Gewalt in der Ostukraine nimmt kein Ende
Donezk/Berlin - Neue Gewalt in der Ostukraine: Der Einschlag einer Granate an einer Bushaltestelle in Donezk mit 13 Toten hat den Friedensbemühungen für die Krisenregion einen neuen Dämpfer verpasst. Ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten gaben sich am Donnerstag gegenseitig die Schuld am Tod der Zivilisten. Nur Stunden zuvor hatten die Außenminister der Ukraine und Russlands unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs in Berlin den Abzug schwerer Waffen aus einer Pufferzone vereinbart.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von "wahrnehmbaren Fortschritten". Es komme aber darauf an, wie die Vereinbarung umgesetzt werde. "Es liegt jetzt an den Konfliktparteien, das Vereinbarte Realität werden zu lassen", sagte er am Donnerstag bei einem Besuch in Marokko. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zurückhaltend. "Es gibt leichte Fortschritte, obwohl es auch viele Rückschritte gibt", sagte sie beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurden in dem Konflikt seit April 2014 mehr als 5000 Menschen getötet.
Mit der Tragödie in Donezk verhärteten sich die Fronten wieder. Die Ukraine müsse den Beschuss von Städten stoppen, forderte Russlands Außenminister Sergej Lawrow. "Es wird immer offensichtlicher, dass die Partei des Krieges in Kiew und ihre Unterstützer im Ausland vor zivilen Opfern nicht zurückschrecken", meinte er in Moskau.
Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk forderte von Russland ein Ende der Unterstützung für Aufständische. "Die russischen Terroristen haben heute erneut einen schrecklichen Akt gegen die Menschlichkeit begangen, und die Verantwortung dafür trägt die Russische Föderation", sagte er. Die Führung in Kiew wirft Moskau Waffenlieferungen an Separatisten vor. Russland weist dies zurück.
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Nach dem Beschuss führten Separatisten demonstrativ etwa 20 gefangene Regierungssoldaten an der zerstörten Haltestelle vorbei. Anwohner hätten die in Zivil gekleideten und erschöpft wirkenden Männer wüst beschimpft und teils geschlagen, berichteten örtliche Medien. Ein ähnliches Zurschaustellen in Donezk war vor einigen Wochen international als Verletzung der Menschenwürde kritisiert worden.
Am Flughafen von Donezk dauerten die Gefechte an. Mindestens acht Aufständische und sechs Armeesoldaten wurden dabei getötet. Nach monatelangen Kämpfen räumte das Militär das Hauptterminal des zerstörten Airports. "Es zu halten, machte keinen Sinn mehr", sagte der Berater von Präsident Petro Poroschenko, Juri Birjukow. "Der Flughafen bleibt aber Frontlinie", meinte er. Militärsprecher Wladislaw Selesnjow betonte, die Armee habe sich nicht völlig zurückgezogen. Mehrere Gebäude seien noch in der Hand des Militärs.
Bundespräsident Joachim Gauck hält eine diplomatische Lösung der Krise noch für möglich. "Der Verhandlungsprozess ist im Gange", sagte er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Dieser Prozess werde aber erst zu einem positiven Ergebnis führen, "wenn Russland das Völkerrecht wirklich respektiert und den Entspannungsprozess in der Ostukraine glaubhaft unterstützt."
Im Kern ging es bei den Berliner Gesprächen der Außenminister um die Umsetzung einer im September in Minsk erzielten Vereinbarung, die nie wirklich beachtet wurde. Eine von der OSZE geleitete Kontaktgruppe soll den jetzt vereinbarten Abzug der schweren Waffen sowie die Schaffung einer Pufferzone im Krisengebiet organisieren.