen FDP-Ministerien werden frei, Seehofer kann nach Belieben schalten und walten. Denn eines ist an diesem Wahlabend ganz klar: Ihm kann vorerst keiner was – er ist jetzt der CSU-Sonnenkönig.

 

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