Hofreiter: Steuervergehen war "ein Versehen"

Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter spricht über sein Steuervergehen, den Fall Uli Hoeneß und über den ESC-Sieg für Conchita Wurst. Das AZ-Interview.
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Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter war im AZ-Newswroom zu Gast.
Gregor Feindt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter war im AZ-Newswroom zu Gast.

Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter spricht beim AZ-Besuch über sein Steuervergehen, den Fall Hoeneß, eine Bad Bank für Atomkraftwerke und über Conchita Wurst

AZ: Herr Hofreiter, Sie haben für Ihre Zweitwohnung mehrere Jahre keine Steuer bezahlt. Bei Uli Hoeneß haben Sie gesagt: „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.“ Gilt das auch für Sie?

ANTON HOFREITER: Es gilt, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist. Ich habe ganz klar einen Fehler begangen. Das weitere müssen die Behörden entscheiden. Das heißt? Wenn man Steuern nicht rechtzeitig gezahlt hat, kann das Steuerhinterziehung sein oder leichtfertige Steuerverkürzung. Egal aber wie das bewertet wird, mein Fehler war keine Lappalie.

Sie haben sich entschuldigt, zeigen sich zerknirscht – so verhalten sich viele Politiker. Reicht das für Sie als grüner Obermoralist?

Ich sehe mich nicht als grünen Obermoralisten. Ich kann die Sache nicht ungeschehen machen. Ich kann nur sagen, dass es ein Versehen war. Ich habe 2005, als ich neu im Bundestag war, nicht daran gedacht, mich anzumelden. Und dieser Fehler hatte einen weiteren Fehler zur Folge, nämlich dass ich dadurch die Zweitwohnungssteuer nicht bezahlt habe.

Wie hätten Sie reagiert, wenn es einem von der Union passiert wäre?

Ich hoffe, ich hätte so reagiert, wie die Kollegen jetzt auch: angemessen.

Ihre Partei stützt Sie trotz dieses Fehlers. Was ist daran anders als beim Aufsichtsrat des FC Bayern, der Hoeneß auch gestützt hat und dem Sie dafür „abstoßende Doppelmoral“ vorgeworfen haben?

Meinen Sie nicht, dass das doch unterschiedlich zu bewerten ist? Bei Herrn Hoeneß wurde klare Absicht festgestellt, es lag ein Schweizer Konto und eine 10000 Mal höhere Summe vor.

Sie sind nicht der einzige Abgeordnete, der nach Berlin zieht. Gibt’s noch mehr Fälle?

Das weiß ich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß. Der erste weitere Fall ist mit Niels Annen von der SPD ja auch schon bekannt geworden. Und 2000 gab es ja schon ähnliche Fälle.

Die Grünen werden zurzeit deutlich weniger wahrgenommen. Liegt das an der übermächtigen großen Koalition oder ist das hausgemacht? Von der Linken hört man derzeit mehr.

Als ich 2005 in den Bundestag gekommen bin, gab es auch schon die große Koalition, und da war die Sorge ähnlich, dass die Grünen kaum wahrgenommen werden. Damals war die FDP die sichtbarste Oppositionspartei.

Das Problem ist nur, dass die FDP damals schon den Weg für ihre spätere Zerstörung in Regierungszeiten angelegt hat. Sie war sehr laut und sehr populistisch, konnte ihre Forderungen dann in der Regierungsarbeit aber nicht einlösen. So ähnlich macht es jetzt auch die Linke, sie ist zwar sichtbarer, aber so kann sie nicht in die Regierung eintreten – mit so einer lauten, undurchdachten und auf Parolen reduzierten Politik.

Was sagen Sie zu den Plänen für eine Bad Bank für Atomkraftwerke?

Das ist unverschämt. Nachdem die Atomkonzerne jahrelang hohe Gewinne eingefahren haben, wollen sie sich die Kosten des Ganzen nun vom Steuerzahler bezahlen lassen. So wie wir Grüne die Atomkonzerne kennen, sollte uns das eigentlich nicht überraschen. Aber das ist schon eine fast verblüffende Dreistigkeit.

Es wird argumentiert, die Konzerne gingen sonst pleite, oder sie würden eben die Bundesrepublik auf Schadenersatz verklagen.

Das sind groteske Argumente. Jahrelang haben große Unternehmen eine gefährliche und fahrlässige Technik benutzt. Und in dem Moment, wo sie dafür Verantwortung übernehmen sollen, kippen sie das dem Steuerzahler vor die Füße? So geht das Spiel nicht. Sie haben Gewinne gemacht und sie tragen auch die Verantwortung für die Risiken.

