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"FC Landtag": So kaperte die AfD die Allianz Arena

Abgeordnete von Grünen, SPD und FDP spielen gemeinsam mit Politikern der AfD Fußball in der Allianz Arena. Die Linke sieht darin einen Dammbruch.
Tobias Lill |
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Unter den Spielern der Landtagsauswahl, die Ende Mai auf dem heiligen Rasen des FC Bayern bei einem Turnier kickten, waren diverse Abgeordnete - so etwa AfD-Mann Uli Henkel (unten, 2. v. l.) sowie der Grüne Benjamin Adjei (unten, 2. v. r.). Das Foto zeigt nicht alle Spieler des Teams.
Unter den Spielern der Landtagsauswahl, die Ende Mai auf dem heiligen Rasen des FC Bayern bei einem Turnier kickten, waren diverse Abgeordnete - so etwa AfD-Mann Uli Henkel (unten, 2. v. l.) sowie der Grüne Benjamin Adjei (unten, 2. v. r.). Das Foto zeigt nicht alle Spieler des Teams. © Facebook

München - Für den Münchner AfD-Landtagsabgeordneten war es ganz offensichtlich ein gelungener PR-Termin: "Uli Henkel – immer am Ball und für die Bürger im Einsatz", schrieb der Politiker Ende Mai auf seinem für die Öffentlichkeit bestimmten Facebook-Kanal.

Und weiter: "Freundschaftsspiel des FC Landtag gegen den FC Stadtrat und den FC Augustiner Bräu in der Allianz Arena." Ein von ihm gepostetes Foto zeigt den 68-Jährigen gemeinsam mit diversen anderen Kickern aus dem Maximilianeum.

Mini-Turnier in der Allianz Arena mit AfD-Politikern

Neben Mitarbeitern des Maximilianeums nahmen am Pfingstmontag auch weitere Landtagsabgeordnete beim laut Landtagsverwaltung vom Münchner Stadtrat ausgerichteten Mini-Turnier teil. Außer Henkel und seinem Parteikollegen Ingo Hahn kickten auch Arif Tasdelen (SPD), Matthias Fischbach (FDP) sowie die beiden Grünen Benjamin Adjei und Andreas Krahl im Stadion des FC Bayern eifrig mit.

Der Münchner AfD-Abgerodnete Uli Henkel. Fotos: Facebook
Der Münchner AfD-Abgerodnete Uli Henkel. Fotos: Facebook © Facebook/AZ

Letzterer schwärmte später bei Facebook vom Spiel gegen den Stadtrat als "das absolute Top-Spiel vom Pfingstmontag". Und weiter schrieb er, man sei "vollkommen fokussiert" gewesen, "in dem Hexenkessel der Allianz Arena zu gewinnen".

Linke in der AZ: "Das geht gar nicht"

Zwei Grüne, ein Sozialdemokrat und ein Liberaler spielen gemeinsam in einem Fußballteam mit Abgeordneten einer in Teilen rechtsextremen Partei, deren Jugendorganisation vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" geführt wird?

Zumindest in der Linken hat man dazu eine klare Meinung. Titus Schüller, geschäftsführender Vorstand des bayerischen Landesverbands der Partei, sagt der AZ: "Das geht gar nicht." Für ihn ist klar: "So etwas ist doch eine Steilvorlage für die AfD, um zu sagen, dass sie ein ganz normaler Teil der Gesellschaft und des politischen Betriebs sind."

Linke: Mit AfD-Abgeordneten weder "Bier trinken noch gemeinsam kicken"

Man solle mit AfD-Abgeordneten "weder ein Bier trinken gehen, noch gemeinsam kicken". Schüller kann nicht nachvollziehen, dass "auch Grüne- und SPD-Politiker vom Prinzip der Brandmauer der demokratischen Parteien gegen die AfD abweichen". Der Nürnberger Linken-Stadtrat sagt: "Beim Team des Nürnberger Stadtrats spielen ja auch keine AfD-Politiker mit."

