Fakten-Check: Was bringt ein Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland?

Langsamer fahren, Sprit sparen - und so Russland weniger unterstützen: Experten haben nachgeprüft, ob diese Rechnung aufgeht.
Marc Fleischmann |
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Ein Straßenwärter montiert an einer Autobahn ein Schild zur Geschwindigkeitsbegrenzung.
Ein Straßenwärter montiert an einer Autobahn ein Schild zur Geschwindigkeitsbegrenzung. © Patrick Seeger/dpa

Die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen wird in Deutschland schon lange kontrovers diskutiert. Mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nimmt das Thema wieder Fahrt auf. Durch eine geringere Geschwindigkeit sollen Fahrzeuge weniger Kraftstoff und damit weniger importiertes Öl aus Russland verbrauchen.

Durch Tempolimit auf der Autobahn weniger vom Russen-Öl abhängig?

Behauptung: Ein Tempolimit auf der Autobahn macht Deutschland weniger abhängig von russischen Öl-Importen.
Bewertung: Das stimmt, der Kraftstoffgesamtverbrauch von Autos sinkt jedoch nur um etwa 1,5 bis vier Prozent.
Fakten: Deutschland hat im Jahr 2021 etwa 81 Millionen Tonnen Rohöl importiert. Davon kamen 35 Prozent aus Russland, also gut 28 Millionen.

Aus einem Liter Rohöl werden im Durchschnitt in deutschen Raffinerien nach Expertenangaben etwa 0,2 bis 0,35 Liter Sprit hergestellt, je nachdem, ob es sich um Benzin oder Diesel handelt. Bis Ende 2022 will Deutschland in diesem Bereich nahezu unabhängig von Russland sein.

Einsparpotenzial beim Ölverbrauch im Verkehr ist riesig

Alleine Autos haben in Deutschland im Jahr 2020 nach vorläufigen Angaben des Bundesverkehrsministeriums 23,82 Milliarden Liter Benzin und 18,3 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Der Verkehrsbereich bietet also große Einsparpotenziale beim Ölverbrauch.

Auf 70 Prozent der deutschen Autobahnen gibt es kein Tempolimit

Oft ist von einem Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen die Rede, die insgesamt etwa 13.000 Kilometer lang sind. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) liegt der Anteil von Strecken ohne Geschwindigkeitsbegrenzung am gesamten Autobahnnetz bei 70 Prozent. Das heißt: Auf gut 9.000 Autobahnkilometern gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Je schneller das Auto, desto mehr Sprit im Motor

Allgemein gilt: Je schneller ein Fahrzeug unterwegs ist, desto mehr Sprit fließt durch den Motor. Ein Grund ist der Luft- und Roll-Widerstand, der sich mit zunehmender Geschwindigkeit erhöht. Das heißt im Umkehrschluss: Je eingreifender ein Tempolimit umgesetzt wird, desto weniger hoch sind Kraftstoffverbrauch und Umweltbelastung.

So viel Kohlendioxid wird ausgestoßen

Wer Sprit verbraucht, schädigt dabei immer mit Kohlendioxid (CO2) aus dem Auspuff die Umwelt - und beide Mengen helfen bei der Berechnung der Einsparung. Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren erklärt dazu: "Wenn ein Fahrzeug einen Liter Benzin verbraucht, stößt es etwa 2,37 Kilogramm CO2 aus. Wurde Diesel getankt, sind es 2,65 Kilogramm CO2."

Die Berechnungen des Umweltbundesamt

Das Umweltbundesamt (UBA) betrachtet Benzin- und Diesel-Pkw auf Autobahnen nicht getrennt, "da die CO2-Emissionen der durchschnittlichen und damit typischen Fahrzeuge in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit sehr ähnlich sind". Daher liegt den folgenden Rechnungen die Annahme zugrunde, dass beim Verbrauch von einem Liter Benzin 2,5 Kilo CO2entstehen.

Zur Einordnung: Das Auto ist in Deutschland das meistgenutzte Fortbewegungsmittel. 57 Prozent aller Wege werden damit zurückgelegt, in ländlichen Regionen sind es 70 Prozent. Das geht aus dem Ergebnisbericht "Mobilität in Deutschland" hervor. Nach Angaben des UBA verursachten Pkw und leichte Nutzfahrzeuge 2020 auf Autobahnen in Deutschland Treibhausgasemissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Der Begriff dient als Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase.

Im Detail: Die Berechnungen haben ergeben, dass Tempo 130 auf Autobahnen 1,5 Millionen Tonnen an CO2 und damit 600 Millionen Liter Sprit einsparen würde. Während es sich beim CO2-Ausstoß um etwa fünf Prozent der Gesamtmenge handelt, sinkt der Kraftstoffgesamtverbrauch von Autos durch diese Maßnahme nur um knapp 1,5 Prozent.

Größere Potenziale zu Einsparungen gelingen nur mit drastischeren Tempolimits: Bei maximal Tempo 120 auf der Autobahn würden die Emissionen laut UBA um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert - umgerechnet sind das 800 Millionen Liter Kraftstoff.

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Bei einer Begrenzung auf 100 km/h sind es 4,3 Millionen Tonnen CO2 - immerhin gut 1,7 Milliarden Liter Sprit, also etwa vier Prozent des Gesamtverbrauchs von Autos.

Die Umweltbehörde weist daraufhin, dass die Fahrleistung 2020 durch das Coronavirus bedingt niedriger ausfiel als in den Vorjahren. Zum Vergleich: Mit den Werten von 2018 ging das UBA bei Tempo 130 von einer Einsparung von 1,9 Millionen Tonnen CO2 aus, bei 120 von 2,6 Millionen Tonnen und bei 100 von 5,4 Millionen. Würden auch die im Ausland getankten und in Deutschland genutzten Kraftstoffe eingerechnet, läge der Effekt laut UBA "um 14 Prozent höher".

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24 Kommentare
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  • Leserin am 18.04.2022 21:27 Uhr / Bewertung:

    Wir Deutsch betrachten die amerikanisch Waffengesetzgebung, für die mit persönlicher Freiheit argumentiert wird mit allergrössten Unverständnis. Die Mehrheit der Wähler*innen ist für ein Tempolimit. Der ADAC hat dir einiger Zeit begonnen sich neutral zu positionieren. Mit selbsfahrenden Autos wird man keine extremen Geschwindigkeitsunterschiede mehr zulassen können. Und da gibt es immer noch keine parlamentarische Mehrheit für eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Ha unsere Autoindustrie eine gleich starke Lobby, wie die amerikanische Waffenindustrie? Gegen den Willen der Wähler*innen?

  • katzenurin am 17.04.2022 20:01 Uhr / Bewertung:

    Wieviele Tonnen CO2 verursachen eigentlich die Spaß-„E-Tretroller“ pro Jahr?

  • Der wahre tscharlie am 17.04.2022 17:28 Uhr / Bewertung:

    Das war ja klar, dass bei den "Bleifuss-Experten" der Faktencheck nicht gut ankommt.
    Auf das Argument der Spritersparnis geht man hier fast überhaupt nicht ein. Und "lustig" finde ich auch das "Argument" des "entspannten Fahrens" bei 130. Und das bei unserer Verkehrsdichte. grinsen

    Andere Länder in Europa sind da schon weiter. In Schweden gilt auf Autobahnen 110-120km/h. Und da ist viel weniger Verkehrsaufkommen.
    Unabhängig davon, dass in den anderen Ländern die Geldstrafen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen um einiges höher sind, als bei uns.

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