Horst Seehofer inszeniert sich mit Erfolg als großer Kämpfer gegen die Stromtrassen. Die Grünen haben die Buh-Rolle und müssen das verteidigen.

Die CSU macht auf Dagegen-Partei. Wir übernehmen Verantwortung, auch wenn es wehtut. Herr Seehofer muss erläutern, wie er die Stromversorgung sicherstellen will, wenn die bayerischen Atomkraftwerke mit einer Gesamt-Nennleistung von über fünf Gigawatt vom Netz gehen.

Mit Gaskraftwerken?

Es sind elf Gaskraftwerke bei der Bundesnetzagentur zur Stilllegung angemeldet, weil die Energiepolitik der Bundesregierung dazu führt, dass die Gaskraftwerke alle nicht laufen. Die Netzagentur ist jetzt bereits dabei, Gelder einzustellen, um die Atomkraftwerke in Bayern durch alte Ölkraftwerke aus Österreich zu überbrücken.

Warum alte Ölkraftwerke? Die haben doch auch schöne Pumpspeicherkraftwerke?

Weil die nicht ausreichen. Pumpspeicherkraftwerke sind keine ausreichende dauerhafte Sicherung. Irgendwann ist ein Pumpspeicherkraftwerk halt mal leergerauscht. Und wenn es dann noch ein paar Tage länger windstill ist, was machen wir dann? Stellen wir dann Wacker Chemie einfach still?

Seehofer sagt: Brauchen wir nicht, die Stromtrassen. Wie gehen Sie mit so einer Fundamentalopposition um?

Als Grüne fordern wir eine vernünftige Bürgerbeteiligung und transparente Planungsprozesse. Wenn man sich anschaut, wie Netzbetreiber das bisher den Bürgern vorgestellt haben, muss man sich nicht wundern, dass die auf der Palme sind. Klar sind Leitungen in der Landschaft nicht das allerschönste. Aber was ist denn die Alternative?

Ein Atomkraftwerk produziert Müll für die nächste Million Jahre. So lange hat der Mensch ungefähr gebraucht, um Mensch zu werden. Das muss man sich auch mal überlegen, welche Arroganz sich nur zwei Generationen der Menschheit leisten: Einen Müll zu hinterlassen, der über einen so langen Zeitraum verwahrt werden muss, dass eine Eiszeit von 10000 Jahren dagegen ein Klacks ist.

Thema NSA-Ausschuss: Worum geht es Ihnen eigentlich genau? Man hat den Eindruck, dass sich die Grünen nur auf die Frage konzentrieren, wo Herr Snowden vernommen werden soll.

Diese Frage ist von hoher Bedeutung, um die Aufklärung der NSA-Affäre sicherzustellen. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass man in Putins Russland – mal ganz unabhängig von der Ukraine-Krise – jemandem die Aufklärung von Geheimdienst-Aktivitäten zumuten kann.

Können Sie sich vorstellen, dass eine Delegation des Deutschen Bundestags nach Russland fährt und de facto unter Oberhoheit des russischen Geheimdienstes ernsthaft diesen Skandal aufklären kann? Edward Snowden muss in sicherer, demokratischer und rechtsstaatlicher Umgebung aussagen dürfen.

Aber wenn er herkommt, wird er ausgeliefert.

Dafür gibt es überhaupt keinen Automatismus. Es ist rechtlich möglich, Herrn Snowden einen sicheren Aufenthalt zu garantieren. Man muss das politisch aber auch wollen. Er hat diese Überwachungspraxis erst aufgedeckt, und die Wahrung unser aller Grundrechte ist in einem verfassungsgebundenen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland eines der zentralen Staatsinteressen.

Das heißt, Sie gehen zum Bundesverfassungsgericht?

Wenn es notwendig sein sollte, dann ja. Wie kommunizieren Sie jetzt eigentlich am Telefon? Wir wurden offiziell darauf hingewiesen, dass man manche Gespräche besser am Festnetz führen sollte – damit das nicht sofort in der amerikanischen oder in der russischen Botschaft landet.

Diese Krypto-Handys sind manchmal aber eher unpraktisch. Denn wenn man reinspricht, dauert es immer ein paar Sekunden, bis man eine Antwort erhält, weil das Gespräch ja erst ver- und dann wieder entschlüsselt wird.

Ganz Europa feiert Conchita Wurst. Sie haben ja auch lange Haare und Bart. Sind Sie ein Trendsetter?

Schon möglich! Der Sieg von Conchita Wurst freut mich jedenfalls sehr. Ein schöner Beweis, wie modern und tolerant Europa ist und wie sehr die Reaktionäre – ob sie nun bei der AfD oder wo auch immer sitzen – neben der Zeit liegen.

 

 

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