Unstrittig ist: Nicht nur in der parlamentarischen Debatte achten viele Grüne, Sozialdemokraten und Liberale enorm darauf, sich von der AfD abzugrenzen
. Viele geben den Rechtsaußen-Parlamentariern zur Begrüßung symbolisch nicht die Hand. Ein Teil lehnt Podiumsdiskussionen mit AfD-Teilnehmern kategorisch ab. Auch vor der Allianz Arena verweigerten Abgeordnete Henkel den Handschlag, wie dieser der AZ berichtete.

"Das Landtagsamt behandelt selbstverständlich alle Fraktionen gleich"

Auf Anfrage unserer Zeitung lassen Tasdelen, Fischbach sowie Adjei und Krahl keinen Zweifel daran, dass sie sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hätten. Krahl verweist darauf, dass dem Mini-Turnier eine Anfrage der Verwaltung des Maximilianeums an sämtliche Abgeordneten per Newsletter vorausging, ob sie teilnehmen möchten.

"Das Landtagsamt behandelt selbstverständlich alle Fraktionen, alle gewählten Volksvertreter, gleich", sagt ein Sprecher des Landtagsamts der AZ. Wenn eine offizielle Einladung an den Landtag erfolge, könne die Behörde nicht, "einzelne Fraktionen oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschließen".

Krahl (Grüne): "Niemand wusste, wer sich dazu meldet"

Krahl erläutert: "Niemand von uns wusste, wer sich dazu meldet, noch hatte einer der Spieler Einfluss auf die Zusammensetzung der Mannschaft." Dem Grünen und den anderen Abgeordneten war bewusst, dass auch AfD-Politiker mitspielen könnten. Er betont: "Die Repräsentanz des Bayerischen Landtags, der Herzkammer unserer Demokratie, konnte und wollte ich nicht allein den Abgeordneten der AfD überlassen." Sie repräsentierten weder "den Landtag noch unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung". Und weiter: "Um hier ein Zeichen zu setzen, meldete ich mich zu dem Spiel an."

Fischbach verweist darauf, dass Veranstaltungen des Landtags allen Fraktionen offen stünden. "Und solange die Wähler diese Partei in den Landtag wählen, können sie daran auch teilnehmen", so Fischbach auf AZ-Anfrage. Er fragt: "Sollen wir diese denn alle boykottieren, wenn sich dafür ein AfDler meldet?" Niemand könne "ernsthaft fordern, den Rechten so eine Macht zu geben".

Adjei sagt: "Wir stimmen aus Prinzip nicht mit Anträgen der AfD."
Seine Partei und er distanzierten sich, wo immer es nur irgendwo gehe. "Die AfD ist im Moment leider Teil des Landtags", so der Grünen-Abgeordnete. Und weiter: "Die Frage war: Überlassen wir ihnen auf großer Bühne die alleinige Vertretung des Landtags oder sind wir als Demokraten dabei?"

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"Turnier war eine Landtagsveranstaltung so wie das Sommerfest"

SPD-Mann Tasdelen verweist darauf, dass er sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagiert. "Beim Training der Landtagstruppe war ich übrigens deshalb nicht dabei, weil ich da gerade beim NSU-Untersuchungsausschuss war."

Er verliere außerhalb der Debatten kein Wort an AfD-Abgeordnete. "Aber das Turnier war eine Landtagsveranstaltung so wie etwa das Sommerfest in Schleißheim", sagt Tasdelen. Und dort störe sich ja auch niemand daran, "dass vielleicht ein paar Meter entfernt, AfD-Abgeordnete Sekt trinken". Er wolle offizielle Landtagsveranstaltungen "nicht Rechtsextremen überlassen".

Linken-Politiker Schüller lässt diese Argumente nicht gelten: Wenn das Landtagsamt die AfD aus Neutralitätsgründen einladen müsse, müssten Fußball-Events der Fraktionen eben privat organisiert werden.

