Grüne finden Präventionshaft für Klimaaktivisten "unverhältnismäßig"

Das Polizeiaufgabengesetzt macht es möglich: Einen Monat sind zwölf Klimaaktivisten nun weggesperrt.
Ralf Müller |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
6  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Zehntausende demonstrierten im Mai 2018 gegen das PAG.
Zehntausende demonstrierten im Mai 2018 gegen das PAG. © picture alliance / Felix Hörhager/dpa

München - In Bayern, wusste schon der frühere Ministerpräsident Max Streibl (CSU), langt man manchmal "etwas härter" hin. Das müssen auch zwölf Klimaaktivisten erfahren, die seit Mittwoch im Gefängnis sitzen, weil es die Polizei für erforderlich hält, sie für einen ganzen Monat davon abzuhalten, sich auf Hauptverkehrsstraßen festzukleben oder andere Dummheiten zu machen. Möglich ist das aufgrund des Artikels 17 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), um das damit erneut ein Streit entbrannt ist.

Dabei ist der polizeiliche "Gewahrsam" gegenüber der früheren PAG-Fassung schon deutlich entschärft. So wird er auf maximal einen Monat begrenzt, kann aber durch richterliche Entscheidung auf bis zu zwei Monate verlängert werden. Diese richterliche Entscheidung ist "unverzüglich" nach der Festsetzung des Betroffenen durch die Polizei herbeizuführen. Von Amts wegen hat das Gericht zudem für einen Anwalt zu sorgen.

Höchststrafe: ein Monat Knast

Den Freiheitsentzug kann die Polizei einleiten, wenn dieser - so das Gesetz - "unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern". Außerhalb Bayerns ist die Maßnahme auf 14 Tage begrenzt. Außerdem ist in Bayern der Gewahrsam auch möglich, wenn eine "Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit" zu befürchten ist. Das wird angenommen, wenn Klimaaktivisten künftigen Straßenblockaden nicht abschwören wollen.

Am Stachus auf die Straße geklebt

Den Verkehr am Münchner Hauptverkehrsknoten Stachus lahmzulegen und Wiederholungen nicht auszuschließen, erschien sowohl der Polizei wie auch dem zuständigen Richter am Münchner Amtsgericht als hinreichender Grund, die Höchstdauer für angebracht zu halten. Rein theoretisch erwartet die Aktivisten in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt eine bevorzugte Behandlung.

Das Gesetz bestimmt, dass sie "insbesondere ohne ihre Einwilligung nicht in demselben Raum mit Straf- oder Untersuchungsgefangenen untergebracht werden" dürfen. Und: "Der festgehaltenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordert."

Grüne klagen gegen das PAG

Die Grünen im Bayerischen Landtag halten das monatelange Wegsperren der Klimaaktivisten gleichwohl für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze forderte eine Halbierung der Höchstdauer der Präventivhaft auf 14 Tage. Außerdem sollte dieser Gewahrsam nur verhängt werden, wenn "die Begehung von schweren Straftaten unmittelbar zu befürchten ist", so Schulze. Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist seit 2018 eine Klage der Grünen gegen das PAG anhängig. Wann sie entschieden wird, ist offen.

Ist Präventivhaft verfassungswidrig?

Die Ansichten unter Rechtswissenschaftlern über die Verfassungsmäßigkeit der Präventivhaft nach bayerischem Muster gehen auseinander. So zeigte sich bei einer Anhörung im Landtag der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Markus Möstl mit der Regelung vor allem deshalb einverstanden, weil sie mit einem Richtervorbehalt versehen ist. "Keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken" sah auch der Würzburger Strafrechtler Kyrill-Alexander Schwarz. Der Rechtsprofessor Ralf Poscher vom Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung der Kriminalität stufte die Regelung allerdings als "verfassungswidrig und konventionswidrig" ein.

Bayern besonders streng - und stolz drauf

Der Münchner Hochschullehrer Marc Zöller hielt die mögliche Dauer der Freiheitsentziehung für "nach wie vor zu hoch gegriffen" und verwies auf das Nachbarland Baden-Württemberg. Dort gilt eine Höchstfrist von zwei Wochen. Die CSU-Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung sehen überhaupt keinen Grund, das forsche polizeiliche Vorgehen gegen Straßenkleber zu beanstanden.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

CSU-Staatskanzleiminister Florian Herrmann weist den Vorwurf, 30 Tage Gewahrsam ohne strafrechtliche Verurteilung seien unverhältnismäßig, zurück: Die Maßnahme stehe unter Richtervorbehalt und wenn der Richter sie für verhältnismäßig halte, dann sei es eben so.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
6 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Bongo am 11.11.2022 19:28 Uhr / Bewertung:

    Daß es den Grünen nicht gefällt, wenn man die ihr nahestehe Klientel wegsperrt, kann ich voll verstehen.

  • Der wahre tscharlie am 11.11.2022 20:46 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Bongo

    Naja, genau betrachtet ist es auch "Baumumarmer-Söder" seine Klientel. Denn er ist ja eigentlich auch für den Klimaschutz. Hat er gesagt.
    Und zur Erinnerung....u.a. die Grünen haben schon Klage gegen das PAG eingereicht, da gabs noch gar keine Klebe-Aktivisten.

  • Bongo am 13.11.2022 17:48 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Offensichtlich unterliegt Du auch der irrigen Meinung, daß wir von Deutschland aus das Weltklima retten werden.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.