Fremdenfeindlich und christlich? "Nicht vereinbar!"

Bayerns Landesbischof spricht nach dem Anschlag über Glaube, AfD und CSU, Reaktionen auf das Attentat sowie Gottesdienste mit Polizeischutz.
von  Bernward Loheide
Berlin trauert nach dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Landesbischof Bedford-Strohm warnt davor, das Attentat politisch zu Instrumentalisieren.
Berlin trauert nach dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Landesbischof Bedford-Strohm warnt davor, das Attentat politisch zu Instrumentalisieren. © dpa

Der 56-jährige Heinrich Bedford-Strohm ist seit November 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Theologie-Professor stammt aus Memmingen. 2011 wurde er zum bayerischen Landesbischof gewählt.

Herr Bedford-Strohm, nach dem Berliner Anschlag haben Sie gesagt: "Wer jetzt versucht, aus einem solchen Ereignis politisches Kapital zu schlagen, besorgt am Ende das Geschäft der Terroristen." Meinten Sie damit auch die CSU?
Heinrich Bedford-Strohm: Ich habe zunächst mal diejenigen gemeint, die bewusst verschärfen wollen und die Angst verstärken, anstatt Angst zu überwinden. Das will ich jetzt nicht bestimmten Leuten zuschreiben.

Hat die Politik überreagiert?
Ich habe den Eindruck, dass Deutschland sehr reif mit diesem Ereignis umgeht. Ich habe Besonnenheit gespürt in den Äußerungen der maßgeblichen Politiker und viel Innehalten.

Zugleich verfestigt sich aber der Eindruck, dass das Wort der Kirchen zur Flüchtlingspolitik bei der CSU einfach kein Gehör findet.
Das kann man so nicht sagen. Ich habe schon den Eindruck, dass Gespräche ihre Wirkung hatten. Dann gibt es aber in der Tat immer wieder einzelne Äußerungen, über die ich mich sehr wundere. Ich werde jetzt mit der CSU-Landesgruppe des Bundestags in Kloster Seeon Anfang des Jahres zusammen sein und ins Gespräch kommen. Ich Freude mich darauf, weil es mir sehr wichtig ist, die Themen anzusprechen.

Auch innerhalb der Kirche gibt es AfD-Anhänger. Wie gehen Sie mit ihnen um?
Natürlich gibt es in den Reihen der Kirchen auch Menschen, die AfD wählen. Aber mit denen müssen wir ins Gespräch kommen. Und wir dürfen nicht mit den drei Buchstaben "AfD" gleich ein Urteil verbinden. Die AfD ist eine unterschiedlich zusammengesetzte Gruppe. Da sind Rechtsradikale dabei und da sind Menschen, die haben Sorgen, die wollen protestieren gegen etwas, worüber sie frustriert sind. Die kann man nicht alle auf eine Stufe stellen.

Ist die AfD für Christen überhaupt wählbar?
Bestimmte Aussagen, die sich gegen Menschen pauschal richten, sind nicht akzeptabel. Ausländerfeindlichkeit ist nicht vereinbar mit dem christlichen Glauben. Wenn sich bei einer Parteiversammlung ein Mensch für interreligiösen Dialog ausspricht und ausgebuht wird, macht mir das große Sorgen. Leute, die Menschen anderer Religionen ohne Respekt behandeln, mit denen habe ich auch ein Problem.

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Werden die Weihnachtsgottesdienste angesichts der Terrorangst unter starkem Polizeischutz stattfinden?
Als Christen haben wir Quellen, von denen her wir die Angst überwinden können. Deswegen werden die Gottesdienste wie immer Orte der Kraft sein, an denen die Liebe Gottes unter den Menschen sichtbar und spürbar sein wird, Quellen der Zuversicht, nicht der Angst.

Aber Weihnachtsgottesdienste sind ja große Menschenansammlungen und daher ein mögliches Ziel. Wird die Polizei da nicht verstärkt patrouillieren?
Davon ist mir nichts bekannt. Ich glaube auch, dass man in Deutschland so viele Menschenansammlungen hat, dass es gar nicht möglich wäre, auf diesem Wege Sicherheit zu erzeugen, dass man überall Polizei postiert.

Sie haben vorgeschlagen, den Reformationstag und den Buß- und Bettag wieder als gesetzliche Feiertage einzuführen. Ihr Vorschlag hat keine Chance, oder?
Die Reaktionen waren überraschend positiv, muss ich sagen. Natürlich ist mit klar, dass es unrealistisch ist, zwei neue Feiertage zu etablieren. Ich habe aber bewusst sowohl den Buß- und Bettag als auch den Reformationstag ins Gespräch gebracht, weil ich glaube, dass beide gute Kandidaten wären.

Warum?
Der Grundgedanke ist der, dass wir immer der Ökonomie den Vorrang gegeben haben vor der Gemeinschaft, vor den Beziehungen. Ich glaube, dass es Zeit wird, dass wir, statt den materiellen Wohlstandszuwachs ins Zentrum zu stellen, jetzt eher denken müssen an den Zuwachs an Beziehungswohlstand. Verbunden mit einer Diskussion um soziale Gerechtigkeit, denn es gibt Menschen in unserem, Land, die auch materiellen Zuwachs brauchen.

Aber selbst an Weihnachten geht ja nur noch eine Minderheit der Menschen in Deutschland in einen Gottesdienst. Am Buß- und Bettag würden die meisten Menschen vermutlich einfach länger schlafen.
Also am Buß- und Bettag haben wir die Erfahrung gemacht, dass für die Menschen der Inhalt wieder an Kraft gewonnen hat und sie durchaus an vielen Orten in die Gottesdienste kommen. Über die Zahl der Gottesdienstbesucher hinaus hat ein solcher Tag auch eine öffentliche Bedeutung. Der Buß- und Bettag gibt einem Land die Gelegenheit, mal innezuhalten und über sich selbst nachzudenken.

Gibt es bei Ihnen Momente, in denen Sie zweifeln, ob es Gott überhaupt gibt?
Ich bin mir bewusst, dass solche Zeiten kommen können, aber ich muss schon sagen, dass ich in einem großen Gefühl des Gesegnetseins lebe. Dass auch in den Zeiten, in denen es schwerer ist, wo es Gegenwind gibt, der Glaube mein Halt ist. Dass mein Wert nicht an meinen Erfolgen hängt, sondern dass ich jenseits meiner Leistungen als Mensch unendlich angenommen und geliebt bin. Diese wunderbare Basis für das Leben ist für mich noch nicht ins Wanken geraten.

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