Unterstützung aus der CSU

Doch die Oppositionskicker von SPD, Grünen und Liberalen bekommen Rückendeckung von ungewohnter Seite. Der CSU-Abgeordnete Benjamin Miskowitsch sagt der AZ: "Es ist in Ordnung, dass die Kollegen hier der AfD nicht das Feld überlassen haben." Er spiele gerne Fußball, habe an diesem Tag jedoch keine Zeit gehabt. Unglücklich seien jedoch die Mannschaftsfotos.

Auch Fabian Mehring, parlamentarischer Geschäftsführer der FW-Fraktion, hält im AZ-Gespräch nichts davon, der AfD "ständig per Ausgrenzung eine Bühne zu bauen, auf der sie sich dann in einer vermeintlichen Opferrolle inszenieren kann".

Noch weiter geht der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Josef Zellmeier. Der CSU-Politiker sagt auf Anfrage: "Fußball sollte nicht politisiert werden." Dies habe ihn schon während der letzten WM gestört.

Und weiter: "Wenn es eine Landtagsmannschaft gibt, spielen darin, alle Abgeordneten, die wollen - auch die AfD." Zwar lehne er die Politik der AfD ab, doch seien "auch Politiker dieser Partei Menschen und verdienen im persönlichen Umgang mit menschlichem Anstand behandelt zu werden". Zellmeier hält es "für falsch, die Abgeordneten und damit auch ihre Wähler bei Landtagsveranstaltungen pauschal auszugrenzen".

AfD-Politiker versuchte Veranstaltung für sich zu nutzen

Die Abgeordneten betonen nach dem Auftritt in der Allianz Arena unisono, dass die Zusammensetzung der Mannschaft bei dem Kick einmalig gewesen sei. Auch das Landtagsamt bestätigt: "Ein offizielles Fußball-Landtags-Team gibt es seit dieser Wahlperiode nicht mehr."

Unstrittig ist aber auch: Henkel versuchte die Veranstaltung für sich zu nutzen. Auf seinem reichweitenstarken Kanal postete er: "Ich würde mich jedenfalls freuen weiterhin für Sie / für Euch im Landtag kämpfen zu dürfen." Und er fügte hinzu: "Gegen den organisierten Wahnsinn in der deutschen Politik." Henkel ist nicht unumstritten. Auf seinem Kanal postete er zuletzt etwa ein Foto eines blonden Mädchens mit den Worten: "Wie lange wollt ihr noch zusehen? Syrer sticht auf Kleinkinder ein."

Sportlich hatte am Pfingstmontag übrigens der Stadtrat der Landeshauptstadt die Nase vorn. Die Münchner Auswahl gewann verdient gegen das Landtagsteam.

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20 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Haan am 03.07.2023 18:54 Uhr / Bewertung:

    Adjei sagt: "Wir stimmen aus Prinzip nicht mit Anträgen der AfD."
    Sehr demokratisch hört sich das aber nicht an.

  • Witwe Bolte am 03.07.2023 17:01 Uhr / Bewertung:

    Jessasna, die AfD spielt mit ihren Landtags-Kollegen Fußball. Vielleicht essen die auch noch zusammen in der Landtagskantine vom gleichen Porzellan und benutzen dieselben sanitären Anlagen. Das bedeutet den Untergang des Abendlandes.
    Oder gibts separate Gemeinschafts-Räume für jede Partei? 🤔

  • Der wahre tscharlie am 03.07.2023 16:51 Uhr / Bewertung:

    Dass der AfD-Mann aus einem simplen Fußballspiel auch noch politisches Kapital schlagen will, geht schon mal garnicht.
    Ich finds ja in Ordnung, dass er sich auf dem Spielfeld mal auspowern dürfte, da wirds dann hoffentlich im Landtag etwas ruhiger.

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