GDL-Schlichtung: Endlich weißer Rauch
Einen subitlen Hinweis gab es nachts auf Twitter: Schlichter Bodo Ramelow schrieb: „Ich lege mir jetzt Marius Müller-Westernhagen auf und höre Freiheit – ganz besonders die Stelle: die Verträge sind gemacht!“
Am Vormittag lief es dann offiziell über die Nachrichtenagenturen: „EIL! Tarifkonflikt bei der Bahn beendet.“
Weißer Rauch. Habemus Tarifvertrag!
„Und es wurde viel gelacht.“ Die weitere Zeile aus dem von Ramelow zitierten Westernhagen-Klassiker passt wohl weniger zum Anlass. Matthias Platzeck, Schlichter Nummer 2 mit Ostblockerfahrung, formulierte es so: „Wie man weiß, sind Gespräche in Moskau nicht so einfach. Aber das hier war einen Tacken schärfer.“
Was Lokführer-Gewerkschaftsboss Claus Weselsky und Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber in den Wochen vor der Schlichtung veranstaltet hatten, war in der Tat kein Tauwetter, sondern Kalter Krieg. Drohungen gab es, Missverständnisse, verbale Entgleisungen. Neun Streiks. Und Claus Weselsky rangierte in der persönlichen Beliebtheitsskala vieler Deutscher nur noch knapp vor Lord Voldemort. Andere wiederum beklagten die „öffentliche Hetze“ gegen den Gewerkschaftsführer, dessen Privathaus von manchen Zeitungen abgebildet wurde – verbunden mit dem Hinweis, ihm die Meinung zu geigen.
Streiks sind jetzt bis Ende 2016 ausgeschlossen
Jetzt können Pendler und Fernreisende aufatmen. Nach einem Jahr Konflikt haben der Bahn-Konzern und die GDL einen Kompromiss erzielt. Damit sind Streiks bis Herbst 2016 ausgeschlossen. „Alles ist unterschrieben, der Tariffrieden ist hergestellt“, sagt Platzeck. „Wir haben am Ende einen Abschluss mit Vernunft und Augenmaß hinbekommen.“ Das neue Tarifwerk umfasst 14 Verträge und zwei Protokolle.
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Demnach soll auch das bereits vom Parlament beschlossene Tarifeinheitsgesetz, das wohl noch im Juli in Kraft tritt, bis Ende 2020 bei der Bahn nicht angewendet werden. Es hätte die GDL in eine schwächere Position gebracht.
Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky dankte gestern den beiden Schlichtern. Ihnen sei es gelungen, „zwei aufeinander zurasende Züge so einzulenken, dass sie am Ende des Tages die Kurve gekriegt haben“.
Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sprach von einem „überragenden Signal für unsere Kunden“.
Die eigentlich auf drei Wochen angelegte Schlichtung war zweimal verlängert worden. Platzeck verriet, dass es zwischenzeitlich auch einen Abbruch gegeben habe. Man raufte sich wieder zusammen.
Die Einigung im Überblick: Mehr Geld, weniger Arbeitszeit
EINKOMMEN: Die 160 000 Beschäftigten unter dem Tarifwerk bekommen 3,5 Prozent mehr Geld zum 1. Juli 2015 (mindestens 80 Euro), weitere 1,6 Prozent zum 1. Mai 2016 (mindestens 40 Euro), außerdem eine Einmalzahlung: 350 Euro. Laufzeit bis 30. September 2016.
ARBEITSZEIT: Im Januar 2018 sinkt die wöchentliche Arbeitszeit für das fahrende Personal um eine Stunde auf 38 Stunden. Laufzeit bis 31. Dezember 2018.
ÜBERSTUNDEN: Bis Ende 2017 solle eine Million Überstunden bei den Lokführern und 300 000 Überstunden bei den Zugbegleitern abgebaut werden. Dafür werden 300 weitere Lokführer und 100 Zugbegleiter eingestellt.
TARIFEINHEITSGESETZ: Wird bis 2020 bei der Bahn nicht angewandt. Sonst hätte es die Verhandlungsposition der GDL geschwächt.
SCHLICHTUNG: Kann bis 2020 auch von nur einer Tarifpartei angerufen werden – etwa von der Bahn, wenn ein Streik angekündigt ist.
BUNDESRAHMENTARIFVERTRAG: Gilt nun für das gesamte Zugpersonal, das bei der GDL organisiert ist, nicht mehr nur Lokführer. Diesen Vertrag will die GDL auch bei den Bahn-Konkurrenten durchsetzen.
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